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"Triton" soll Flüchtlinge retten

Bernd Riegert12. November 2014

Seit einigen Tagen will die EU mit ihrer neuen Operation "Triton" im Mittelmeer Flüchtlinge in Seenot retten. Springt die EU ein, nachdem Italien seine Mission auslaufen lässt? Bernd Riegert berichtet aus Lampedusa.

Ein Mann mit Fernglas schaut von dem Patrouillenschiff aufs Meer (Foto: DW/B. Riegert)
Beobachtungsposten auf der "Viana do Castelo"Bild: DW/B. Riegert

Nach fünf Tagen Sturm ist das Meer zwischen der italienischen Insel Lampedusa und Libyen wieder ruhiger. Seit einer Woche kreuzt das portugiesische Patrouillenboot "Viana do Castello" in einem Seegebiet 30 Seemeilen südlich vor Lampedusa. Kapitän Jorge Miguel Morais Chumbo ist mit seiner Besatzung von 40 Mann immer auf der Suche nach Booten mit Flüchtlingen in Seenot. "Wir hatten bislang noch keinen Einsatz. Ich denke mal wegen des schlechten Wetters ist die Lage noch ruhig", sagt der Kapitän auf der Brücke. Er verfolgt auf großen Radarschirmen alle Handelsschiffe, Fischerboote und verdächtigen Objekte in seinem Seegebiet. Dass er bislang keine Flüchtlingsboote gefunden hat, kann daran liegen, dass der enorme Sturm, der selbst sein Kriegsschiff in Schwierigkeiten brachte, die maroden Holzboote der Menschenhändler einfach zerschlagen hat. Das portugiesische Schiff, das im Auftrag der EU-Grenzschutzagentur "Frontex" unterwegs ist, könnte Hunderte Flüchtlinge mit kleinen Rettungsbooten an Bord holen. Die würden dann in einen italienischen Hafen gebracht und dort den Behörden übergeben.

Kapitän Morais Chumbo: Wir wollen rettenBild: DW/B. Riegert

Aufklärung aus der Luft

Das wichtigste Element der Seenotrettung sind nicht die Schiffe, sondern die beiden Küstenwacht-Flugzeuge, die von Lampedusa und Malta aus das riesige Seegebiet bis nach Libyen überwachen können. Eines der mit hochsensiblem Radar und Kameras ausgerüsteten Flugzeuge kommt aus Finnland. Normalerweise sucht Pilot Lauri Pakkala in der Ostsee nach Ölteppichen und Umweltverschmutzung. Jetzt startet er von Lampedusa mit speziellen Beobachtungs-Offizieren, um Menschen zu finden. "Normalerweise sind die Boote in dieser Gegend hier voller Flüchtlinge. Man sieht sie sofort, denn das ganze Deck ist voller Menschen. Fischerboote haben nur die Ausrüstung für das Fischen, Netze und so etwas, an Deck." Lauri Pakkala meldet seine Sichtungen an die Zentrale der italienischen Küstenwache in Rom. Die wiederum sieht, welche Schiffe in der Nähe sind, und entscheidet, wer zur Rettung aufbrechen soll. Aus Rom würde auch das portugiesische Schiff von Kapitän Morais Chumbo seinen Einsatzbefehl bekommen.

Küstenwache aus Finnland: Lauri PakkalaBild: DW/B. Riegert
Beiboot wird zu Wasser gelassen: "Viana do Castelo" vor LampedusaBild: DW/B. Riegert

Mission "Triton" ist nur eine Hilfe für Italien

Italien betreibt parallel zur neuen europäischen Operation "Triton" weiter seine eigene Rettungsmission mit Namen "Mare Nostrum" weiter draußen in internationalen Gewässern. Diese Mission will die italienische Regierung auslaufen lassen, weil sie ihr zu teuer wird. "Triton" mit zwei Flugzeugen, einem Hubschrauber und sechs Schiffen wird nicht das gleiche leisten können, was die italienische Marine das seit einem Jahr getan hat. Immerhin hat Italien über 100.000 Flüchtlinge aus dem Mittelmeer gefischt. Izabella Cooper, die Sprecherin der Grenzschutzagentur Frontex, stellt im Hafen von Lampedusa klar, dass "Triton" nur eine Ergänzung ist. "Die Rolle von Frontex ist es nicht, die Grenzkontrollen Italiens oder irgendeines Mitgliedsstaates zu ersetzen. Wir stellen nur zusätzliches technisches Gerät oder Personal für diese besonders belasteten Länder zur Verfügung, damit sie ihre Grenze überwachen können", so Izabella Cooper. Auch die neue Mission "Triton", die seit dem 1. November aktiv ist, bleibt unter italienischem Kommando. Italien muss weiterhin die Seenotrettung in seinem Seegebiet organisieren und befehligen. "Es gibt internationale Gesetze, die jeden, der auf See ist, dazu verpflichten zu retten", sagt Izabella Cooper.

"2014 war das schlimmste Jahr"

Der deutsche Innenminister Thomas de Maiziere erhebt den Vorwurf, dass die organisierte Seenotrettung der europäischen Staaten die Flüchtlinge erst ermutige, die gefährliche Reise zu wagen. Das können viele Offiziere an Bord der "Viana do Castelo" nicht nachvollziehen. Niemand wisse ja, wie viele Flüchtlinge ohne "Mare Nostrum" oder jetzt "Triton" kommen würden. "2014 war ein dramatisches Jahr", so Izabella Cooper von der EU-Grenzschutzagentur Frontex. "Noch nie hat es so viele Flüchtlinge, so viele Tote, aber auch so viele Gerettete gegeben." Verantwortlich für den Anstieg der Flüchtlingszahlen sei vor allem die dramatische Lage in Syrien, Eritrea, der Demokratischen Republik Kongo oder dem Sudan. "Die Lage ist sehr schwierig. Ein ganz klarer Push-Faktor ist die Situation in Libyen. Das ist ein gescheiterter Staat, in dem es keine Polizei oder Justiz mehr gibt, die die Menschenhändler und Schmuggler aufhalten würde."

Izabella Cooper: Frontex ist nur HilfeBild: DW/B. Riegert

Flüchtlinge werfen ihre Ausrüstung über Bord

Nach fünf Stunden in der Luft ist Lauri Pakkala mit seinem Überwachungs-Flugzeug auf den kleinen Flugplatz von Lampedusa zurückgekehrt. Er erzählt, dass er versucht, möglichst nicht zu nahe an die Flüchtlingsboote heranzufliegen. Erfahrungswerte aus anderen Einsätzen: "Manchmal führen die Flüchtlinge selbst gefährliche Handlungen durch, die sie in Gefahr bringen. Sie werfen ihre Ausrüstung oder Navigationsgeräte über Bord. Sie glauben eben, dass sie schneller gerettet werden, wenn sie wirklich in Seenot sind." Sobald sie sein Flugzeug sehen, würden die Menschen alles tun, um gerettet zu werden, sagt Lauri Pakkala. Manche Schmuggler rammen sogar kleinere Flüchtlingsboote oder schlagen ein Leck in den Rumpf. Dabei kann es nach der Sichtung noch Stunden dauern, bis ein Schiff mit der nötigen Ausrüstung die Flüchtlingsboote tatsächlich erreicht.

Die See wird im Winter rauer: Rettungshubschrauber über dem Flüchtlings-Mahnmal "Tor nach Europa" auf LampedusaBild: DW/B. Riegert

Frontex sucht nach Schleusern unter den Flüchtlingen

Sobald Flüchtlinge an Bord des portugiesichen Patrouillenschiffes "Viana do Castelo" kommen sollten, werden sie medizinisch versorgt, aber spezielle Ermittler der Grenzschutzagentur Frontex würden die Menschen aus den oft total überfüllten und maroden Booten auch befragen. Die Offiziere der Grenzpolizei, wie Nunu Palheira, wollen herausfinden, auf welchem Weg die Flüchtlinge in die Boote gekommen sind, wen sie bezahlt haben und wer die Schmuggler sein könnten. Meist ist einer der Schmuggler, der das Boot steuert, unter den Geretteten und somit mit an Bord des Frontex-Schiffs, so Nunu Palheira: "Wir können Sie oft identifizieren. Das ist nicht einfach, besonders wenn die Schleuser die gleiche Nationalität haben wie die Flüchtlinge. Wenn ein Albaner ein Boot voller Syrer schleust, ist das einfach zu erkennen, aber wenn in dem Boot nur Menschen aus einem Land sitzen, dann brauchen wir mehr Zeit, um das Verhalten und die Hierarchie in dieser Gruppe zu analysieren, um herauszufinden, wer das Kommando hatte." Dutzende von Schmugglern oder ihre Helfer konnten so schon verhaftet werden.

Schiffs-Friedhof auf Lampedusa: Schleuser pferchen Flüchtlinge auf SeelenverkäuferBild: DW/B. Riegert

Das schreckt in Schmugglerbanden in Libyen aber nicht sonderlich ab. Das Geschäft laufe einfach zu gut, meint Izabella Cooper von Frontex. "Die Schmuggler in Libyen machen zurzeit ein lukratives Geschäft ohne Risiko. Sie können mit einem einzigen Boot bis zu eine Million Euro verdienen." Da es in Libyen keine Strafverfolgung und keine staatlichen Strukturen gäbe, sei es unheimlich schwer gegen den Menschenhandel vorzugehen, beklagt die Europäische Union immer wieder. Jetzt beginnt die "Wintersaison", in der normalerweise weniger verzweifelte Flüchtlinge, die Tausende von Euro für die gefährliche Überfahrt zahlen, in die Boote steigen. Das Wetter ist einfach zu schlecht, aber die Aussicht auf Rettung in Seenot könnte die Hemmschwelle senken, befürchten italienische Marine-Offiziere. Und auch der EU-Grenzschutzagentur bleibt vor allem Hoffung, sagt Izabella Cooper, die Frontex-Sprecherin auf Lampedusa: "Wir hoffen, dass die Schmuggler niemanden auf Booten losschicken, die dem rauen Wetter nicht standhalten können."

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