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Tritt Draghi auf die Anleihe-Bremse?

Zhang Danhong
25. Oktober 2017

Alles spricht dafür, dass der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) an diesem Donnerstag den Einstieg in den Ausstieg aus dem Anleihekaufprogramm beschließen wird. Eine wirkliche Alternative hat die EZB nicht.

Mario Draghi
Italiener an der Spitze der EZB: Mario DraghiBild: picture-alliance/dpa/A. Dedert

Seit März 2015 kauft die EZB monatlich Staatsanleihen und andere Anleihen für 60 Milliarden Euro. Ziel ist es, Inflation und Wachstum im Euroraum anzukurbeln. Vor allem Kritiker aus Deutschland sahen darin eine versteckte Staatsfinanzierung und zogen vor das Bundesverfassungsgericht. Sowohl Karlsruhe als auch der Europäische Gerichtshof haben zugunsten der EZB geurteilt - unter dem Vorbehalt, dass sich die Währungshüter an die selbst gesetzte Begrenzung halten. Diese besagt, dass die EZB nicht mehr als ein Drittel der Anleihen einzelner Staaten kauft, um nicht zum Hauptgläubiger der Euroländer zu werden. Genau das würde bei Bundesanleihen im Sommer 2018 der Fall sein, wenn die EZB unvermindert Anleihen erwirbt. "Deshalb dürfte die EZB am Donnerstag weniger darüber diskutieren, ob sie die Anleihenkäufe im kommenden Jahr reduziert, sondern in welchem Umfang sie dies tun wird", schreibt Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer in einer Analyse.

Uwe Burkert, Chefvolkswirt bei der LBBWBild: LBBW/F. Eppler

"Wir erwarten einen klaren Einstieg in den Ausstieg von Anleihenkäufen. Und zwar gehen wir davon aus, dass die EZB von den 60 Milliarden Euro, die sie momentan kauft, auf 20 Milliarden runtergeht und das für neun Monate", sagt Uwe Burkert, Chefvolkswirt der LBBW. Diese Voraussage begründet er mit zwei Faktoren: "Zum einen ist die politische Situation recht stabil. Zum anderen ist die wirtschaftliche Entwicklung in der Eurozone sehr robust geworden. Die EZB hat also niemanden, auf den sie wegen Rezession Rücksicht nehmen müsste", sagt Burkert im Gespräch mit der Deutschen Welle. 

Das sieht Jens Kramer, Analyst bei der Nord LB, ähnlich. Er geht aber, wie die meisten der Ökonomen, lediglich von einer Halbierung der Summe ab Januar aus, also 30 Milliarden Euro. Dieser Kompromiss würde ausreichen, um die deutschen Kritiker im EZB-Rat zu besänftigen. Ab Jahresmitte könnte man das Tempo nochmal erhöhen und die Anleihenkäufe auf zehn Milliarden Euro monatlich runterfahren. "Dann hätte man niemanden auf dem falschen Fuß erwischt, sondern mit einer ruhigen Gangart und marktschonend dieses QE (Quantitative Easing)-Programm im Herbst nächsten Jahres abgeschlossen", so Kramer weiter.

Vertrauen in den Euro ist zurückgekehrt

Beim Ausstieg aus dem Anleihekaufprogramm rechnet Uwe Burkert von der LBBW nicht mit einem nennenswerten Widerstand aus den südeuropäischen Ländern, die als Hauptprofiteure dieses Programms gelten. "Wenn die EZB dem Markt signalisiert, wie sehen die Situation als so gefestigt an, dass wir uns aus diesem Anleihekaufprogramm auch verabschieden können, dann kann der Markt mit größerem Vertrauen wieder selber in die Bresche springen und Anleihen von Italien, Portugal und Spanien kaufen", ist der Ökonom überzeugt. 

Dr. Jens Kramer, Analyst bei der Nord LBBild: Nord LB

Tatsächlich befinden sich alle drei Länder auf einem stabilen Wachstumspfad. Auch Griechenland hat die Rezession hinter sich und freut sich auf den ersten größeren Anstieg der Wirtschaftsleistung seit knapp zehn Jahren. Man kann auch sagen, dass die ultralockere Geldpolitik der EZB endlich Wirkung entfaltet. Eines der zwei Hauptziele des Anleihekaufprogramms ist somit erreicht. Zwar liegt die Teuerungsrate noch unterhalb der EZB-Zielmarke von knapp zwei Prozent, "aber mit 1,5 Prozent sind wir davon nicht so weit entfernt, dass das hinreichend Rechtfertigung dafür bieten würde, dass man jetzt weiter mit dem Fuß auf dem Gaspedal bleiben müsste", sagt Jens Kramer von der Nord LB gegenüber der DW. 

Noch ist der Wechselkurs kein Grund zur Sorge

Zuletzt bereitete der starke Euro einigen Notenbankern Kopfzerbrechen. Sie befürchteten, dass der Höhenflug der Gemeinschaftswährung den Export der Euroländer bremsen und das zarte Pflänzchen des Wachstums zunichte machen könnte. Eine Straffung der Geldpolitik würde den Euro gegenüber dem Dollar weiter stärken. Uwe Burkert lässt dieses Argument nicht gelten. Erstens sei das jetzige Euro-Niveau noch nicht Besorgnis erregend; zweitens dürfe man die USA hinsichtlich des Wachstums nicht abschreiben: "Wenn sie eine Steuerreform hinbekommen, was ich der Trump-Administration zutraue, dann haben wir wieder eine andere Euro-Dollar-Relation."

Vorher muss Mario Draghi das Kunststück gelingen, einerseits die Zügel der Geldpolitik ein bisschen enger zu ziehen und andererseits dafür zu sorgen, dass der Eurokurs dann nicht durch die Decke geht. Dafür bräuchte sich der EZB-Chef nur alle Optionen offen zu halten, meint Ökonom Burkert: "Er wird sagen, dass er natürlich jederzeit bereit sein wird, das Anleihekaufprogramm je nach Daten und Entwicklungen wieder zu vergrößern und verlängern."

Das wäre keine Beschwichtigungsrhetorik. Denn das wichtigste Problem in der Eurozone - die Überschuldung der Staaten, Unternehmen und Privathaushalte - sei laut der Commerzbank-Studie nicht nur nicht gelöst, sondern teilweise verschärft. Die Krise könnte also jederzeit zurückkehren.   

Auch deswegen muss die EZB erst mal leicht auf die Bremse treten, um notfalls wieder Gas zu geben.

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