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Politik

Trotz Brexit geeint gegen den Terror

Nina Niebergall z.Zt. Luxemburg
19. Juni 2017

Der jüngste Anschlag auf Muslime in London lässt die EU zusammenrücken. Die Außenminister bekräftigen ihren Kampf gegen Terrorismus - die Abhängigkeiten in der Sicherheitspolitik sind groß. Aus Luxemburg Nina Niebergall.

Großbritannien London Fahrzeug rammt Moschee-Besucher
Bild: picture-alliance/AA/T. Salci

Für den britischen Außenminister Boris Johnson sind es stürmische Zeiten. Während in Brüssel die Brexit-Verhandlungen beginnen, herrscht in London Chaos. Noch immer ist Premierministerin Theresa May auf der Suche nach einer funktionsfähigen Regierung. Der Brand im Hochhaus Grenfell Tower vor wenigen Tagen wirft Fragen nach der Ursache auf. Und in der vergangenen Nacht erschütterte ein weiterer mutmaßlicher Terroranschlag das Land, diesmal gegen muslimische Bürger.

Trotzdem - oder gerade deshalb - ist Johnson am Montag nach Luxemburg gekommen, um die Außenminister der Europäischen Union zu treffen. "Das ist die erste Chance, die wir haben, um mit unseren europäischen Freunden über die Attentate im Vereinigten Königreich zu sprechen", erklärt der britische Außenminister bei seiner Ankunft. Schließlich seien bei dem Anschlag auf der London Bridge und in dem angrenzenden Viertel vor rund zwei Wochen vor allem Menschen aus anderen europäischen Ländern getötet worden. Er zählt auf: "Drei Franzosen, zwei Polen, ein Spanier".

Die Liste der politischen Gewalttaten ließe sich für ganz Europa fortsetzen. Vor London war Manchester, vor Manchester schon einmal London, davor Berlin, Paris, Brüssel. Im Jahr 2016 wurden in der EU insgesamt 142 Menschen bei Terroranschlägen getötet, 379 verletzt. Das geht aus einem Bericht der europäischen Polizeibehörde Europol hervor. Und auch in diesem Jahr geht der Terror weiter.

Die jüngsten Anschläge zeigten, "wie wichtig es ist, interne und externe Maßnahmen der Terrorismusbekämpfung zu verbinden", meint Federica Mogherini, die Außenbeauftragte der EU. "Das ist genau das, was wir tun." Soll heißen: Die Union setzt sowohl auf die Zusammenarbeit ihrer Mitgliedsstaaten als auch darauf, den Terror jenseits der EU-Grenzen zu bekämpfen.

"Mit europäischen Freunden über Attentate sprechen": Britischer Außenminister Boris JohnsonBild: REuters/M. Dalder

Entwicklungshilfe für Anti-Terror-Kampf

So beschließen die Außenminister in Luxemburg, stärker mit Regierungen im Nahen Osten, in Nordafrika, der Sahel-Zone und am Horn von Afrika sowie auf dem Westbalkan und in der Türkei zusammenzuarbeiten - und Anti-Terror-Maßnahmen finanziell zu unterstützen. Die Anzahl der Regionen, mit denen die EU intensiver kooperieren will, zeigt, dass sie sie das Terrorproblem weiterhin für groß hält. Vielerorts breiten sich Terroristen auf dem fruchtbaren Boden instabiler Staaten aus.

Die Devise der Außenminister lautet, Entwicklungshilfe künftig stärker an Sicherheitsmaßnahmen zu knüpfen. Erst vor wenigen Tagen schuf die EU-Kommission in dieser Hinsicht Fakten: Von 88 Millionen Euro, die Brüssel westafrikanischen Länder zusagte, sollen 25 Millionen in den Informationsaustausch nationaler Polizeibehörden fließen. Die Finanzspritze soll helfen, Terrorismus, Drogen- und Menschenhandel zu bekämpfen.

Darüber hinaus einigten sich die Minister darauf, weiter gegen terroristische Aktivitäten im Internet vorzugehen. Das Ziel war bereits beim G7-Gipfel Ende Mai festgelegt worden.

Brexit mischt die Karten neu

Der Kampf gegen den internationalen Terrorismus ist einer von vielen Punkten auf der Agenda der EU-Außenminister. Sie beschäftigen sich in Luxemburg auch mit einer gemeinsamen Verteidigungsstrategie, dem Engagement im Irak sowie einmal mehr mit Migration - Themen, die sich nicht immer klar trennen lassen. Und der Brexit zwingt die europäischen Regierungen zusätzlich, sich in der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik neu zu sortieren.

"Terrorismusbekämpfung verbinden": EU-Außenbeauftragte Federica MogheriniBild: picture alliance/dpa/G. Vanden Wijngaert

So läuft der sicherste Draht nach Washington bisher über London. Als traditionell enger Partner verfügt das Vereinigte Königreich über Zugang zu US-Geheimdienst-Informationen, die anderen europäischen Staaten versagt bleiben. Umgekehrt ist London Mitglied von Europol und nutzt bei der Kriminalitätsbekämpfung auch EU-Datenbanken. Wären die anders vernetzt, könnten Anschläge von Terroristen, die sich länderübergreifend austauschen, möglicherweise eher verhindert werden.

Sicherheitspolitik kein Druckmittel

Obgleich in der Sicherheitspolitik also sowohl die Briten als auch die EU eigene Trümpfe in der Hand halten, hieß es bislang übereinstimmend aus Brüssel und London, man wolle die jeweiligen Vorteile in den Brexit-Verhandlungen nicht als Druckmittel einsetzen.

Die britische Regierung von Theresa May habe bereits ihr Interesse signalisiert, die Zusammenarbeit in diesem Bereich fortzusetzen und zu stärken, erklärte zuletzt EU-Kommissar Julian King. Der Brite ist in der Brüsseler Kommission für Sicherheitspolitik zuständig. Wenn Großbritannien so in die Verhandlungen gehe, werde die EU das sicher positiv aufnehmen, glaubt er. Eine Sorge hat King jedoch: "Nur weil alle sagen, etwas sei eine gute Idee, muss es nicht unbedingt leicht umzusetzen sein."

Bundesaußenminister Sigmar Gabriel jedenfalls erklärte nach der Sitzung in Luxemburg, man wolle den Briten eine Tür offen halten - "weil Europa ohne die Briten schwächer wird, die Briten aber auch ohne uns Europäer".

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