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Politik

Ägypten hofft auf Touristen

Tom Allinson | Lewis Sanders IV
23. Juni 2020

Das Land am Nil öffnet sich schrittweise wieder für ausländische Reisende und erlässt ihnen sogar die Visumspflicht. Doch Ägyptens Corona-Bilanz und die Reisewarnungen westlicher Länder bleiben hohe Hürden.

Ägypten | Leere Strände in Hurghada
Leere Strände in Hurghada: Ägypten hofft, dass sich dieses Bild bald wieder ändert Bild: picture-alliance/dpa/M. Lauck

Seit 15 Jahren erkundet Tauchlehrer Mustafa mit Touristen aus aller Welt die Gewässer des Roten Meeres vor Hurghada. Dann kam das Coronavirus und damit erst einmal das Aus für den Tourismus in Ägypten. Nun aber haben die ägyptischen Behörden angekündigt, Hurghada und andere wichtige Tourismuszentren wie Scharm el-Scheich vom 1. Juli an wieder für den internationalen Tourismus zu öffnen und Mustafa blickt wieder mit einigem Optimismus in die Zukunft.

"Es war furchtbar, als Corona uns traf - nicht nur für uns hier, für die gesamte Welt", sagt Mustafa*. Inzwischen haben die touristischen Dienstleister, mit denen er zusammenarbeitet, begonnen, wieder internationale Reservierungen anzunehmen. Er selbst verzeichne bereits einen Anstieg des Umsatzes beim Verkauf von Tauchzubehör, sagt Mustafa. Nun bereitet er sich auf die Hauptsaison vor, in der Hoffnung, dass bald wieder so viele Touristen kommen könnten wie vor der Corona-Krise. Alle seine Tauchausrüstungen würden gründlich nach den Empfehlungen des internationalen Berufsverbands "Professional Association of Diving Instructors" desinfiziert, versichert er.

Schrittweise Öffnung

Ägyptens Behörden öffnen den Tourismus-Sektor schrittweise, aber stetig, trotz des Umstands, dass die tägliche Zahl der Neuinfektionen nach Angaben der Johns Hopkins University zuletzt bei rund 1.400 lag. Zwar sind in Ägypten insgesamt weitaus weniger Infektionen registriert worden als in Ländern mit ähnlicher Bevölkerungszahl wie etwa Deutschland. Allerdings klagt das medizinische Personal in den großen Städten über ein überfordertes Gesundheitssystem und unzureichende Testkapazitäten. Die Aussagekraft der offiziellen Zahlen ist auch unter Ägyptern umstritten. Regierungsbeamte erklärten demgegenüber, man müsse lernen, mit dem Virus "zu koexistieren".

Beliebtes Ausflugziel: Der Karnak-Tempel in LuxorBild: picture-alliance/VisualEyze/Felbert+Eickenberg

Mit Blick auf den Tourismus bedeutet dies die vorsichtige Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs in einer Branche, die laut Analysten rund 15 Prozent der ägyptischen Wirtschaft ausmacht. Neben den klassischen Badeorten für den Massentourismus am Roten Meer sollen auch wichtige archäologische Stätten sowie die Flughäfen den Touristen mit gewissen Vorsichtsmaßnahmen wieder offen stehen.

Viele Hotels werden unter erhöhten Hygiene-Bedingungen den Betrieb wieder aufnehmen und gleichzeitig bestmöglich die Gesundheit der ankommenden Besucher kontrollieren. Allerdings versucht Ägypten die begrenzte Wiedereröffnung gleichzeitig aktiv anzukurbeln, indem es auf die Visumspflicht für Touristen in Urlaubsgebieten verzichtet. Außerdem gewährt das Land Fluggesellschaften erhebliche Rabatte und startet eine neue Werbekampagne.

Ein hart erarbeiteter Erfolg ist weg 

Anfang des Jahres hatte die Welttourismusorganisation der Vereinten Nationen (UNWTO) berichtet, der ägyptische Tourismussektor habe im Jahr 2019 mit über 13,5 Millionen Touristen einen Wachstumssprung von 21 Prozent verzeichnet. Ägypten führte sogar mehrere "Best Tourist Destination"-Listen für 2020 an, darunter auch eine des US-Wirtschaftsmagazins "Forbes". Said El-Batouti, ein ägyptischer Wirtschaftsberater der UN-Weltorganisation für Tourismus (UNWTO), sagte damals Ägyptens staatlicher Nachrichtenagentur, Ägypten könne mit mehr als 15 Millionen Besuchern rechnen, und zwar vor allem aufgrund des wieder erwachten Interesses deutscher Touristen an einem Urlaub in Ägypten.

Dieser Erfolg war hart und über Jahre hinweg erarbeitet worden. "Nach der Revolution 2011 dauerte es ungefähr sieben Jahre, bis die Geschäfte endlich langsam wieder liefen", erinnert sich ein Unternehmer* aus Luxor, der Nil-Kreuzfahrten auf Segelbooten, sogenannten "Dahabiyas" anbietet.

Doch als Ägyptens Regierung dann im März wegen Corona umfangreiche Anti-Pandemie-Maßnahmen ankündigen musste, verflog die Euphorie. Der Minister für Antiquitäten und Tourismus, Khaled al-Anani, erwartete damals monatliche Verluste von bis zu einer Milliarde US-Dollar (rund 890 Millionen Euro) im ägyptischen Tourismussektor. Nun hofft man, dass es nicht ganz so schlimm kommen wird.

"Noch nicht klar, wie das gehen soll"

Einige ägyptische Tourismus-Unternehmer bezweifeln jedoch, dass sich das Geschäft mit den Touristen rasch erholen wird, auch wegen der zu erwartenden Einschränkungen und Vorsichtsmaßnahmen. "Mir ist noch nicht klar, wie das gehen soll", sagte Faisal*, Inhaber einer Tauchschule und einer kleinen Flotte von Booten. "Wenn man mit seinem Unternehmen nur zu 50 Prozent ausgelastet sein kann, verliert man Geld. Darum spiele ich gerade mit dem Gedanken, vielleicht gar nicht neu zu öffnen. Denn wenn die Kapazitäten eingeschränkt sind, dürfte es sehr schwierig werden."

Der Rücktransport seiner Mitarbeiter aus ihren jeweiligen Heimatregionen innerhalb Ägyptens wie auch die Vorbereitung der Boote für eine kurze und womöglich eher schwache Saison vor den ohnehin eher ruhigen Wintermonaten werde vor allem Kosten verursachen, vermutet Faisal. Auch hätten einige potentielle Touristen aus anderen Ländern womöglich selbst durch die Corona-Krise Job und Lebensunterhalt verloren, was zusätzlich zu einer verringerten Nachfrage führen könnte.

Globale Faktoren

Gerade das Geschäft mit Touristen aus EU-Staaten könnte deutlich langsamer anlaufen als erhofft. Einige Länder heben zwar graduell die strengen Quarantäne-Regeln für rückkehrende Bürger aus Nicht-EU-Staaten auf. Doch die Warnung der deutschen Regierung vor Reisen in Staaten außerhalb Europas gelte bis mindestens zum 31. August, stellte Bundesaußenminister Heiko Maas kürzlich klar.

Ein Arbeiter desinfiziert Sitze am internationalen Flughafen in Hurghada Bild: picture-alliance/Xinhua News Agency/A. Gomaa

Auch die Ägypter selbst unterliegen Reisebeschränkungen. Dies habe immerhin zu einem Anstieg des Inlandstourismus beigetragen, berichtet Tourismus-Unternehmer Faisal. "Das Inlandsgeschäft verzeichnet einen Boom", sagt er. "Es gibt derzeit sicher mehr Ägypter, die Touristen innerhalb des eigenen Landes sind, als ausländische Touristen - und in Touristenorten wie El Gouna findet man deshalb an diesem Wochenende praktisch keine frei vermietbaren Wohnungen mehr." Allerdings versprechen inländische Touristen nicht annähernd so hohe Umsätze wie Gäste aus aller Welt.

Auch der Kreuzfahrt-Unternehmer aus Luxor sieht die Aussichten nüchtern: "Corona ist auf der gesamten Welt verbreitet", sagt er. Entscheidend sei daher, wie lange die Hindernisse im internationalen Reiseverkehr andauerten und wann ein Impfstoff oder Medikament gegen das Coronavirus entwickelt sei. Erst wenn Menschen wieder die Gewissheit hätten, im Urlaub nicht an COVID-19 zu erkranken oder sterben zu können, werde auch das Tourismus-Geschäft in Ägypten wieder voll Fahrt aufnehmen, meint er. "Sofern die Menschen dann noch Geld zum Reisen haben." 

*Nachdem einige Menschen verhaftet wurden, die die Reaktion der ägyptischen Regierung auf das Coronavirus kritisiert hatten, waren einige Personen sehr vorsichtig, über die Pandemie und die Auswirkungen zu sprechen. Um sie zu schützen, verzichtet die Deutsche Welle auf die Nennung ihrer Nachnamen oder macht ihre Identität unkenntlich.

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