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Weniger überschuldete Verbraucher

10. November 2020

Die Zahl überschuldeter Personen ist in Deutschland 2020 trotz der Corona-Krise noch einmal zurückgegangen. Doch Experten sehen in dieser Momentaufnahme nur die Ruhe vor dem Sturm. Vor allem die Altersarmut steigt.

Schuldneratlas Deutschland 2020 Symbolbild Mahnung
Bild: Christian Charisius/dpa/picture alliance

Die Wirtschaftsauskunftei Creditreform rechnet in Sachen Verschuldung wegen der Corona-Pandemie für die nächsten Jahren mit einer deutlichen Verschlechterung der Situation. "Die langfristigen Perspektiven für die Überschuldungsentwicklung sind besorgniserregend", warnte der Creditreform-Experte Patrik-Ludwig Hantzsch. Auf den ersten Blick sei die aktuelle Überschuldungsentwicklung paradox, da die Corona-Pandemie und die von der Politik beschlossenen Schutzmaßnahmen die Wirtschaft in eine tiefe Rezession  geschickt hätten.

Kurzarbeit und wachsende Arbeitslosenzahlen führten momentan dazu, dass viele Verbraucher in Deutschland weniger Geld zur Verfügung hätten, berichtete die Wirtschaftsauskunftei in ihrem "Schuldneratlas 2020". Rund 700.000 Menschen hätten zwischenzeitlich den Arbeitsplatz verloren, Millionen seien in Kurzarbeit und viele Freiberufler kämpften um ihre Existenz. Dies werde "zeitlich versetzt zu einem Anstieg der Überschuldungsfälle führen", warnte Hantzsch. Die Folgewirkungen der Pandemie würden gravierender sein als die Weltfinanzkrise 2008 rund 2009.

Corona-Pandemie wirkt zeitlich versetzt

In diesem Jahr nahm die Zahl der überschuldeten Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland aber noch einmal ab und verringerte sich um 69.000 auf 6,85 Millionen. Die Überschuldungsquote, also der Anteil überschuldeter Personen im Verhältnis zu allen Erwachsenen in Deutschland, sank leicht auf 9,87 Prozent und lag damit erstmals seit vier Jahren unter der Zehn-Prozent-Marke.

Aktueller Creditreform-Schuldneratlas zeigt Ruhe vor dem SturmBild: Rolf Vennenbernd/dpa/picture alliance

In den Zahlen spiegelt sich noch einmal die robuste Verfassung des Arbeitsmarktes bis zum Frühjahr 2020 wider. Dieser Positivtrend habe sich aber durch die Corona-Pandemie spätestens ab April gewendet, betonten die Experten. Dies werde zeitlich versetzt zu einem Anstieg der Überschuldungsfälle führen. "Für viele Verbraucher in Deutschland geht die Überschuldungsampel in den nächsten Monaten auf Rot", warnten die Creditreform-Experten.

Altersüberschuldung wächst gegen den Trend

Gegen den Trend nahm die Altersüberschuldung auch 2020 wieder deutlich zu - und zwar noch stärker als in den Vorjahren. Bei den über 50-Jährigen wuchs die Zahl der Überschuldungsfälle laut Creditreform um 245.000 oder elf Prozent. Die Zahl überschuldeter Personen ab 70 Jahren nahm sogar um 23 Prozent auf 470.000 zu. Seit 2013 habe sich die Überschuldungsquote bei den Senioren in der Altersgruppe 70 plus mehr als vervierfacht, während sich die Gesamtzahl aller überschuldeten Personen "nur" um rund vier Prozent erhöhte.

Wachsendes Problem AltersarmutBild: picture-alliance/dpa/K. Hildenbrand

Die Tafeln in Deutschland berichten über eine wachsende Not bei älteren Mitbürgern. Die Anzahl der Senioren, die bei den Tafeln Lebensmittel abholten, sei "innerhalb nur eines Jahres alarmierend gestiegen", erklärte der Vorsitzender der Tafel Deutschland, Jochen Brühl. Bereits in 15 Jahren könne jede fünfte Rentnerin oder jeder fünfte Rentner von Altersarmut bedroht sein.

Reformen und unstete Erwerbsbiographien

Die Gründe für die wachsende Altersarmut sind nach Einschätzung der Experten vielfältig. Einerseits machen sich hier nach früheren Angaben von Creditreform die Rentenreformen der vergangenen Jahrzehnte bemerkbar, die fast durchweg auf eine Kürzung des Sicherungsniveaus der gesetzlichen Rente abgezielt hätten.

Außerdem wirkten sich die wachsende Zahl unsteter Erwerbsbiografien und das Anwachsen des Niedriglohnsektors aus. Auch der zum Teil dramatische Anstieg der Mieten spiele eine Rolle. Allerdings sind Überschuldungsfälle bei Senioren nach wie vor deutlich seltener als bei jüngeren Verbrauchern.

Altersarmut sei jedoch besonders schwerwiegend, betonten die Experten von Creditreform. Während jüngere Menschen Armut häufig als vorübergehende Lebensphase begriffen und über ein Perspektive verfügten, sich aus ihrer schwierigen Situation herauszuarbeiten, sei das bei älteren Menschen in der Regel nicht mehr der Fall. Mit dem Eintritt in den Ruhestand sinke die Chance älterer Menschen drastisch, ihre ökonomische Lage zu verbessern. Verschärft werde das Problem dadurch, dass die Betroffenen oft ihnen zustehende Sozialleistungen nicht in Anspruch nähmen. 

ul/hb (dpa, Creditreform)

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