Dänische Wasserpumpen für die Krim
7. Mai 2021Seit Ende April haben die Menschen in den meisten Bezirken Simferopols laut Berichten örtlicher Medien 18 Stunden täglich fließendes Wasser. Das ist dreimal so lang wie in den vergangenen Jahren. Die Wasserversorgung ist eines der größten zivilen Probleme auf der seit 2014 von Russland annektierten ukrainischen Halbinsel. Vor der Annexion wurde die Krim über einen Kanal mit Wasser aus dem Dnjepr versorgt, doch wegen der Besetzung der Halbinsel wurde dieser von den ukrainischen Behörden gesperrt. Der Wassermangel ist mittlerweile so akut, dass viele Beobachter während der jüngsten Spannungen zwischen Moskau und Kiew vermutet hatten, er könnte Anlass für eine weitere russische Invasion werden.
Keine Spur von russischem Know-how
Um die Versorgung von Simferopol zu verbessern, wurde das Beschterek-Suja-Wasserwerk gebaut. Seit Mitte März soll es nun etwa ein Drittel der Bevölkerung der Hauptstadt der Krim mit Wasser versorgen. Das Wasserwerk muss Trinkwasser aus sogenannten artesischen Brunnen, die unterhalb des Grundwasserspiegels liegen, heraufpumpen. Dabei werden moderne, leistungsstarke Pumpen eingesetzt. Hergestellt wurden diese aber nicht in Russland, sondern in Dänemark. Darauf haben erstmals Anfang April Freiwillige von "Scanner Project" hingewiesen, einer russischen Anti-Korruptions-Initiative. Auf Bildern des russischen Fernsehens entdeckten sie Daten von Aggregaten des dänischen Herstellers Grundfos.
Der DW ist es anhand im Internet zugänglichen Bildmaterials gelungen, das genaue Modell der Pumpen zu identifizieren. Demnach wurden im Beschterek-Suja-Wasserwerk sieben Grundfos-Aggregate vom Typ CR 185-8 A-F-A-V-HQQV eingebaut. Es ist das neueste und leistungsstärkste Modell des Unternehmens und offiziell noch gar nicht auf dem russischen Markt. Gemäß der technischen Spezifikationen sind die Pumpen mit Siemens-Motoren ausgestattet.
Doch Russlands staatliche Medien geben vor, für das Projekt sei nur russische Technik verbaut worden. Kein Wunder, denn nach der Besetzung der Krim im Jahr 2014 hatte die EU Sanktionen verhängt und den Verkauf bestimmter Waren und Technologien zur Verwendung auf der Krim verboten, darunter auch die Ausrüstung für Wasserwerke.
Siemens: Vorschriften werden eingehalten
Auf eine Anfrage der DW bezüglich der Siemens-Motoren betonte das deutsche Unternehmen, es halte sich an alle geltenden Exportkontrollvorschriften. "Die Lieferverträge der Siemens AG sowie ihrer konsolidierten Tochtergesellschaften enthalten entsprechende Exportkontroll- und Endverbleibsklauseln", so das Unternehmen. Dies bedeutet, dass Siemens-Kunden sich verpflichten, die bestehenden EU-Exportbeschränkungen einzuhalten und die Krim nicht mit Geräten zu beliefern.
Derartige Regelungen über den endgültigen Bestimmungsort von Waren sind im Geschäft globaler Unternehmen bereits zur Norm geworden, erklärt Thomas Heidemann, Partner der Kanzlei CMS in Moskau, die deutsche Investoren in Russland berät. "Der Erwerber-Wiederverkäufer wird gebeten, ein sogenanntes End-User Certificate zu unterzeichnen, auf dem er seinen Kunden beziehungsweise den letztlichen Nutzer der Maschine benennt", so Heidemann gegenüber der DW. "Der europäische Lieferant nimmt dieses End-User Certificate zu seinen Akten und kann so nachweisen, dass er das ihm Mögliche getan hat, einen Sanktionsverstoß zu verhindern", so der Jurist.
Tochterfirma als exklusiver Importeur
Aus russischen Zoll-Daten, die der DW vorliegen, ist ersichtlich, dass Grundfos Istra, eine Tochterfirma des dänischen Konzerns, exklusiver Importeur von Grundfos-Geräten in Russland ist. Die Firma war auf Anfrage der DW nicht zu einer Stellungnahme bereit. Und die dänische Grundfos-Zentrale erklärte, keine Kenntnis über Lieferungen auf die annektierte Halbinsel zu haben. Ob sie mit dem Importeur oder Endabnehmer in Russland eine Endverbleibsklausel unterzeichnet hat? Auch dazu kein Wort.
"Wenn wir in einem Verkaufsprozess den Verdacht haben, dass gegen Sanktionen verstoßen wird, verlangen wir die Identifizierung des Endabnehmers. Unsere internen Untersuchungen haben keine Transaktion oder Korrespondenz ergeben, die darauf hinweist, dass unsere internen Regeln nicht eingehalten wurden", erklärte Peter Trillingsgaard, Vizepräsident von Grundfos, der DW.
Die Zentrale des Unternehmens betonte, sich an internationales und russisches Recht zu halten. Doch genau da kommt es zur Kollision: Die Tochterfirma orientiert sich nach dem Import von Ausrüstung nach Russland an den russischen Gesetzen. Das bedeutet, dass sie von ihren Kunden nicht verlangen kann, schriftlich zuzusichern, die Geräte nicht auf der Krim zu verwenden. "Bei Lieferungen von Maschinen muss der europäische Lieferant die europäischen Sanktionen beachten, ansonsten darf er nicht liefern. Die Lieferung an eine russische Tochter ist dabei in der Regel möglich", erläuterte der Jurist Thomas Heidemann.
Was war Grundfos bekannt?
Und doch bleibt die Frage offen: Wussten die Dänen oder die Mitarbeiter der Tochterfirma von den Plänen des Käufers, die Pumpen auf die Krim zu liefern? "Die auf der Krim installierten Produkte sind Standardpumpen, die Grundfos häufig an Unternehmen verkauft, die die Pumpen als Komponenten in größeren Produkten verwenden, die dann wiederum als Ganzes verkauft werden. Wir wissen daher nicht, wie unsere Produkte auf der Krim gelandet sind", so Peter Trillingsgaard. Grundfos versicherte aber, keinerlei Wartung für auf der Krim verbaute Ausrüstung anzubieten.
Auf die Halbinsel geliefert wurden die Pumpen von der Moskauer Firma VDK Avtomatika. Sie, aber auch andere Unternehmen und Behörden, die an dem Projekt auf der Krim beteiligt waren, haben sich auf DW-Anfrage bezüglich der Pumpen bislang nicht geäußert.
Ob Grundfos von der Lieferung auf die Krim wusste, soll nun die für Exportkontrolle zuständige dänische Behörde klären. Auf Anfrage der DW teilte sie mit, man prüfe die Sache und werde erforderlichenfalls eine umfassende Untersuchung eines möglichen Verstoßes gegen EU-Sanktionen durchführen. "Artikel 110c des dänischen Strafgesetzbuchs sieht für Verstöße gegen Sanktionen eine Geldstrafe oder Freiheitsentzug von bis zu vier Monaten und bei erschwerenden Umständen bis zu vier Jahren vor", so die Behörde.
Siemens-Turbinen auf der Krim
Der Verkauf europäischer Ausrüstung für das Wasserwerk in Simferopol ist nicht der einzige Verstoß gegen EU-Sanktionen, der mit großen europäischen Herstellern verbunden ist. Um die Krim mit Strom zu versorgen, wurden auf der annektierten Halbinsel im Jahr 2017 Siemens-Gasturbinen verwendet. Während des Kaufs hatte die russische Seite angegeben, die Turbinen nicht auf der Krim, sondern auf der südrussischen Halbinsel Taman am gegenüberliegenden Meeresufer der Straße von Kertsch einzusetzen.
Adaption aus dem Russischen: Markian Ostaptschuk