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Der NATO-Doppelbeschluss

Henrieke Scheidsbach20. November 2008

Die Friedensbewegung der späten 70er und 80er Jahre in Deutschland hatte ein großes Reizwort: den NATO-Doppelbeschluss. Am 22. November 1983 wurde die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in der BRD vereinbart.

Friedensdemonstration in Bonn(AP-Photo/raj/stf/-06/10/1982)
Am 10. Juni 1982 zog es Tausende von Demonstranten auf die Straße, um gegen den NATO-Beschluss zu protestierenBild: AP

Seit Mai 1955 standen sich zwei Blöcke gegenüber: die seit wenigen Jahren bestehende NATO auf der einen und der soeben gegründete Warschauer Pakt auf der anderen Seite. Die schlechten Beziehungen dieser beiden Blöcke führten im Herbst 1962 zur Kuba-Krise, die die Welt an den Rand eines Atomkriegs brachte: Die Sowjetunion hatte auf Kuba mit dem Bau von Abschussanlagen für Atomraketen begonnen und die USA forderten von der UdSSR deren unverzüglichen Abzug. Eine erste Entspannungspolitik zeichnet sich erst ab 1969 ab.

Zu Beginn der 1970-er Jahre begannen zwischen den Supermächten die sogenannten SALT-Verhandlungen, in denen die Wahrung eines beiderseitigen Gleichgewichts bei den Interkontinental-Raketen vereinbart wurde. Die Mittelstreckenraketen jedoch, bei denen die UdSSR eine zahlenmäßige Überlegenheit hatte und die auf die europäischen NATO-Staaten gerichtet waren, blieben unberücksichtigt. Hinzu kam, dass die Sowjetunion ihre Mittelstreckensysteme ab 1977 mit den sehr viel zielgenaueren und weitreichenderen SS-20-Raketen modernisierte.

Wie risikobereit sind die Amerikaner wirklich?


Die Frage war: Würden die USA wirklich einen auf Europa begrenzten Angriff mit ihren Interkontinentalraketen beantworten und damit einen atomaren Gegenschlag auf Nordamerika herausfordern? Insbesondere der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt bezweifelte dies. US-Präsident Jimmy Carter bot daraufhin die Stationierung der amerikanischen Neutronenbombe in Europa an, wovon er bald jedoch wieder Abstand nahm. Zu umstritten war diese Bombe, die Menschen tötete und Gebäude verschonte.

Helmut Schmidt, Jimmy Carter, Valery Giscard D'Estaing und James Callaghan in Guadeloupe 1979Bild: picture-alliance/ dpa

Im Januar 1979 schließlich einigten sich die Staats- und Regierungschefs der USA, Frankreichs, Großbritanniens und der Bundesrepublik bei ihrem Vierertreffen auf Guadeloupe darauf, mit der UdSSR unter Androhung einer Nachrüstung über Abrüstung zu verhandeln.

Die Bedenken der SPD-Basis und des linken Fraktions-Flügels waren und blieben massiv. Nicht zuletzt weil die USA Zweifel darüber aufkommen ließen, ob eine Nicht-Stationierung der teuren, aber noch gar nicht produzierten Waffen überhaupt in ihrem Interesse lag.

Eine Ebene des Gleichgewichts ist erforderlich

Helmut Schmidt war von 1974 bis 1982 Bundeskanzler der BRDBild: AP

In seiner Grundsatzrede auf dem Berliner Parteitag Anfang Dezember 1979 konnte Helmut Schmidt das Publikum noch einmal für sich gewinnen: "Wir dürfen auch keine singuläre Rolle in unserem Bündnis spielen, wohl aber treten wir in unserem Bündnis für unsere eigenen Sicherheitsinteressen ein." Deshalb hätte die Bundesregierung mit dafür gesorgt, dass die beiden Teile des bevorstehenden NATO-Beschlusses untrennbar miteinander verbunden werden."Wir Deutschen", so Schmidt weiter, "haben ein vitales Interesse am weiteren Ausbau der Entspannung, der Sicherheitspartnerschaft zwischen West und Ost, der beiderseitigen Begrenzung, der Zusammenarbeit mit dem Osten." Der damalige Bundeskanzler betonte, dass dies alles nur auf der Ebene des Gleichgewichts ermöglicht werden könne, auf einer schiefen Ebene müssten Sicherheit und Zusammenarbeit verloren gehen.

In ihrem am 12. Dezember 1979 gefassten Doppelbeschluss kündigte die NATO an, sie werde 572 amerikanische atomare Mittelstreckenraketen in Europa stationieren: 108 vom Typ Pershing II und 464 landgestützte Marschflugkörper. Gleichzeitig bot sie der UdSSR an, auf die Aufstellung der Raketen zu verzichten, wenn man sich über den Abbau atomarer Mittelstreckenraketen einigen könne.

Die Kette der Vor- und Nachrüstung zerschlagen


Während jetzt in Washington und in Moskau um einen Verhandlungstermin gerungen wurde, kam es in der Bevölkerung der betroffenen NATO-Staaten zu heftigen Widerstandsbewegungen. Am 10. Oktober 1981 gehörte der SPD-Bundestagsabgeordnete Erhard Eppler zu den Sprechern der Friedensdemo auf der Bonner Hofgartenwiese: "Wir wollen diese Kette der Vor- und Nachrüstungen, die uns erwürgt, zerschlagen. Und wir wollen sie da zerschlagen, wo wir sind: hier in Zentraleuropa, hier in Deutschland."

Dennoch: da kein Kompromiss zustande kam, entschied der Bundestag am 22. November 1983, mit der Stationierung der amerikanischen Mittelstreckenraketen in Deutschland zu beginnen.

Zu einem Ende des Ost-West-Konflikts kam es erst, als Michail Gorbatschow im März 1985 Staats- und Parteichef der Sowjetunion wurde. Was der NATO-Doppelbeschluss nicht erreicht hatte, kam jetzt endlich zustande: Innerhalb des Jahres 1987 einigten sich die Blöcke in der sogenannten Doppel-Null-Lösung über den völligen Abbau der nuklearen Mittelstreckenraketen.

Am 22. Oktober 1983 bildeten Demonstranten eine 110 km lange MenschenschlangeBild: AP
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