Trotz Kritik: Deutschland steht zu Israel
5. Juni 2025
Dass sich etwas verändert hat im deutsch-israelischen Verhältnis, wird der Gast, Außenminister Gideon Sa'ar, an diesem Donnerstag in Berlin wohl gemerkt haben. Dass palästinensische Gruppen gegen die Regierung von Premier Benjamin Netanjahu protestieren, gehört schon lange zum Alltagsbild in der deutschen Hauptstadt. Aber diesmal versammelten sich vor dem Außenministerium auch Gruppen wie "Amnesty International". Die Teilnehmer schwenkten Plakate mit der Aufschrift "Rote Linie Völkerrecht" , auf anderen Transparenten hieß es: "Keine Unterstützung für Kriegsverbrechen in Gaza", oder "Stoppt die Waffenlieferungen".
Deutschland steht weiter zu Israel, aber äußert immer stärker auch Kritik
Denn darum geht es in diesen Tagen bei fast allen Kontakten zwischen Deutschland und Israel: Ist das Vorgehen der israelischen Armee im Gaza-Krieg noch vom Völkerrecht gedeckt? Lange hatte die Bundesregierung das so gesehen: Die aktuelle ebenso wie die Vorgängerregierung unter dem früheren Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).
Aber der neue Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte zuletzt einen anderen Ton angeschlagen. Er verstehe nicht mehr, worum es Israel gehe, das harte Vorgehen auch gegen die Zivilbevölkerung in Gaza habe jedenfalls nichts mehr zu tun mit dem Recht Israels, sich gegen den Terror der islamistischen Hamas zu verteidigen. So Merz in der vergangenen Woche. Aus Reihen des Koalitionspartners von Merz, den Sozialdemokraten, wurden schon Forderungen laut, auf weitere Waffenlieferungen an Israel zu verzichten. Deutschlands Außenminister Johann Wadephul (CDU) will Lieferungen für Waffen, die auch in Gaza eingesetzt werden können, überprüfen lassen. Zugleich sicherte er Israel andere Waffen zu, etwa um sich gegen die vom Iran unterstützte islamistische Huthi-Muliz im Jemen verteidigen zu können.
Unter diesen Vorzeichen traf Außenminister Gideon Sa'ar also in der deutschen Hauptstadt mit Wadephul zusammen. Zu Beginn besuchten beide das Holocaust-Mahnmal. Die Erinnerung an den Mord an sechs Millionen europäischen Juden durch die Nationalsozialisten prägt noch heute das deutsch-israelische Verhältnis. Das Existenzrecht Israels zu verteidigen, ist nach wie vor eine Selbstverständlichkeit für jede deutsche Regierung.
Große Sorge um steigenden Anti-Semitismus
Sa'ar kam hier am Holocaust- Mahnmal auf den immer größer werdenden Antisemitismus in Deutschland zu sprechen: "Mit schwerem Herzen sage ich heute, dass die Lehren aus der Geschichte offenbar wieder vergessen wurden." In Deutschland ereigne sich inzwischen rechnerisch "jede Stunde ein antisemitischer Vorfall", so der Außenminister Israels.
Der heftiger werdende Antisemitismus bereitet Johann Wadephul ebenso Sorgen. Er weiß aber auch, dass Israels Politik gegenüber den Palästinensern auch in der gesamten deutschen Bevölkerung immer kritischer gesehen wird. Im aktuellen "ARD-Deutschlandtrend" des Meinungsforschungsinstituts "infratest-dimap" gaben nur noch 16 Prozent der repräsentativ befragten Bürgerinnen und Bürger an, dass man Israel vertrauen könne. Im Oktober 2024 waren es noch 27 Prozent. Und fast zwei von drei Bundesbürgern betrachten das israelische Vorgehen in Gaza als "zu weitgehend".
Auf allen Kanälen: Deutschland fordert mehr Hilfe für Gaza
Aus Regierungskreisen hört man, dass Deutschland den Israelis zur Zeit auf allen möglichen Kanälen deutlich macht, dass etwa die Hilfslieferungen in den Gaza-Streifen, die lange Monate ganz blockiert waren und zuletzt im geringen Umfang wieder aufgenommen wurden, jetzt noch einmal erheblich gesteigert werden müssten. Auch Wadephul bekräftigte das nach einem Gespräch mit Gideon Sa'ar vor Journalisten, war aber erkennbar bemüht, zu beteuern, dass Deutschland an Israels Seite bleibe.
Pläne einiger EU-Länder, das Assoziierungs-Abkommen mit Israel zu überprüfen oder gar aufzukündigen, werde Deutschland nicht unterstützen. Wadephul nannte die Freundschaft beider Länder einzigartig und sprach seinen israelischen Kollegen demonstrativ beim Vornamen an. Aber dann kam auch er auf die Lage im Gaza-Streifen zu sprechen: "Ich mache mir Sorgen um die Menschen in Gaza, die lange Strecken zu Fuß laufen, um Ausgabestellen für Hilfslieferungen zu erreichen, um dort mit leeren Händen zurückzukommen. Und im schlimmsten Fall kommen sie gar nicht zurück, weil sie getötet wurden." Und ein klares Nein kam von Wadephul zum Plan Israels, 22 weitere Siedlungen im Westjordanland zuzulassen.
Auch Gideon Sa'ar bekräftigte die deutsch-israelische Freundschaft, machte aber auch deutlich: "Wie ich bereits sagte: Israel hält sich an das Völkerecht. Vielleicht haben einige Menschen gedacht, Deutschland und Israel könnten sich entfremden. Und vielleicht haben manche darauf gehofft. Aber ich glaube, das stimmt nicht." Ob allerdings das israelische Vorgehen in Gaza tatsächlich noch vom Völkerecht gedeckt ist, hatte Bundeskanzler Merz in der vergangenen Woche öffentlich bezweifelt. Kompliziert ist es gerade zwischen Israel und Deutschland, oder wie Außenminister Wadephul sagte: "Die Zeiten könnten einfacher sein."