EU-Binnengrenzen sollen offen bleiben
1. Dezember 2021Trotz steigender Infektionszahlen in den meisten Regionen der EU und trotz möglicher Gefahren durch die Omikron-Variante des Coronavirus sollen die Grenzen innerhalb der Union weiter offen und Reisen für Geimpfte, Getestete oder Genesene möglich bleiben. Dafür hat sich die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, zusammen mit ihrer Gesundheitskommissarin, Stella Kyriakides in Brüssel ausgesprochen. "Das grüne Corona-Zertifikat der EU war ein großer Erfolg. Und das wird auch so bleiben, auch mit Delta oder Omikron", sagte von der Leyen vor Presse.
Das Zertifikat bescheinigt dem Inhaber, Impfung, Immunität oder negative Testung und reichte bislang für den Grenzübertritt aus. Nun haben aber Portugal und Irland neue Auflagen verfügt und verlangen immer einen negativen Test für die Einreise, auch von geimpften oder genesenen Personen. Andere EU-Länder könnten mit neuen Auflagen folgen. Die EU-Kommission gesteht den einzelnen Mitgliedsländern zu, neue Reiseauflagen zu erlassen, wenn sie das für nötig halten. Allerdings müssten diese Regelungen immer "personenbezogen" gestaltet sein. Pauschale Grenzschließungen unabhängig von Tests seien nicht willkommen, meinte die EU-Kommissionspräsidentin. Es gehe um den Infektionsstatus jeder Person. "Es geht nicht um Staatsgrenzen. Grenzen sind aus epidemiologischer Sicht nur zufällig", sagte Ursula von der Leyen, die selbst ausgebildete Ärztin ist. Zuständig sind für diese Fragen allerdings die Mitgliedsstaaten der EU alleine. Die EU-Kommission drängt aber auf ein koordiniertes Vorgehen. So soll zum Beispiel der grüne Corona-Pass der EU angepasst werden und künftig nach neun Monaten auslaufen, wenn der Inhaber oder die Inhaberin keine Auffrischungsimpfung erhalten haben.
EU-Staaten sollen sich absprechen
Von koordiniertem Vorgehen ist bei der Frage der Impfpflicht unter den 27 Mitgliedsstaaten nicht viel zu sehen. Einige Mitgliedsstaaten wie Österreich und Deutschland wollen sie für die Allgemeinheit einführen. Einige Staaten haben partielle Impfpflichten für Berufsgruppen oder bestimmte Bevölkerungsgruppen erlassen, wie Frankreich, Italien oder Griechenland. EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen sagte lediglich, man müsse jetzt ernsthaft über eine Impfpflicht diskutieren, gab ihre persönliche Meinung aber nicht preis.
Die Impfquoten in der EU selbst sind extrem unterschiedlich. Von Malta mit 81 Prozent der Gesamtbevölkerung bis 25 Prozent in Bulgarien. Die EU-Kommission ruft deshalb noch einmal zum Impfen und zum Auffrischen auf. Rund 150 Millionen EU-Bürgerinnen und Bürger sind immer noch ungeimpft. "Das kann man nicht hinnehmen", sagte Ursula von der Leyen.
EU-Kommission wird "Booster" liefern
Für die Beschaffung der Impfdosen für alle Mitgliedsstaaten ist die Europäische Union zuständig. Etwas mehr als eine Milliarde Dosen seien in diesem Jahr an die Mitgliedsstaaten ausgeliefert worden, gibt die Kommission an. Im ersten Quartal 2022 sollen weitere 360 Millionen Dosen auch für "Booster-Shots" folgen. Vom 13. Dezember soll der Impfstoff für Kinder in der EU verfügbar sein.
Die Kritik der Weltgesundheitsorganisation (WHO) die EU würde Impfstoffe horten, wies die Kommissionspräsidentin zurück. "Europa ist die einzige Weltregion, die Impfstoffe exportiert. In diesem Jahr 1,4 Milliarden Dosen in 150 Länder", so von der Leyen. Richtig ist aber auch, dass in Afrika erst 165 Millionen Portionen des Impfstoffes ausgeliefert worden sind. 700 Millionen sind bis Mitte nächsten Jahres zugesagt. Deshalb sei es wichtig, die globale Impf-Initiative "Covax" der Vereinten Nationen zu stärken.
Die von vielen Hilfsorganisationen geforderte Freigabe der Patente auf die Corona-Impfstoffe sieht Ursula von der Leyen kritisch. Ein Patent zu haben, bedeute nicht, dass man auch tatsächlich produzieren könne. Deshalb verfolge die EU den Ansatz, Produktionskapazitäten in Afrika aufzubauen und die Produzenten mit Zwangslizenzen nach den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) auszustatten. Im Senegal habe die Firma Biontech/Pfizer inzwischen mit massiver finanzieller Hilfe der EU eine Fabrik zur Impfstoffproduktion eingerichtet.
"Wettlauf mit der Zeit"
Bei den Einreisen aus Drittstaaten in die EU folgt die EU-Kommission offenbar nicht dem Ansatz, wonach Reisebeschränkungen personen- und testbezogen sein müssten. Einreisen aus dem südlichen Afrika wurden von vielen Mitgliedsstaaten pauschal gestoppt, was vom südafrikanischen Präsidenten Cyril Ramaphosa massiv kritisiert wird.
Ursula von der Leyen dankte Südafrika ausdrücklich für die schnelle Entdeckung der Omikron-Mutation und die Alarmierung der Welt. Den Reisestopp erwähnte sie nicht. "Wir wissen genug über Omikron um besorgt zu sein. Wir wissen, dass wir hier einen Wettlauf mit der Zeit haben. In zwei bis drei Wochen wissen wir mehr, auch wenn das in der Pandemie wie eine Ewigkeit erscheint", sagte die Präsidentin der EU-Kommission. Dann sollen wissenschaftliche Erkenntnisse darüber vorliegen, wie ansteckend die südafrikanische Variante ist, ob die verfügbaren Impfstoffe helfen und ob milde oder schwere Krankheitsverläufe ausgelöst werden. "Die Wissenschaft sagt uns aber heute schon, dass Impfen und Boostern die besten verfügbaren Gegenmittel bleiben."