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Trotz Sanktionen: Überwachungstechnik aus China legt zu

Ferenc Gaál
4. April 2023

Seit der Westen gegen chinesische Technologie vorgeht, geraten auch Videoüberwachungsfirmen in den Fokus. Doch trotz Spionagebedenken hält die globale Nachfrage nach chinesischen Überwachungskameras an.

China Hikvision Überwachungskameras
Bild: Wang Gang/dpa/picture-alliance

Haben Sie eine Sicherheitskamera zu Hause? Wenn ja, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie von Hikvision oder Dahua produziert wurde, zwei chinesischen Unternehmen, die das Geschäft mit der Videoüberwachung dominieren. Nach aktuellen Daten des Marktforschungsunternehmens IDC entfiel 2021 auf die beiden Hersteller mehr als ein Drittel des globalen Marktes im Wert von rund 35 Milliarden US-Dollar (32 Milliarden Euro).

Doch während chinesische Unternehmen wie Huawei in europäischen Ländern zunehmend als Sicherheitsbedrohung angesehen werden, haben die beiden Überwachungsriesen relativ wenig Aufmerksamkeit bekommen - obwohl ihre Geräte Flughäfen, Bahnhöfe und sogar Regierungsgebäude auf der ganzen Welt überwachen. Jüngsten Medienberichten zufolge sind in Deutschland derzeit Zehntausende von Hikvision-Geräten im Einsatz, sogar in Polizeistationen und Ministerien.

Verbindungen zu Chinas Kommunistischer Partei

Darüber ist nicht jeder glücklich. Denn die chinesische Regierung besitzt Anteile an beiden Unternehmen, und deren Präsenz in der kritischen Infrastruktur hat dazu geführt, dass verstärkt über die Gefahr von Spionage diskutiert wird. Kritiker warnen davor, dass Hintertüren in ihre Systeme eingebaut sein könnten, durch die Peking unerkannt sensible Daten abschöpfen könnte.

Solche Sicherheitslücken sind schwer zu entdecken. Chinas Staats- und Parteiführung hat aber einen noch offensichtlicheren Zugang zu Daten, die für Peking interessant sind:

"Wenn man sich die chinesischen Gesetze ansieht, ist das ganz klar", sagt Antonia Hmaidi, Wissenschaftlerin am Berliner Mercator-Institut für China-Studien (Merics). "Jedes chinesische Unternehmen muss mit der Regierung zusammenarbeiten und Daten herausgeben, wenn es dazu aufgefordert wird. Das gilt auch für in der Volksrepublik gespeicherte Daten, die im Ausland gesammelt wurden."

Antonia Hmaidi vom Mercator Institute for China Studies (Merics): Die chinesischen Gesetze sind eindeutigBild: www.marco-urban.de

Sicherheitsrisiken und Menschenrechtsverletzungen 

Aus diesem Grund gehen viele Länder gegen chinesische Firmen vor. Die Telekommunikationsanbieter Huawei und ZTE sind die bekanntesten Fälle, aber westliche Regierungen versuchen zunehmend, auch Hikvision und Dahua in die Schranken zu weisen. Ende 2022 haben Australien und Großbritannien beschlossen, die Produkte dieser Unternehmen von Regierungsstandorten und anderen sensiblen Bereichen zu verbannen. Die USA haben die Einfuhr und den Verkauf von Hikvision- und Dahua-Technik komplett verboten und mit einem "inakzeptablen Risiko für die nationale Sicherheit" begründet. 

Den beiden Überwachungsunternehmen wird außerdem vorgeworfen, ihre Technik ermögliche Menschenrechtsverletzungen: Mehrere unabhängige Untersuchungen haben darüber berichtet, dass Hikvision Videotechnologie liefert, die bei der Verfolgung der uigurischen Minderheit in China eingesetzt wird.

Zehnmal billiger als die Konkurrenz

Wie konnten sich die chinesischen Giganten in Anbetracht solch schwerwiegender Bedenken überhaupt eine solch dominante Position sichern?

Die Antwort liefern die Preise: Nach einem Bericht der Nichtregierungsorganisation für digitale Rechte, Access Now, aus dem Jahr 2021 sind die Geräte von Hikvision bis zu zehnmal billiger als die der Konkurrenz. Ein Preisunterschied, der sich nur schwer mit den Gesetzen des Wettbewerbs erklären lässt.

Blick auf den Bahnhofsvorplatz: Überwachungskamera in Frankfurt am MainBild: Ralph Peters/IMAGO

"Die Befürchtung ist, dass sie, weil sie so eng mit der Regierung verbunden sind, in Bezug auf den Preis ihrer Technologie nicht fair spielen", sagt Mike Jude, ein auf Videoüberwachung spezialisierter Marktanalyst bei IDC. Dies liefert einen entscheidenden Vorteil in ärmeren Ländern des globalen Südens, wo Jude großes Potenzial für den Videoüberwachungsmarkt sieht.

Lateinamerika wird mit günstigen Preisen geködert

Allein für Lateinamerika erwarten Analysten, dass der Markt dort in den kommenden Jahren um mehr als 13 Prozent pro Jahr wächst. Die Regierungen in der gesamten Region bauen bereits ihre Videoüberwachungskapazitäten aus, auch Verfahren für die biometrische Erkennung. Doch die Datenschutzgesetze in vielen Ländern reichen nicht aus, um Behörden und Unternehmen dabei zu kontrollieren. Dies stelle eine Bedrohung für die Privatsphäre der Menschen dar, befürchtet Access Now gegenüber der DW.

In ihrem Bestreben, die öffentliche Überwachung auszubauen, haben sich die Regierungen in der Region oft chinesischen Herstellern zugewandt. Zusätzlich zu den günstigen Preisen hat Hikvision auch anders versucht, seine Präsenz zu erhöhen: So wurden einigen Ländern kostenlos Geräte für Testzwecke zur Verfügung gestellt oder um Infektionen während der Corona-Pandemie zu erkennen. Das Unternehmen expandiert auch auf weniger subtile Weise, indem es eine Montagestelle in Brasilien eröffnet und das größte mexikanische Unternehmen für Sicherheitssysteme übernimmt, berichtet die Branchenforschungsgruppe IPVM.

Umgang mit Cyber-Sicherheitsrisiken

Der Markt für Überwachungstechnologie wird voraussichtlich weiter wachsen - sowohl in Lateinamerika als auch weltweit. Und obwohl die Folgen westlicher Sanktionen auf das Geschäft von Hikvision und Dahua schwer abzuschätzen sind: Es ist unwahrscheinlich, dass die Gesamtnachfrage nach ihren Produkten in absehbarer Zeit nachlässt.

Um die von Videoüberwachungssystemen gesammelten Daten zu schützen, könnten Verbote und Sanktionen, die chinesische Unternehmen ausschließen, Abhilfe schaffen. Die Cybersicherheitsexpertin Antonia Hmaidi sieht aber auch ganz allgemein die Notwendigkeit, die Sicherheit von Überwachungssystemen zu verbessern. In Deutschland werden etwa die meisten dieser Systeme derzeit nicht regelmäßig aktualisiert, erklärt sie - unabhängig davon, wo sie gebaut wurden. Das macht sie anfällig für Cyberangriffe. "Und wir wissen, dass staatliche und private Akteure, die von China aus operieren, in diesem Bereich sehr aktiv sind", so Hmaidi weiter.

Längerfristige Lösungen für eine verbesserte Cybersicherheit, betont die Merics-Expertin, müssten durch transparente Regeln alle Videoüberwachungsanbieter dazu verpflichten, ihre Geräte auf dem neuesten Stand zu halten. Und Im Idealfall müssten ihre Server außerhalb der Reichweite autoritärer Regime stehen.

Die aktuellen globalen Trends scheinen aber noch nicht in diese Richtung zu weisen.

Der Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert.

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