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Politik

"Sea-Watch 3" ignoriert Einreiseverbot

26. Juni 2019

Ungeachtet eines Einreiseverbots ist das Rettungsschiff "Sea-Watch 3" in italienische Gewässer gefahren und liegt eine Seemeile vor Lampedusa. Dort sollen die völlig erschöpften Flüchtlinge medizinisch betreut werden.

«Sea-Watch 3» - Kapitänin Carola Rackete
Geht aufs Ganze: "Sea-Watch 3"-Kapitänin Carola RacketeBild: picture-alliance/dpa/Sea-Watch.org/Till M. Egen

"Ich habe beschlossen in den Hafen von Lampedusa einzufahren. Ich weiß, was ich riskiere, aber die 42 Geretteten sind erschöpft. Ich bringe sie jetzt in Sicherheit", hatte die Kapitänin des Schiffes, Carola Rackete, auf Twitter angekündigt. Die EU habe die Menschen an Bord im Stich gelassen. Der Kapitänin bleibe keine Wahl. Es gebe keine humanitären Standards, die rechtfertigten, die Menschen an Bord zu belassen, heißt es in der Sea-Watch-Zentrale in Berlin.

Auf dem Weg nach Italien: "Sea-Watch 3"Bild: picture-alliance/dpa/Sea-Watch.org/C. Grodotzki

Den Seenotrettern ist auch klar, dass der Entschluss rechtliche Folgen haben wird. Ein vor kurzem in Kraft getretenes Dekret der Regierung in Rom sieht Strafen zwischen 10.000 und 50.000 Euro vor, wenn private Schiffe mit Geretteten an Bord unerlaubt in die italienischen Gewässer fahren. Nach dem neuen Sicherheitsdekret müssen die Strafe künftig der Kapitän, der Schiffsbetreiber und der Besitzer des Schiffes bezahlen.

Die Initiative geht auf den Chef der rechten Lega, Innenminister Matteo Salvini, zurück. Dieser tobte regelrecht nach der Ankündigung von Sea-Watch. "Ich werde niemandem die Erlaubnis geben, an Land zu gehen", sagte Salvini in einem Live-Video auf Facebook. Italien könne nicht länger "Anlegestelle für Illegale" sein und werde jedes gesetzliche Mittel nutzen, um "diese Schande" zu stoppen. Von ihm aus könne die "Sea-Watch 3" vor Lampedusa bis "Weihnachten und Neujahr" ausharren, sagte er lapidar vor einigen Tagen.

Trotz christlichem Kreuz in der Hand will Italiens Innenminister Matteo Salvini Härter gegenüber Flüchtlingen zeigenBild: Reuters/A. Garofalo

Die "Sea-Watch 3" lag seit Tagen in internationalen Gewässern unweit der sizilianischen Insel Lampedusa. Appelle von Hilfsorganisationen, die Geretteten in einem sicheren Hafen aussteigen zu lassen, wurden von Italiens populistischer Regierung ignoriert.

Straßburger Urteil

Unterstützung erhält Italien von der Justiz. Am Dienstagabend hatte der Europäische Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg einen Eilantrag abgewiesen, mit dem die Besatzung des Rettungsschiffes erzwingen wollte, in Italien anlegen zu dürfen. Das Gericht verwies darauf, dass nach der Rettungsaktion vor der libyschen Küste am 12. Juni elf Flüchtlinge, unter ihnen Kinder und schwangere Frauen, bereits in Italien an Land gehen durften. "Einstweilige Maßnahmen" jedoch seien in Artikel 39 der Europäischen Menschenrechtskonvention nur vorgesehen, wenn es ein "unmittelbares Risiko für irreparablen Schaden" gebe, begründete der Gerichtshof die Zurückweisung des Antrags.

Da Straßburg dem Antrag nun nicht stattgab, drohen bei Einfahrt in italienische Gewässer und beim Anlegen in Lampedusa hohe Geldstrafen sowie die Beschlagnahmung der "Sea-Watch 3".

Die Organisation hatte nach der Entscheidung des Menschenrechtsgerichtshofs zu Spenden an den Rechtshilfefonds der Organisation aufgerufen.

Das Schiff hatte am 12. Juni ursprünglich 53 Migranten vor der libyschen Küste geborgen. Mehrere Flüchtlinge durften aus medizinischen Gründen bereits an Land gehen. Unter anderem UN-Organisationen hatten die Regierungen der europäischen Staaten zur Aufnahme der Flüchtlinge aufgerufen. Auch deutsche Städte hatten sich bereit erklärt, die Menschen aufzunehmen.

"Keine Strafen für Retter"

Unterdessen sorgt der Umgang mit Flüchtlingen und Seenotrettern weiter für Kritik. "Das, was Seenotretter machen, steht im Einklang mit dem Völkerrecht", betonte die Präsidentin des Deutschen Anwaltvereins (DAV) Edith Kindermann in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). "Wenn man jemanden, der am Abgrund steht, hinunterstürzen sieht, muss man helfen." Es könne nicht sein, dass Seenotretter strafrechtlich belangt würden.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, spricht sich für die Entsendung eines neuen Schiffes zur Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer aus. "Es geht darum, ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis zustande zu kriegen, das ein neues Schiff auf den Weg bringt", sagte Bedford-Strohm.

Setzt auf Menschlichkeit: Heinrich Bedford-StrohmBild: picture-alliance/dpa/D. Karmann

Die evangelische und katholische Kirche sollten aus seiner Sicht maßgeblich an einem solchen Bündnis beteiligt sein. Bedford-Strohm bezeichnete die gegenwärtige Situation vor der italienischen Küste als moralischen Skandal. Es sei unglaublich, dass ein Kontinent wie Europa so mit Flüchtlingen umgehe.

cgn/rb (afp, ap, dpa, kna)

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