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Politik

Hitler-Buch dank Trump Bestseller

Jefferson Chase
1. Oktober 2016

Dank einer als Seitenhieb auf Donald Trump interpretierten Rezension wird das Buch "Hitler: Aufstieg" ein Hit in den USA. Übersetzer und DW-Mitarbeiter Jefferson Chase erzählt die Geschichte.

US-Präsidentschaftsbewerber Donald Trump bei einer Rede in Utah
Bild: Getty Images/G.Frey

Mein neues Wort der Woche ist "subtweet". Dieser Tage bekam ich eine SMS von einem Freund aus Amerika, der mir mitteilte, dass eine von mir übersetzte Hitler-Biographie die Nummer 12 auf der Amazon-Bestseller-Liste in den USA sei. Es geht um den ersten, mehr als 1000-seitigen Band der 2013 erschienenen Hitler-Biographie Volker Ullrichs, die ich ins Englische übersetzte. Kaum der Topkandidat für einen Publikumsrenner, fand ich.

Das Buch bekam aber prominente Hilfe in Form einer sonderbaren Rezension in der mächtigen "New York Times". Die führende Literaturkritikerin der Zeitung, Michiko Kakutani, nannte es "eine faszinierende shakespearesche Parabel", listete dann lediglich einige Persönlichkeitsmerkmale Hitlers und Aspekte seines Aufstiegs auf.

Per definitionem ist eine Parabel eine Analogie. Auf wen, sagte Kakutani nicht, aber andere identifizierten schnell eine mögliche Zielscheibe: Donald Trump.

Was hält der Autor selbst von der Aufmerksamkeit, die sein Buch plötzlich in den USA genießt? Ich fragte per E-Mail nach.

Keine normale Rezension

DW-Reporter Jefferson Chase, Übersetzer von "Hitler: Aufstieg"

Ullrich - über fast 20 Jahre Leiter des politischen Ressorts bei der "Zeit" und Autor von acht historischen Büchern - scheint etwas irritiert, dadurch mit in den US-Wahlkampf gezerrt zu werden.

"Der Erfolg von Hitler, Bd.1, in den USA überrascht mich, und er hat wohl tatsächlich etwas zu tun mit der Besprechung in der New York Times", schrieb er mir. "Das heißt, eigentlich handelt es sich ja nicht um eine Besprechung. Vielmehr hat die Rezensentin durch eine, zugegeben, geschickte Collage von Zitaten, den Versuch unternommen, eine Nähe Donald Trumps zu Hitler zu insinuieren (ohne allerdings seinen Namen zu nennen)."

Gewiss gebe es einzelne Züge, die sich vergleichen ließen, fügte er hinzu, aber man solle sich davor hüten, die beiden Figuren gleichzusetzen.

"Als ich zwischen 2009 und 2013 mein Buch schrieb, war von einer Kandidatur Trumps noch gar keine Rede", schrieb Ullrich. "Er kann mir also gar nicht vor Augen gestanden haben. Ich halte übrigens den Vergleich Trumps mit Hitler insofern für nicht angemessen, als er eine gefährliche Unterschätzung des Letzteren darstellt. Trump stellt wohl nicht die Gefahr für die Weltzivilisation dar, die Hitler nun einmal bedeutet hat."

Als sorgfältiger Forscher will Ullrich nicht detailliert auf Trump-Hitler-Vergleiche eingehen. Das tun andere. Etliche Parallelen sind schon zwischen "dem Donald" und "dem Führer" gezogen worden.

Affinitäten aber keine Äquivalenz

Mehrere Trump-Kritiker, unter anderen auch Holocaust-Überlebende, sehen Hitler als Trumps geistigen Vorvater. Vielleicht die prominenteste ist Eva Schloß, Stiefschwester Anne Franks und ehemalige Auschwitz-Gefangene.

Historiker Volker Ullrich: "Trump stellt wohl nicht die Gefahr für die Weltzivilisation dar, die Hitler nun einmal bedeutet hat."Bild: picture-alliance/dpa/Keystone

"Wenn Donald Trump der nächste US-Präsident würde, wäre es ein absolutes Desaster", sagte sie Im Januar der amerikanischen Nachrichtenzeitschrift "Newsweek". "Ich glaube, er benimmt sich wir Hitler, indem er versucht, Rassismus anzustiften."

Im März verglich auch der mexikanische Präsident Enrique Peña Nieto Trump mit Hitler, und das Internet ist voller mehr oder weniger ernst gemeinter Gleichsetzungen. "Hier ist die eigentliche Frage", schrieb Autor Mark Sumner auf der Internetseite "Daily Kos", "ist es momentan möglich, über Hitler zu diskutieren, ohne die Leute an Trump zu erinnern?"

Manche Persönlichkeitsmerkmale, die Ullrich Hitler zuschreibt, findet man in Darstellungen von Trump wieder. Siegesbesessenheit, Empathielosigkeit, selbstdarstellerisches Talent, Mangel an engen Bindungen zu Freunden, Egoismus, Jähzorn und ein sehr lockeres Verhältnis zur Wahrheit sind lediglich einige. Allzu leicht erscheint es, Parallelen zu erkennen zwischen Hitlers Hasstiraden in Münchner Bierhallen und Trumps Ausbrüchen in seiner Reality Show "The Apprentice" sowie während der Kampagne dieses Jahr.

Andererseits  gehören solche Merkmale allgemein zum narzisstischen Persönlichkeitstypus, sind also weder Hitler- noch Trump-spezifisch. Zudem halten sich die Ähnlichkeiten zwischen der Weimarer Republik und den heutigen USA intern wie extern sehr in Grenzen. Also: Die Tatsache, dass eine Hitler-Biographie mit Blick auf Trump gelesen wird, zeigt vor allem, wie sehr die Wahl momentan die Alltagkultur der USA dominiert.

Dennoch: Ob sie der Weisheit letzter Schluss sind oder nicht - Trump-Hitler-Vergleiche haben den USA einen sehr ungewöhnlichen Bestseller beschert.

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