Zieht Trump gegen China den Kürzeren?
24. April 2025
US-Präsident Trump wird das Buch "The Art of the Deal" sicher gelesen haben. Hat er es doch selbst schreiben lassen. Hätte er aber außerdem das Buch "Die Kunst des Krieges" gelesen, der Welt des globalen Handels bliebe gerade viel erspart.
Der chinesische General und Philosoph Sun Tsu hätte ihm darin einen Handelskrieg sicherlich ausgeredet: Schon um das Jahr 500 vor unserer Zeitrechnung schrieb er: "Der Inbegriff des Könnens ist, den Feind ohne Gefecht zu unterwerfen."
Wenn Donald Trump von anderen Ländern spricht, die angeblich auf Kosten seines Landes leben, zielt er oft auf Europa und im Besonderen auf Deutschland. Doch sein eigentlicher "Feind" ist ausgerechnet China, gegen das er die höchsten Zölle verhängt.
Der Feind hinter der großen Mauer
Trump sieht, dass die amerikanische Handelsbilanz mit der zweiten Wirtschaftsgroßmacht der Welt gar nicht in seinem Sinne ausfällt. Und sicher scheint: Gibt es keine Trendumkehr, wird China die USA am Ende dieser Dekade als weltgrößte Volkswirtschaft abgelöst haben.
Die Chinesen sind schon seit einigen Jahren auf der Überholspur. Zwar haben die USA ein sehr viel höheres Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf der Bevölkerung als China. Aber dort leben ja auch etwa viermal so viele Menschen. Beim kaufkraftbereinigten Anteil an der Weltwirtschaft hat China (19,6 Prozent) die USA (14,3 Prozent) schon längst abgehängt.
Während sich die Wachstumsraten beider Volkswirtschaften einander immer mehr annähern, gilt China als die innovativere Wirtschaftsmacht. Außerdem hat China den Konkurrenten als dominante Welthandelsmacht abgelöst: Für sehr viel mehr Länder ist Peking jetzt der wichtigste Handelspartner - vor einem Vierteljahrhundert noch waren das unangefochten die USA.
Schnelle Reaktionen
Die aktuelle Handelspolitik der USA ist mit einem Wort treffend beschrieben: unberechenbar. Ruben Staffa, Makroökonom beim Institut der Deutschen Wirtschaft (DIW), fürchtet einen "Vertrauensverlust in die USA als verlässlicher Anker des globalen Finanzsystems." Das berge "erhebliches Potenzial für weitreichende Marktverwerfungen". Der kurzfristig gewährte Aufschub für viele der angedrohten Zölle sei ein Signal, das auf "eine Fehleinschätzung der Marktreaktion" hindeute, so Staffa zur DW.
Auch Michael Berlemann, wissenschaftlicher Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitutes (HWWI), kann "keine irgendeine kohärente Strategie erkennen". Die Börsenirritationen weltweit zeigen seiner Ansicht nach "die von Donald Trump nicht vorhergesehenen Folgen einer chaotischen Wirtschaftspolitik".
Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, sagte der DW: "Donald Trump scheint überzeugt von seiner Zollpolitik. Insofern hat er gesagt, dass er kurzfristige Übergangsprobleme hinnehmen werde." Und da sind die rutschenden Börsenkurse egal? Das wohl nicht, meint Krämer: "Offensichtlich nimmt Trump doch gewisse Rücksichten auf die Finanzmärkte."
Schlimmer Verdacht
Rücksicht auf die Finanzmärkte? Oder auf die eigene Klientel? Die scheinbar verrückte Wirtschaftspolitik Trumps könnte ja auch einen Zweck verfolgen: Denn als Trump an seinem großen "Liberation Day" die Welt mit seinen Zollplänen konfrontierte, gingen weltweit die Börsenkurse in den Keller, Milliardenwerte wurden über Nacht verbrannt.
Nur kurz darauf nahm der Amerikaner viel wieder zurück oder schob es auf die lange Bank, die Kurse erholten sich schnell wieder. Da hatten einige Leute schon ein großes Geschäft gemacht. Dank Verunsicherung und zweifelhafter Informationspolitik sehen sich der Präsident und seine Unterstützer seither dem Verdacht des Insiderhandels ausgesetzt.
Taumelnde Prognosen
Doch nicht nur die Privatgeschäfte der "Trumpisten" werden von den Kursschwankungen beeinflusst, es ist die Weltwirtschaft insgesamt. Bei ihrer Frühjahrstagung in Washington haben in dieser Woche Weltbank und Internationaler Währungsfonds ihre Konjunkturprognosen deutlich heruntergeschraubt.
Kein Wunder, meint Jörg Krämer: "Schließlich dürften die Zölle die US-Inflation um rund einen Prozentpunkt erhöhen und die Kaufkraft der Amerikaner senken. Außerdem werden sich viele US-Unternehmen wegen der hohen Unsicherheit beim Investieren zurückhalten."
Für Michael Berlemann vom HWWI steht es ebenfalls außer Frage, dass "der Welthandel unter den Zöllen erheblich leiden wird". Einig sind sich beide Experten, wen es besonders trifft. Jörg Krämer: "Am meisten sind von Trumps Zollschock die USA selbst betroffen." HWWI-Direktor Berlemann sieht das genauso: "Ich gehe davon aus dass die USA am Stärksten betroffen sein werden. So wird Amerika sicher nicht 'Great again'."
Höhere Zölle, niedrigere Steuern?
Ein Versprechen Donald Trumps an seine Wähler war, die Steuern zu senken. Das sollte, so das Kalkül, durch Mehreinnahmen beim Zoll finanziert werden. Ruben Staffa ist da skeptisch. Er denkt, "dass sowohl Substitutionseffekte - also die Nachfrageverlagerung hin zu weniger zollbelasteten Gütern - als auch Einkommenseffekte die tatsächlichen Zolleinnahmen schmälern dürften".
Commerzbank-Ökonom Krämer hat dazu eine eindeutige Meinung: "Die höheren Zolleinnahmen werden bei weitem nicht reichen, Steuersenkungen zu finanzieren. Hier liegt Trump falsch".
Das sei auch völlig logisch, unterstreicht Michael Berlemann: "In dem Maße, wie die Zölle wirken, reduzieren sie vor allem das Handelsvolumen. Wenn aber weniger gehandelt wird, gibt es eben auch keine hohen Zolleinnahmen."
Und wer sitzt nun am längeren Hebel?
Diese Frage ließe sich, so Ruben Staffa, "nicht eindeutig beantworten". Zwar agierten die USA von einer Position der Stärke, doch hätten sie "durch ihr zunehmend unberechenbares außenpolitisches Verhalten an Glaubwürdigkeit eingebüßt". Diese Unzuverlässigkeit schwäche "die strategische Position der USA".
Zwar zeige auch China Schwächen, sagt Staffa und weist auf die "anhaltende Immobilienkrise und auf die angespannten öffentlichen Finanzen" hin. Doch Peking versuche bereits, die Binnenwirtschaft zu stabilisieren, Auslandsinvestitionen zu fördern und den privaten Konsum anzukurbeln. China habe sich so bereits "über Jahre hinweg auf eine Zuspitzung des Konflikts vorbereitet".
"Das ist nicht einfach zu beantworten", sagt auch Michael Berlemann der DW. Schließlich seien viele wirtschaftliche Kerndaten aus China "nicht wirklich gesichert". Dennoch wagt er eine Prognose: "Wenn ich wetten müsste, würde ich auf China setzen."
Jörg Krämer sieht kurzfristig die Amerikaner vorn, weil sie nicht so exportabhängig sind wie die Chinesen. Am Ende jedoch würden "die USA massiv leiden. Es wird für sie schwierig, die vielen Importe aus China zu ersetzen", so der Ökonom. "Trump schneidet sich ins eigene Fleisch."