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Politik

Trump: Rundumschlag gegen Deutschland

Barbara Wesel
11. Juli 2018

Schon zu Beginn des Gipfels sucht US-Präsident Trump Streit mit den NATO-Partnern. Hauptgegner ist offenbar Deutschland. Doch die Replik von Bundeskanzlerin Merkel ließ nicht auf sich warten. Aus Brüssel Barbara Wesel.

Belgien Nato-Gipfel
Bild: Reuters/K. Lamarque

Schon das Frühstück mit NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg zu Beginn des NATO-Gipfels war in diplomatischer Hinsicht ein Desaster: "Deutschland steht vollkommen unter der Kontrolle Russlands, da es 60 bis 70 Prozent seiner Energie von dort erhält und eine neue Pipeline", sagte US-Präsident Donald Trump in voller Angriffslaune. Es sei ein "Gefangener Russlands", dabei beschützten die USA Deutschland doch. "Ich denke die NATO muss sich das anschauen, es ist sehr unangebracht." Damit wird gleich klar, dass er hier zu einem politischen Rundumschlag ausholen will. Die Energiepolitik von Mitgliedsländern wird allerdings nicht vom Verteidigungsbündnis entschieden, wie auch der NATO-Generalsekretär bestätigt. Trump aber lässt schon zu Beginn seinem Ärger über die Lastenverteilung in der NATO und seiner Abneigung insbesondere gegen Angela Merkel freien Lauf.

Streit um Verteidigungsausgaben wird schärfer

Es sieht nicht so aus, als ob der US-Präsident seinen Ton bei dem anhaltenden Streit um die Verteidigungsausgaben mäßigen will. Im Gegenteil: In einem Vorab-Tweet warf er Verteidigungsausgaben und Handelsstreit in einen Topf und nannte die NATO-Partner unfair, weil die USA mehr zahlten, um sie zu beschützen. Darüber hinaus würden die Europäer gegen die USA auch noch Handelsbarrieren und Zölle verhängen.

Es könnte passieren, dass die von der NATO sorgfältig vorbereiteten Erklärungen zu geplanten Ausgabensteigerungen der Mitgliedsländer und gemeinsamen Projekten bei Trump nicht auf Einsicht stoßen, sondern ihn nur weiter reizen, weil er das vereinbarte 2-Prozent-Ausgabenziel zum einzigen Maßstab seiner Forderungen macht.  

Panzer oder Geld für die NATO - Trump misst alles in ZahlenBild: Getty Images/AFP/R. Pajula

"Ich erwarte offene und freimütige Diskussionen", räumte der NATO-Generalssekretär zum Auftakt ein, was unter Diplomaten "heftiger Streit" bedeutet. Jens Stoltenberg gibt auch zu, dass es Meinungsverschiedenheiten unter den Alliierten gebe. Trump habe sich "in direkter Sprache" geäußert, aber bei allem Zank seien die Mitgliedsländer über die Grundlagen einig. An dieser Annahme wird Stoltenberg sich festklammern müssen, wenn sein Gipfel nicht völlig von der Schiene laufen soll.

Er versucht auch, den Streit über das 2-Prozent-Ausgabenziel zurecht zu rücken. Er erwarte, dass die Regierungschefs ihre Zusagen für eine bessere Lastenverteilung erneuern würden, das heißt, ihre Verteidigungsausgaben in den nächsten Jahren weiter steigern. Und Stoltenberg betont, dass man immerhin "nach Jahrzehnten der Ausgabenkürzungen jetzt den stärksten Anstieg der Verteidigungsetats seit einer Generation" sehen würde. Dabei versucht der NATO-Generalsekretär auch die Trump'sche Fixierung auf die reinen Geldausgaben in Prozent zu relativieren. Eine Rolle spiele auch, wie viele Fähigkeiten und welche Infrastruktur die Länder mitbringen würden.

Es geht um mehr als die magischen 2 Prozent

Ähnlich hört man es von Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen: "Ich würde gern sehen, dass er (Trump) als Geschäftsmann nicht nur auf die Zahlen schaut, sondern auch auf das, was dabei für die NATO heraus kommt". Man könne 2 Prozent für sein Militär ausgeben, ohne etwas für die NATO zu tun. Damit spielt die deutsche Verteidigungsministerin darauf an, dass die rund 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, die die USA für Vereidigung ausgeben, nur zu einem Teil der NATO in Europa zugerechnet werden können und zu größeren Teilen auf Asien, den Nahen Osten und andere Regionen gerichtet sind.

Verteidigungsministerin von der Leyen verteidigt die deutsche HaltungBild: Reuters/R. Krause

Außerdem weist von der Leyen in ihrem Versuch, vor dem erwarteten Gipfel-Krach die Tatsachen zu erklären, darauf hin, dass Deutschland derzeit zweitgrößter Truppensteller in Afghanistan sei. Und Berlin sei entschlossen, die Ausgaben weiter zu erhöhen, bis 2025 würden sie um 80 Prozent steigen. Das starke Wirtschaftswachstum treibe die Gesamtsumme allerdings ständig nach oben. Intern ist in Deutschland klar, dass die Bundeswehr gar nicht imstande wäre, innerhalb kürzerer Zeit zusätzliche Milliarden etwa für neue Waffensysteme zu absorbieren.

Dass es den USA dabei auch um den Verkauf von Waffen aus eigener Produktion geht, wird daran deutlich, dass sich die Türkei scharfe Kritik zuzog, weil sie das russische S 400 Raketenabwehr-System gekauft hat. "Wer verteidigt sonst unseren Luftraum", wehrte sich der türkische Außenminister Mehmet Cavusolgu.

Generalsekretär Stoltenberg: "Eine starke NATO ist gut für Europa und die USA"Bild: Reuters/P. Hanna

Zusammenhalt der NATO infrage gestellt

Streit über die Lastenteilung in der NATO hat es auch in früheren Jahren schon gegeben. Noch nie allerdings schien die Verteidigungs-Allianz in ihrer Existenz direkt in Frage gestellt. Inzwischen wirkt die Lage so angespannt, dass seit Tagen alle Partner außer Trump ständig die Notwendigkeit der NATO für alle Beteiligten betonen. Generalsekretär Stoltenberg sagt: "Eine starke NATO ist gut für Europa und sie ist ebenso gut für die Vereinigten Staaten, weil sie ihnen dazu verhilft, eine globale Macht zu sein". Auch von der Leyen erinnert an den Wert von "Vertrauen" unter Alliierten, ebenso wie EU-Ratspräsident Donald Tusk. Er  erklärte in einem Tweet direkt an Donald Trump: "Die 'USA haben keinen und werden keinen besseren Verbündeten als die EU haben. Wir geben für Verteidigung mehr als Russland und genauso viel wie China aus." Er hoffe, dies werde als Investition in die gemeinsame Sicherheit gewertet.

Erkennbar ist, dass Trump hier in Brüssel Angela Merkel besonders aufs Korn nimmt, was wohl auch mit dem schlechten persönlichen Verhältnis zwischen beiden zu tun hat. Aus US-Diplomatenkreisen wird ein Zitat des Präsidenten verbreitet, wonach er gesagt haben soll, dass sie für alles stehe, was er verabscheue. Dennoch kommt es am Nachmittag zu einem bilateralen Treffen zwischen Trump und der Bundeskanzlerin, wo er wohl die Gelegenheit ergreifen wird, ihr noch einmal persönlich die Meinung zu sagen. Wie er dabei seine harte Kritik am Northstream II-Projekt zum Import von russischem Erdgas einerseits und seine Bewunderung für den russischen Präsidenten Putin anderseits logisch erklären will, bleibt zunächst rätselhaft. Er hatte in einem Tweet vor seiner Europareise das geplante Treffen mit Putin als den "leichtesten Teil" bezeichnet. Merkel: "Wir sind bereit, unsere Ausgaben zu steigern."

Steht sie wirklich für alles, was er verabscheut? (Archivbild vom G7-Gipfel im Juni 2018)Bild: picture-alliance/AP Images/The Yomiuri Shimbun

"Ich erwarte eine kontroverse Diskussion, weiß, dass es unterschiedliche Positionen gibt, aber Deutschland leistet viel für die NATO, wir sind der zweitgrösste Truppensteller, und in Afghanistan verteidigen wir auch die Interessen der USA", konterte Merkel Trumps Kritik. "Ich habe erlebt, wie ein Teil von Deutschland von der Sowjetunion besetzt war, ich bin sehr froh über die Vereinigung und dass wir unsere eigene Politik machen können".

Im Kalten Krieg habe Deutschland über drei Prozent für die Verteidigung ausgegeben, danach hätten alle Länder gekürzt. "Und wir sind bereit, unsere Ausgaben wieder zu steigern, wie wir das in Wales vereinbart haben."

Trotz aller Beschwörungen von NATO-Insidern, Freunden des Transatlantischen Bündnisses und europäischen Regierungschefs bringt Generalsekretär Stoltenberg eine Dosis harter Realität in die Debatte: Die Allianz müsse für ihr Überleben arbeiten, "es ist nicht in Stein gemeißelt, dass wir immer da sein werden, es ist kein Naturgesetz".

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