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Trump, Brexit, Erdogan: Was wird aus dem Freihandel?

16. März 2017

Die Globalisierung steht in vielen Ländern unter Beschuss. Statt offener Märkte werden geschlossene Gesellschaften propagiert. Die deutsche Wirtschaft hält dagegen - mit ihren Auslandshandelskammern.

Volkswagen USA
Bild: picture alliance/dpa/U.Deck

Sich sehen, miteinander reden, sich austauschen: einmal im Jahr treffen sich die Leiter der deutschen Auslandshandelskammern (AHK) in Berlin zu einem Weltwirtschaftstag, wie sie ihre Tagung nennen. Bescheiden klingt das nicht, aber tatsächlich sind die Interessensvertretungen der deutschen Wirtschaft an 130 Standorten auf allen sechs Kontinenten präsent. Ihren 45.000 Mitgliedsunternehmen gegenüber verstehen sie sich als Dienstleister vor Ort.

"Viele von unseren Kollegen sind auch persönlich in den Ländern verwurzelt. Deshalb sagen wir immer: Die Diplomaten kommen und gehen, wir sind schon da und bleiben", scherzt Bernhard Steinrücke, Geschäftsführer der deutsch-indischen Handelskammer in Mumbai. Als Weltsprecher der AHK repräsentiert er rund 1.900 Mitarbeiter in 90 Ländern. "Wenn wir die Berufserfahrung allein unserer Geschäftsführer zusammenzählen, dann haben wir eine Erfahrung von mehr als eintausend Jahren."

Die ersten Auslandshandelskammern wurden schon in der deutschen Kaiserzeit, also um 1900 gegründet. Im Auftrag der Bundesregierung betreiben die AHK zudem Außenwirtschaftsförderung. Dafür stellt der Bund rund 43 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung.

Handelshemmnisse nehmen zu

Die langjährige Erfahrung der AHK können die international aktive deutsche Unternehmen derzeit mehr denn je gebrauchen. Zwar wächst die Weltwirtschaft moderat weiter. Gleichzeitig wächst aber auch die Kritik an der Globalisierung und immer mehr Staaten schotten ihre Märkte ab. Der Protektionismus nimmt zu, der freier Handel wird erschwert. In einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) unter 2.200 deutschen Unternehmen, die im Ausland aktiv sind, klagt ein Drittel über gestiegene Handelshemmnisse im vergangenen Geschäftsjahr.

Was ist Protektionismus?

02:12

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Genannt werden Zölle und vor allem zusätzliche Zertifizierungen bis hin zum Zwang zu lokaler Produktion. Die Absicht von US-Präsident Donald Trump, das Nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA zu kündigen oder neu zu verhandeln, verunsichert genauso wie Pläne zur Einführung von Importzöllen und eine Bevorzugung heimischer Betriebe. Auch Geschäfte mit Russland und der Türkei stehen unter negativen Vorzeichen; ähnlich schlecht sind die Geschäftserwartungen in Großbritannien. Angesichts des Verfalls des britischen Pfunds sind die deutschen Exporte auf die Insel rückläufig. Wichtige Investitionsentscheidungen werden zurückgestellt.

Nur nicht aufgeben

Für die exportorientierte deutsche Wirtschaft sind das schlechte Aussichten. Julia Arnold, die beim DIHK für das internationale Geschäft zuständig ist, hält aber nichts davon, den Kopf in den Sand zu stecken. Angesichts globalisierter Wirtschaftsketten sei es unmöglich, Länder und Märkte komplett abzuschotten. "Trotz der vielen Rückschläge lohnt es sich, dass wir uns um eine vernetzte Welt bemühen." Den Auslandshandelskammern komme dabei die Funktion von "Brückenbauern in einer zunehmend polarisierten Welt" zu. "Sie verfügen über ein wertvolles Gespür für die jeweiligen Märkte und Wirtschaftsbedingungen vor Ort", so Arnold.

Angesichts der zunehmend schlechten Stimmung scheinen sie auch die Aufgabe eines Motivationstrainers zu übernehmen. Man dürfe die Dialogbereitschaft mit der Türkei auf keinen Fall aufgeben, warnt beispielsweise Jan Nöther, Chef der deutsch-türkischen Handelskammer in Istanbul. "Es gibt im Augenblick große politische Differenzen und natürlich färben diese auch auf die Investitionsbereitschaft deutscher Unternehmen ab."

Gute Geschäfte vor Ort

Das gelte allerdings nicht für die bereits in der Türkei vertretenen deutschen Unternehmen. "Die investieren munter weiter, weil sich die wirtschaftliche Entwicklung doch ein wenig von den politischen Ereignissen abgekoppelt hat", so Nöther. Hohe Exportanteile würden ein "zufriedenstellendes bis bisweilen sehr gutes Geschäft" ergeben. Zudem seien in der Türkei zahlreiche Wirtschaftsreformen durchgesetzt worden, zum Beispiel auf dem Arbeitsmarkt, im Steuerrecht und bei den Investitionsbedingungen. Im Prinzip sei es inzwischen möglich, innerhalb eines Arbeitstages ein Unternehmen in der Türkei zu gründen, sagt Nöther.

Den Freihandel sieht Nöther nicht in Gefahr. Knapp die Hälfte der türkischen Exporte gingen 2016 nach Europa. Gleichzeitig hatte Europa einen Anteil von 39 Prozent an den Importen in die Türkei. "Die Türkei ist von Europa wirtschaftlich abhängiger denn je und das weiß auch die türkische Regierung", so der Handelskammerchef. Er geht daher davon aus, dass der türkische Präsident - vorausgesetzt, das Referendum  verläuft in seinem Sinne - nach dem 16. April wieder leisere außenpolitische Töne anschlagen wird. "Die Situation wird sich dann sehr abrupt beruhigen."

Abwarten und nicht aufregen

Also Augen zu und durch? Auch die Außenwirtschaftsvertreter in den USA und in Großbritannien raten zu mehr Gelassenheit. Nach dem Brexit werde es keine wesentlichen Handelsbeschränkungen geben, prophezeit Ulrich Hoppe, Leiter der AHK Großbritannien. "Deutschland wird weiter ein wichtiger Handelspartner der Briten bleiben, denn wir produzieren das, was sie brauchen: Autos, Chemie, Maschinen, Pharmazie." Die Schwäche des britischen Pfunds erschwere zwar derzeit den Export, das sei aber nichts Neues. "Das ist Volatilität im Geschäft, damit müssen wir leben", so Hoppe.

Veränderte Bedingungen sieht auch Daniel Andrich, Leiter der gemeinsamen Vertretung des Bundesverbands der Deutschen Industrie und des Deutschen Industrie- und Handelskammertages in den USA. Unter Trump sei der Freihandel keineswegs passé, so Andrich. Allerdings müsse er sich als nützlich beweisen - und da habe Deutschland einiges zu bieten.

Marktabschottung ist kein Schicksal

Andrich verweist auf 271 Milliarden Euro deutsche Direktinvestitionen in den USA, auf 4.700 US-Unternehmen, die von deutscher Kapitalbeteiligung profitierten und auf 750.000 amerikanische Arbeitsplätze, die von deutschen Firmen abhingen. Mit Blick auf die Maxime des US-Präsidenten, Amerika wirtschaftlich wieder stark zu machen, seien "die deutschen Unternehmen im Markt prädestiniert dafür, hier Hilfestellung zu leisten". Allerdings brauche man dafür offene Märkte und das werde man der US-Administration auch klar machen.

BMW-Werk Spartanburg in den USABild: picture-alliance/dpa

Das ist ganz im Sinne von Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries. "Marktabschottung und geschlossene Gesellschaft sind kein Schicksal. Wir können die Menschen von den Vorteilen offener Märkte überzeugen." Dabei würden die Auslandshandelskammern als Brückenbauer unbedingt gebraucht - gerade auch in einer Zeit, in der multilaterale Organisationen wie die Welthandelsorganisation WTO in der Krise steckten: "Wir wollen eigentlich die größeren Abkommen", so Zypries. "Aber so lange wir sie nicht bekommen, müssen wir einzelne Schritte machen."

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