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PolitikEuropa

Trump-Comeback "würde russische Probleme lösen"

Mikhail Bushuev
24. Juli 2022

Die Ukraine muss die Kontrolle über den Süden des Landes zurückgewinnen - besonders, falls Donald Trump einen Comebackversuch starten sollte, sagt Francis Fukuyama im DW-Interview.

Francis Fukuyama, Stanford University
Bild: Aristidis Vafeiadakis/ZUMAPRESS.com/picture alliance

Francis Fukuyama ist mit seinem Buch "Das Ende der Geschichte" von 1992 bekannt geworden. Hier argumentiert er, dass die liberale Demokratie und der Kapitalismus des freien Markts den Endpunkt der gesellschaftlichen Evolution darstellen. Seit Ende Juni 2022 hat der US-amerikanische Politikwissenschaftler und Philosoph Einreiseverbot nach Russland. Die DW hat ihn interviewt - nur wenige Tage, nachdem er dem Aufsichtsrat der Internationalen Antikorruptions-Stiftung beigetreten ist, die vom russischen Dissidenten Alexej Nawalny gegründet wurde.

DW: Sie stehen auf der Liste derjenigen, die in Russland personae non gratae sind. Wie fühlt sich das an?

Francis Fukuyama: Ich empfinde das als eine Ehre, auf dieser Liste zu stehen. Alle prominenten ausländischen Russlandkritiker sowie Kritiker der russischen Invasion stehen auf dieser Liste. Ich habe mich eher gewundert, warum es so lang gedauert hat, bis ich auch draufkam.

Wieso sind sie dem Aufsichtsrat der Anti-Korruptions-Stiftung beigetreten?

Ich bin ein großer Bewunderer Nawalnys. 2019 habe ich ihn in Warschau getroffen. Korruption ist ein sehr großes Problem in Russland - und nicht nur da. Ich bin froh, die Stiftung unterstützen zu können.

In Russland inhaftiert: Alexej NawalnyBild: Alexander Zemlianichenko/AP/dpa/picture alliance

Der russische Präsident Wladimir Putin sagte jüngst in Bezug auf den Ukraine-Krieg: "Wir haben gerade erst angefangen". Meint er das ernst?

Nein, ich glaube er lügt, wie so oft. Westliche Militärexperten haben das analysiert, das russische Militär leidet unter Personalmangel. Sie haben auch bis zu ein Drittel der Manpower verloren, die sie am Anfang für die Invasion der Ukraine bereitgestellt hatten. Schätzungen russischer Todeszahlen in dem Krieg sind unzuverlässig. 20.000 Tote und 60.000 Verletzte könnten es sein. Plus Kriegsgefangene, das kommt noch dazu. Für ein Land von der Größe Russlands ist das ein militärisches Desaster. Wenn man jetzt noch berücksichtigt, dass die Russen in den zwei Monaten, in denen sie sich jetzt auf den Donbass konzentrieren, nur ziemlich geringe Territorialgewinne verzeichnen konnten, dann glaube ich eigentlich nicht, dass sie noch große Reserven haben können. Putin will uns täuschen, wenn er sagt, dass es noch gar nicht begonnen habe.

Was könnte eine erfolgreiche Strategie für die Ukraine sein?

Die realistischste Strategie wäre es jetzt auf den Süden zu schauen. Cherson und andere Zugänge zum Asowschen Meer müssen wiederhergestellt werden. Das ist wichtiger als der Donbass. Den Donbass zurückzuholen wäre in den kommenden Monaten doch ziemlich schwierig zu machen. Gegen Ende des Sommers könnten wir aber einige echte Gewinne im Süden sehen. Das ist wirklich wichtig für die Ukraine, damit die Agrarexporte übers Schwarze Meer wieder anlaufen können. Die russische Blockade Odessas muss gebrochen werden.

Wie würde sich die Situation ändern, wenn Donald Trump 2024 wieder US-Präsident würde?

Das würde alle Probleme Russlands auf einen Schlag lösen, denn offensichtlich will er ja unbedingt die USA aus der NATO herausführen. Damit hätte Russland sein Hauptziel erreicht, und zwar allein durch einen Politikwechsel in Amerika. Und genau deswegen ist es wichtig, denke ich, dass die Ukraine über den Sommer hinweg jetzt Gebietsgewinne macht. Sie müssen das militärische Momentum wieder für sich gewinnen. Denn die Einheit des Westens hängt vor allem davon ab, dass die Leute weiter daran glauben, dass es eine militärische Lösung für das Problem gibt. Wenn das Gefühl aufkommt, dass der Krieg in einem Patt festhängt, der ewig andauert, dann wird es zu Rissen in der Einheit kommen. Dann werden die Rufe lauter werden, dass die Ukraine aufgeben soll, um den Krieg zu beenden.

Sieht er einer erneuten Präsidentschaft nach der Wahl 2024 entgegen? Bild: Mandel Ngan/AFP

Wie ist ihr Blick auf Russland - in einer breiteren globalen Perspektive? Was für eine Art politisches Regime ist das?

Mehr als je zuvor ähnelt es jetzt eigentlich Nazi-Deutschland. Die einzige Ideologie ist eine Art extremer Nationalismus, aber sogar der ist weniger entwickelt als bei den Nazis. Es ist auch ein sehr schlecht industrialisiertes Regime. Alles dreht sich um einen Mann. Wladimir Putin kontrolliert alle Bereiche der Macht.

Kein Vergleich zu China dagegen: China hat eine große kommunistische Partei mit mehr als 90 Millionen Mitgliedern, mit einer hohen internen Disziplin. So eine Institution hat Russland nicht. Russland ist deshalb glaube ich kein stabiles Regime. Es hat keine klare Ideologie, die nach außen hin irgendetwas darstellen würde. Die Leute, die dieser Ideologie anhängen, mögen einfach nur den Westen aus irgendwelchen Gründen nicht.

Haben Sie nach 30 Jahren ein Update für Ihre Theorie des "Endes der Geschichte"?

Wir sind in einer anderen Situation als vor 30 Jahren. Die Demokratie hat in den vergangenen Jahren Rückschläge verzeichnet, in den USA oder auch in Indien, ebenso in anderen großen Demokratien. Der Fortschritt der Geschichte war nie linear. Wir hatten auch in den 1930er Jahren Rückschläge, die wir überlebt haben. Wir hatten weitere Rückschläge in den 1970er Jahren mit der Ölkrise und einer hohen Inflation in weiten Teilen der Welt. Die Idee des historischen Fortschritts ist nicht tot.

Manchmal erlebt man Rückschläge, aber die zugrundeliegenden Institutionen und Ideen sind stark und sie haben bereits eine lange Zeitspanne überlebt, und sie werden auch weiter überleben.

Verdrängen der Krieg in der Ukraine und andere politische Krisen nicht die gefährliche globale Klimakrise aus dem Fokus?

Klar, kurzfristig anstehende Energie-Bedarfe haben zu einem Revival fossiler Energien geführt. Aber das ist nur temporär. Beide Probleme, der Krieg und die Klimakrise, müssen angepackt werden, es ist keine Wahl von "Entweder oder", man muss beide Probleme ernst nehmen.

Die Klimakrise ist ein langfristiges Problem, das uns über Generationen begleiten wird. Dass wir jetzt gerade mal abweichen, bedeutet nicht, dass hier das letzte Wort gesprochen ist.

 

Francis Fukuyama ist Politikwissenschaftler an der Stanford-Universität im US-Bundestaat Kalifornien.

Das Interview führte Mikhail Bushuev, editiert und gestrafft wurde es von Sonya Diehn und aus dem Englischen übersetzt von Friedel Taube.

 

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