Trump deklariert Fentanyl als "Massenvernichtungswaffe"
16. Dezember 2025
US-Präsident Donald Trump hat Fentanyl per Dekret zur "Massenvernichtungswaffe" erklärt – ein politisch drastischer Begriff für eine Substanz, die längst ein stilles Massensterben auslöst. "Keine Bombe hat eine solche Wirkung", so Trump, der die Zahl der Toten auf zwischen 200.000 und 300.000 pro Jahr schätzte.
Tatsächlich starben in den USA im Jahr 2024 nach einem Bericht der Gesundheitsbehörde CDC mehr als 48.000 Menschen an Überdosierungen der Droge, 2023 waren es noch gut 76.000. In Europa liegt die Zahl im niedrigen dreistelligen Bereich. Was macht des Schmerzmittel so gefährlich – und wie real ist ein Terror-Szenario?
Was die Einstufung von Fentanyl formal bedeutet
Trumps Einstufung verschiebt Fentanyl teilweise aus Bereich des Gesundheits‑ und Strafrechts in den der nationalen Sicherheit: Geheimdienste und das Militär können prinzipiell stärker einbezogen werden, etwa bei der Bekämpfung von Kartellen oder bei Verdacht auf geplante Anschläge mit Fentanyl.
Das "Center for the Study of Weapons of Mass Destruction" (CSWMD) kam 2019 in seiner Studie "Fentanyl as a Chemical Weapon” zu dem Schluss, dass es keinen Sinn mache, Fentanyl offiziell als Massenvernichtungswaffe zu klassifizieren, zumindest nicht aus Sicht des Verteidigungsministeriums. Das CSWMD gehört zur National Defense University (NDU) in Washington, D.C., einer Hochschule des US-Verteidigungsministeriums, und ist dort im "Institute for National Strategic Studies" angesiedelt.
Zugleich warnt John P. Caves, Jr., der Autor des Berichts, aber vor dem realen Risiko eines Einsatzes von Fentanyl als Chemiewaffe. Er fordert ein klares Verbot des Einsatzes von fentanylhaltigem Spray bei Polizeiaktionen im Rahmen des Chemiewaffenübereinkommens. Das Pentagon solle Fentanyl weiter als potenzielle Chemiewaffe erforschen und Gegenmaßnahmen vorbereiten.
Experten kritisieren Trumps Entscheidung als politisches Manöver
Kritik kommt vom früheren US‑Bundesanwalt und National‑Security‑Spezialisten Dennis Fitzpatrick, der die Einstufung als ein "politisches Manöver" ohne praktischen Mehrwert bezeichnet, weil bestehende Drogengesetze bereits ausreichten, um Produktion und Handel aggressiv zu verfolgen.
Mehrere Fachleute für Suchtmedizin und öffentliche Gesundheit betonten im "National Public Radio", dass es extrem schwierig sei, Fentanyl technisch so einzusetzen, dass ein Terrorangriff im Sinne klassischer Massenvernichtungswaffen möglich wird. Die eigentliche Masse der Todesfälle entstehe durch verunreinigte Straßen-Drogen, nicht durch Anschläge.
Die Fachleute sagen, die Einstufung werde die Verfügbarkeit von Fentanyl auf der Straße oder die Zahl der Überdosis-Toten nicht senken. Sie sehen eher eine weitere Militarisierung des "War on Drugs", während Prävention, Behandlung und soziale Maßnahmen unterfinanziert bleiben und zu wenig Aufmerksamkeit erhalten.
Außerdem erschwere dies internationale Kooperation – vor allem mit China bei der Kontrolle von Vorläufersubstanzen – weil der Eindruck entstehe, Peking werde indirekt der Unterstützung von "Massenvernichtungswaffen" bezichtigt.
Befürworter innerhalb der Sicherheitscommunity und Opferverbände wie "Families Against Fentanyl" argumentieren, dass die Zahl der Todesopfer und der wirtschaftliche Schaden einer "Massenvernichtungswaffe im Zeitlupentempo" entsprächen und deshalb das volle Instrumentarium von Geheimdiensten, Militär und internationalem Druck gerechtfertigt sei.
Fentanyl erklärt: Herkunft, medizinische Nutzung und tödliche Risiken
Fentanyl gehört zur Gruppe der synthetischen Opioide und ist ein starkes Schmerzmittel, das vor allem in der Anästhesie und in der Behandlung von Krebspatientinnen und -patienten im Endstadium eingesetzt wird.
Es ist deutlich potenter als klassische Opioide wie Morphin oder Oxycodon – schon sehr kleine Mengen reichen, um starke Schmerzen zu blockieren. Ursprünglich wurde Fentanyl als hochwirksames, gut steuerbares Narkosemittel entwickelt und ist in der Medizin unverzichtbar, solange Dosierung und Anwendung streng überwacht werden.
Wie Fentanyl wirkt – und warum schon wenige Milligramm tödlich sind
Fentanyl bindet an Opioid-Rezeptoren im zentralen Nervensystem, dämpft Schmerzempfinden und löst oft ein Gefühl starker Euphorie und Entspannung aus. Genau diese Kombination macht die Substanz als Droge attraktiv – und extrem riskant: Schon wenige Milligramm können den Atemantrieb so weit drosseln, dass Betroffene nur noch flach atmen oder ganz aufhören zu atmen.
Die Folge sind Sauerstoffmangel, Bewusstlosigkeit, komatöse Zustände und im schlimmsten Fall ein Atemstillstand, der innerhalb kurzer Zeit tödlich endet. Hinzu kommt: Fentanyl macht sehr schnell abhängig, Toleranz und Dosis steigen rasant – die Sicherheitsmarge zwischen "Rausch" und Tod ist minimal.
Fentanyl-Konsum: Tabletten, Pflaster und gefährliche Mischungen
In Kliniken wird Fentanyl meist intravenös gespritzt oder über Pflaster verabreicht, die den Wirkstoff kontinuierlich über die Haut abgeben. Auf dem Schwarzmarkt dominieren Pulver, gepresste Pillen und zunehmend auch Formen, die geraucht oder inhaliert werden.
Das Problem: Illegale Hersteller dosieren ungenau, Fentanyl wird in andere Drogen – etwa Kokain oder Heroin – gemischt, ohne dass Konsumierende die Stärke kennen.
Zwei Milligramm können bereits tödlich sein; ein einzelnes falsch gemischtes Plättchen oder ein "Zug" zu viel reichen. Selbst gebrauchte Fentanyl-Pflaster können noch genug Wirkstoff enthalten, um bei missbräuchlicher Nutzung lebensgefährlich zu sein.
Globale Lieferketten: Wie die Droge aus China und Lateinamerika in die USA gelangt
Fentanyl ist ein vollständig synthetischer Wirkstoff, der in Chemielaboren hergestellt wird. Als illegale Droge tauchte es bereits in den 1970er-Jahren auf, ab den 1980ern nahm die unkontrollierte Produktion stark zu.
Heute gelten Vorläufersubstanzen und chemische Komponenten aus China als wichtiger Baustein der Lieferketten, die dann vor allem in Mittel- und Lateinamerika zu Fentanyl-Pulver und -Pillen verarbeitet werden. Von dort gelangt die Droge über Schmuggelrouten nach Europa und vor allem in die USA.
Im Jahr 2022 beschlagnahmte die US‑Drogenbehörde DEA mehr als 50,6 Millionen fentanylhaltige, gefälschte Tabletten und rund 4,5 Tonnen Fentanyl‑Pulver. Laut DEA entspricht diese Menge mehr als 379 Millionen potenziell tödlichen Dosen – "genug... um jeden Amerikaner zu töten", sagte Anne Milgram, die damalige DEA-Direktorin, im Dezember 2022.