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Politik

Trump, Erdogan und das politische Risiko

18. April 2017

Nach dem Referendum in der Türkei hat US-Präsident Trump Erdogan zu dessen Erfolg gratuliert. Das Telefonat spiegelt den unklaren Kurs, den beide Staaten im Nahen Osten verfolgen. Diese Ambivalenz ist politisch riskant.

Bild-Kombo Trump Erdogan

Auf die Mahnung folgte der Glückwunsch. Kaum hatten die Türken dem von Präsident Recep Tayyip Erdogan angestoßenen Verfassungsreferendum mehrheitlich ihre Zustimmung gegeben, mahnte das US-Außenministerium die türkische Regierung, die Rechtsstaatlichkeit des Landes zu achten. "Wir fordern die türkische Regierung auf, die grundlegenden Rechte und Freiheiten aller Bürger zu achten", erklärte der Sprecher des Ministeriums, Mark Toner. Die USA unterstützten die demokratische Entwicklung der Türkei. Dazu gehörten auch Rechtsstaatlichkeit und Freiheit einer vielfältigen Medienlandschaft.

Kurz darauf griff US-Präsident Donald Trump zum Hörer und schlug einen ganz anderen Ton an: Er beglückwünschte seinen türkischen Amtskollegen zum Erfolg bei dem Referendum. Einzelheiten des Gesprächs wurden nicht bekannt. Doch deutet der Anruf nach Einschätzung der Washington Post darauf hin, dass der Ausgang und auch die fragwürdige Durchführung des Referendums das Verhältnis der beiden Staaten nicht beinträchtigen werden. Internationale Wahlbeobachter hatten gerügt, Befürworter und Gegner eines Präsidialsystems hätten bei der Abstimmung nicht die gleichen Möglichkeiten gehabt.

Doch diese Kritik scheint in Washington keine größere Rolle zu spielen. Die strategische Bedeutung der Türkei sei zu groß, als dass die US-Administration ihren Kurs ändern würde, mutmaßt die Washington Post. "Ich glaube nicht, dass die US-Regierung Probleme mit der türkischen Demokratie hat", zitiert das Blatt die Politik-Analystin Gönül Tol vom Think Tank "Middle East Institute" in Washington. Die neue Regierung hätte von Anfang an signalisiert, dass sie mit ihren Partnern zusammen arbeiten würde. "Aber sie werden sich nicht in deren innere Angelegenheiten einmischen", so Tol.

Byzantinischer Glanz: Erdogan bei einer Rede nach dem ReferendumBild: picture-alliance/abaca/K. Ozer

Trump versus Putin

Die inneren Angelegenheiten haben bei dem Telefonat zwischen Trump und Erdogan offenbar keine Rolle gespielt. Bekannt wurde hingegen, dass beide Präsidenten über das weitere Vorgehen in Syrien sprachen. So soll sich Trump bei Erdogan noch einmal für die Unterstützung beim US-Luftschlag von Anfang April gegen die syrische Luftwaffenbasis Shayrat bedankt haben.

Unklar ist allerdings weiterhin die politische Botschaft, die Trump mit dem Luftschlag aussenden wollte. Nach Auffassung des katarischen Nachrichtensenders Al-Jazeera war der eigentliche Adressat Putin. Trump habe Putins Loyalität zu Assad testen wollen, vermutet der Sender auf seiner Website. Die US-Regierung habe die moralischen Kosten des russischen Unterstützungskurses in die Höhe treiben wollen: Wie weit wäre Putin bereit, auf Konfrontation zu den USA zu gehen, um Assad an der Macht zu halten?

Allerdings, vermutet der Sender, sei der sich andeutende Konfrontationskurs von eher kurzer Dauer. "Putin will zu Hause stark erscheinen. Washington herauszufordern gilt als der neue Nationalsport. Trump hingegen ist darauf bedacht, sich als Gegenspieler Putins zu inszenieren. Aber beide werden über diesen Punkt hinwegkommen." Entsprechende Andeutungen hat Trump mit Blick auf Syrien tatsächlich bereits gemacht. In einem Interview am 12. April danach gefragt, ob Assad aus Sicht seiner Regierung gehen müsse, antwortete er: "Bestehen wir darauf? Nein. Ich denke allerdings, dass es irgendwann passieren wird."

Luftschlag mit mehrdeutiger Botschaft. Die syrische Luftwaffenbasis Shairat nach dem US-AngriffBild: picture-alliance/Sputnik/M. Voskresenskiy

Getäuschte Assad-Opposition

Eine solche Haltung ist riskant, schreibt Al-Jazeera. Denn sie führe die syrische Opposition in die Irre. Der Luftschlag selbst hätte die Assad-Gegner ermutigt, weiterzukämpfen. Ohne weitere Unterstützung laufe das aber nur auf eine Verlängerung des Krieges und damit auf weiteres Blutvergießen hinaus. Darüber beginne sich die Assad-Opposition gerade klar zu werden.

Riskant ist der unentschiedene US-Kurs aber auch für die Türkei. Denn auch die Regierung in Ankara fährt einen schlingernden Kurs. Zum einen arbeitet sie mit Blick auf Syrien eng mit Russland zusammen. Das zeigte sich etwa auf der Friedenskonferenz in der kasachischen Hauptstadt Astana, die die beiden Länder Ende Januar dieses Jahres zusammen ausrichteten. Zugleich aber sucht Ankara auch den Schulterschluss mit den USA - und zwar ungeachtet des Umstands, dass die beiden Großmächte bisher konträre Vorstellungen zur politischen Zukunft Assads haben. Moskau will ihn halten, während Washington zumindest bislang seinen Rücktritt gefordert hat.

Zählen noch auf den Westen: Erdogan-Gegner protestieren gegen das ReferendumBild: picture alliance/dpa/E. Gurel

Türkei zwischen allen Fronten?

Die Türkei, schreibt darum das mit der Politik des Nahen Ostens befasste Internetmagazin Al-Monitor, drohe auf diese Weise zwischen die Fronten zu geraten. Beide Supermächte könnten zu dem Schluss kommen, dass die Türkei ein nicht berechenbarer und darum unzuverlässiger Partner sei. "Außenpolitik sollte auf soliden, gründlich durchdachten Prinzipien beruhen – und nicht auf impulsiven Reaktionen", so Al-Monitor. So könnte die strittige Frage nach der Zukunft Assads das gemeinsame Interesse an den Rand drängen, das alle drei Staaten verbindet: der Kampf gegen den "Islamischen Staat" (IS) und weitere dschihadistische Terrororganisationen.

Trumps vieldeutige Nahost-Politik ist allerdings auch für die USA selbst nicht ohne Risiko. Würde das Land nämlich dem Duktus folgen, den Trump in seinem Telefonat mit Erdogan angedeutet hat, riskierte es, seinen Ruf als internationaler Garant von Demokratie und Menschenrechten in der Türkei gründlich zu verspielen - und vermutlich auch darüber hinaus. Auf diesen Weise würden die USA das Vertrauen in eben jene Werte untergraben, auf die sie sich politisch traditionell berufen. Die Tendenz zur Abkehr vom Westen erhielte in der Region weiteren Auftrieb.

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika
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