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Politik

"Trump holzt durch die Gegend"

Helena Kaschel
13. Januar 2017

Russland, NATO, Folter: Bei ihren Anhörungen haben sich die US-Ministerkandidaten von der Linie Donald Trumps distanziert. Politisch bedeutet dies mehr Unsicherheit, erklärt Politologe Christian Lammert im DW-Interview.

New York City Trump erste PK als designierter Präsident (Ausschnitt)
Bild: Getty Images/AFP/T. A. Clary

Eine Woche, 15 Anhörungen: Kurz vor dem Regierungswechsel in Washington haben sich die von Donald Trump nominierten Ministerkandidaten den kritischen Fragen des US-Senats, dem sogenannten "grilling", gestellt - und dabei mehrfach ihrem künftigen Chef widersprochen. Während Trump weiter einen russlandfreundlichen Kurs fährt, verteidigte der künftige CIA-Chef Mike Pompeo die US-Geheimdienste und ihren Vorwurf, der Kreml habe versucht, die Präsidentschaftswahl in den USA zu manipulieren. Die designierten Verteidigungs- und Außenminister, James Mattis und Rex Tillerson, äußerten sich ebenfalls überraschend russlandkritisch. Auch beim Thema Klimawandel, NATO, Mexiko, Folter und bei der Einwanderung von Muslimen scheinen die Kandidaten andere Vorstellungen zu haben als der designierte US-Präsident. Der zieht in genau einer Woche ins Weiße Haus ein.

DW: Herr Lammert, ist es in der US-Politik üblich, dass Kandidaten für Ministerposten dem künftigen Präsidenten in entscheidenden Punkten widersprechen?

Christian Lammert: Es kann natürlich immer vorkommen, dass Kabinettskandidaten andere Vorstellungen haben als der Präsident. Aber in der Form, wie das jetzt passiert, ist das für die USA schon einmalig. Dafür gibt es zwei Erklärungen: Zum einen konnte Trump bisher kein großes politisches Programm entwickeln, was eigentlich die Basis wäre, um seine Minister auszuwählen und Absprachen über die Schwerpunkte der Administration zu treffen. Man hat auf der Pressekonferenz gesehen, dass Trump immer noch im Wahlkampfmodus ist und sowohl innen- als auch außenpolitisch keine klaren Ideen hat. Das macht es schwierig für Ministerkandidaten, nach seinem Profil zu reden.

Politologe Christian Lammert beschreibt die Unsicherheit gegen dem Kurs TrumpsBild: Georg Lopata/BKK

Der zweite Punkt ist, dass sich die Kandidaten in diesen Anhörungen die Unterstützung der Ausschüsse und eventuell des ganzen Senats sichern müssen, um bestätigt zu werden. Wichtig sind dabei vor allem die Stimmen der Republikaner. Die Ausschüsse sind fast immer paritätisch besetzt, das heißt, wenn die Demokraten und zusätzlich ein einziger Republikaner gegen den Kandidaten stimmen, ist die Nominierung dahin. Einige republikanische Senatoren haben aber ganz andere Vorstellungen von Russland- und Handelspolitik als Trump. Hier ist also wohl auch ein strategisches Kalkül der Kandidaten im Spiel. Um die Unterstützung der Ausschüsse zu bekommen, argumentieren sie vielleicht manchmal nicht ganz entsprechend der eigenen Position.

Kann man die Meinungsverschiedenheiten als schlechtes Omen für Trumps Präsidentschaft deuten?

Was wir von den potentiellen Ministern hören, steht in vieler Hinsicht für die Kontinuität der bisherigen amerikanischen Außenpolitik. Da gibt es jetzt zwei Optionen. Die eine ist, dass es Krach in der Administration gibt, weil Trump wirklich andere Vorstellungen hat. Der US-Präsident hat gegenüber seinen Ministern sehr großen Einfluss, er bestimmt die Richtlinien der Politik. Wenn ein Minister diese Politik nicht umsetzt, wird er eben ausgetauscht.

Die andere Möglichkeit ist wahrscheinlicher: Dass Trump gar kein Interesse an der Gestaltung der Politik hat. Das hat er schon während des Wahlkampfs und auch nach dem Wahlsieg gesagt. Das würde bedeuten, dass die einzelnen Minister größeren Spielraum in ihren jeweiligen Kompetenzbereichen hätten. So könnten der Außen- und der Verteidigungsminister, die sich ja stark gegen Russland und für Sanktionen ausgesprochen haben, die Politik von Barack Obama weiter fortführen, ohne dass Trump groß interveniert.

Gerade bezüglich der Beziehung zu Russland gehen die Positionen von Trump und die seiner Ministerkandidaten sehr weit auseinander. Was bedeutet das für das Verhältnis zwischen Russland und den USA?

Das ist eben die große Unbekannte, und das macht diese neue Administration so, ich würde fast sagen, gefährlich: Man weiß nicht, welche politische Linie hier genau verfolgt wird. Trump holzt nur durch die Gegend, verletzt jeden und lobt sich selbst in den Himmel. Gerade beim Kandidaten für den Posten des Außenministers, Rex Tillerson, hatte man erwartet, dass er die russlandfreundliche Politik Trumps unterstützt. Schließlich hat ExxonMobil, das Unternehmen, für das er Jahrzehnte lang gearbeitet hat, großes Interesse daran, dass die Sanktionen gegen Russland aufgehoben werden, denn dort warten Milliardengeschäfte. Nun setzt sich Tillerson sich doch nicht für die Aufhebung der Sanktionen ein. Das führt zu Verunsicherung: Man weiß nicht, mit welcher Linie man bei dieser Administration rechnen kann, das kann sich täglich ändern.

Das heißt, auch die Verbündeten der USA wissen nicht, welche Politik sie von der Trump-Regierung erwarten können?

Nein, und das sieht man jetzt schon bei den Reaktionen der europäischen Verbündeten. Die deutsche Bundeskanzlerin hat zu einer stärkeren Kooperation der europäischen Länder in sicherheitspolitischen Fragen aufgerufen, gerade weil man nicht weiß, wie die USA sich jetzt verhalten werden. Werden sie sich zurückziehen? Das isolationistische Moment ist in Trumps Rhetorik ja immer wieder sehr stark. Er hat im Wahlkampf die NATO-Beistandsverpflichtung infrage gestellt. Da muss man abwarten, welche Politik formuliert wird und wie Trump auftritt, wenn er seine ersten Staatsbesuche macht. Aber die Unsicherheit der US-Verbündeten in Europa und auch in Kanada ist groß.

Trump ist für seine Dünnhäutigkeit bekannt. Wie wird er als Präsident damit umgehen, wenn enge Berater oder seine eigenen Minister anderer Meinung sind als er?

Auch da ist die Verunsicherung groß. Trump hat sich ja bisher nicht verändert. Auf der Pressekonferenz vor ein paar Tagen hat er erklärt, dass er seine Geschäfte an seine Söhne abgeben wird, und wenn sie in den nächsten Jahren nicht gut laufen, dann würde er seine Söhne feuern. Das ist seine Attitüde: Er überhöht sich selbst und lässt keinen Widerspruch zu. Wenn er diese Rolle weiterspielt, aber gleichzeitig als Präsident Leitlinien setzen und gestalten will, wird es immer wieder zu Konflikten kommen. Dann werden wir eine hohe Fluktuation in den Ministerien sehen - und die führt nicht zu Stabilität.

Das Gespräch führte Helena Kaschel.

Christian Lammert lehrt als Professor für nordamerikanische Innenpolitik am John-F.-Kennedy-Institut der Freien Universität Berlin.