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"Trump scheint das Papstamt zu beeindrucken"

22. Mai 2025

Religion spielt in der US-Politik immer eine große Rolle. Ein Interview zu Donald Trump und JD Vance, zum Glauben in den USA und dem amerikanischen Papst.

Vatikanstadt 2025 | Selenskyj und Trump am Rande der Trauerfeier für Papst Franziskus
US-Präsident Donald Trump (l.) und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj trafen sich Ende April im Petersdom in Rom anlässlich der Trauerfeier für Papst FranziskusBild: Ukrainian Presidential Press Service/Handout via REUTERS

Der Eichstätter Theologe Benjamin Dahlke (43) gilt als hervorragender Kenner der katholischen Kirche und Theologie in den USA. Im Interview der Deutschen Welle äußert er sich unter anderem zur Religiosität von Donald Trump und JD Vance - und zum Vorschlag, den Vatikan als Vermittler angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine einzuschalten.

DW: Hätten Sie mit einem Papst aus den USA gerechnet?

Benjamin Dahlke, katholischer Theologe und Kenner der kirchlichen Landschaft in den USABild: Dr. Christian Klenk/Katholische Universität Eichstätt

Benjamin Dahlke: Nein, ehrlicherweise nicht. Zwar hatte ich mich mit den Kardinälen aus den USA beschäftigt und bin dabei auf den Namen Prevost gestoßen. Aber es war kaum etwas über ihn bekannt, er kam geradezu aus dem Nichts. So hatte ihn kaum jemand auf dem Schirm. Ich kenne nur einen Theologen, der im Vorfeld der festen Überzeugung war, dass Prevost gewählt würde. Er hat es logisch erschlossen. Leider habe ich nicht auf ihn gehört, sonst hätte ich im Wettbüro viel Geld gewinnen können.

Sie haben schon mehrere Forschungsaufenthalte in den USA absolviert und sich schwerpunktmäßig mit der katholischen Theologie dort befasst. Was ist der größte Unterschied zwischen der Theologie und der Katholizität in den USA und in Deutschland?

Ebenso wie die amerikanische Gesellschaft sind Theologie und Kirche in den USA in zwei Lager gespalten: Progressive und Konservative stehen sich gegenüber. Einerseits wird eine politisch engagierte Befreiungstheologie vertreten, andererseits wird der mittelalterliche Denker Thomas von Aquin gelehrt.

Einerseits setzen sich Gläubige für Migranten und Minderheiten ein, andererseits pflegen sie die Liturgie und lernen den Katechismus. In der einen Kirche gibt es verschiedene Katholizismen. In Deutschland ist das zwar auch immer mehr der Fall. Doch sind die Lager noch einigermaßen beisammen. Dafür ist die Stimmung ziemlich schlecht. In den USA erlebe ich mehr Optimismus und Energie.

Können Sie das Phänomen JD Vance erklären, der ja nicht der einzig prominente Konvertit in den USA ist?

Nach seiner Amtseinführung traf Papst Leo XIV. US-Vizepräsident JD Vance (l.) und Außenminister Marco Rubio, beide katholisch, mit ihren EhefrauenBild: Vatican Media/Simone Risoluti/Handout via REUTERS

Vance wuchs in schwierigen Verhältnissen auf. Drogen waren ein Problem. Zuhause wurden evangelikale Prediger im Fernsehen geschaut. Später verabschiedete er sich vom Christentum. Bedingt durch die Beziehung zu seiner jetzigen Frau begann bei ihm allerdings ein Suchprozess: Wie konnte er ein guter Mensch sein? Die Arbeit an sich selbst war sein Thema. Vance kam zum Schluss, dass der Katholizismus ihm hilft, ein guter Mensch zu werden. Die Sakramente sind dabei entscheidend. Durch die Beichte reflektiert man das eigene Leben, die Eucharistie soll einen verwandeln. Vance ließ sich 2019 taufen. In den USA sind auch viele Intellektuelle katholisch geworden. Es geht um eine geprägte, sinnhafte Existenz.

Hat Donald Trump, der ja gelegentlich so wirkt, als sei er seine eigene Religion, einen Zugang zu diesem multilateralen und globalen System "katholische Kirche"?

Der KI-generierte Papst Trump schaffte es sogar auf die Titelseite von "la Repubblica"Bild: Bernat Armangue/AP Photo/picture alliance

Trump hat vor Beginn des Konklaves ein KI-generiertes Bild von sich geteilt, auf dem er als Papst abgebildet war. Darunter stand: "Ich wäre gerne Papst." Ihn scheint das Amt zu beeindrucken, immerhin ist es mit enormer Autorität und großem Prestige verbunden. Außerdem spricht ihn die Ästhetik des Katholizismus offenbar an. Dabei war er einmal Presbyterianer, gehört inzwischen gar keiner Kirche mehr an. Seine Politik "America first" passt allerdings nicht so recht zum Katholizismus, weil dieser universal, umfassend ist und daher Grenzen überschreitet.

Die katholische Kirche in den USA legt statistisch zu. Sehen Sie noch weitere Gründe als den bisherigen Zuzug von Menschen aus Mittel- und Südamerika? Jeder dritte US-Katholik, heißt es, spricht Spanisch.

Fast alle Pfarreien haben inzwischen Gottesdienste auf Englisch und Spanisch. Priester zu finden, die mit den Menschen aus beiden Gruppen gut umgehen können, stellt eine große Herausforderung dar. Neben der Migration führen Konversionen zu weiterem Zuwachs. Wenn ich in den USA bin, treffe ich immer wieder ehemalige Protestanten, die katholisch geworden sind. Einige Konfessionen sind wegen ethischer Fragen tief gespalten und verlieren deshalb Mitglieder. Beispielsweise zählte die Evangelical Lutheran Church of America 1988 ungefähr 5,2 Millionen Mitglieder, inzwischen sind es 2,7 Millionen. Allerdings kehren viele Katholiken ihrer Kirche den Rücken. Säkularisierung gibt es auch in den USA.

Am Rande der Beisetzungsfeierlichkeiten für Papst Franziskus kam es zu einer politisch ausgesprochen wichtigen Begegnung zwischen Präsident Donald Trump und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj (siehe das Titelfoto). Spielte beim Zustandekommen auch die von Ihnen angesprochene Ästhetik des Katholizismus eine Rolle?

Die Begegnung fand ja im Petersdom statt, ein erhabener Ort, der für etwas Größeres steht – und ein Ort des Friedens. Sicherlich wirkt so etwas auf alle Anwesenden. Trump und Selenskyj saßen auf Klappstühlen, konnten sich in die Augen schauen, ohne Akten zwischen sich zu haben oder andere Beteiligte.

Viele europäische Beobachter sehen bei Donald Trump und seiner Bewegung keinerlei Verständnis mehr für transatlantische Traditionen und Bindungen. Gelegentlich wirkt es so, als wolle Trump Europa abschütteln. Nun soll der Vatikan eine Vermittlerrolle im russischen Angriffskrieg auf die Ukraine einnehmen. Wollen die USA, will ihr Präsident da ein Problem abschieben?

2017 empfing Papst Franziskus Donald Trump, damals US-Präsident in seiner ersten Amtszeit, im Vatikan Bild: Reuters/A. Tarantino

Trump hatte im Wahlkampf angekündigt, den Krieg innerhalb eines Tages zu lösen. Das hat offensichtlich nicht geklappt. Ein wenig genervt ist er da schon. Deshalb glaube ich, dass er nicht recht weiterweiß und mit dem Vatikan einen neuen Akteur hereinholen will, um neue Bewegung zu erreichen. Allerdings ist die Bilanz der vatikanischen Diplomatie in den letzten Jahren sehr durchwachsen. Wirkliche Erfolge gab es kaum. Weder im Verhältnis zu China noch im Gaza-Konflikt hat Rom viel erreicht. Deshalb bin ich etwas zurückhaltend. Trotzdem sollte alles Menschenmögliche versucht werden, um den Krieg endlich zu beenden.

Benjamin Dahlke (43) ist katholischer Theologe und Professor für Dogmatik an der Katholischen Universität Eichstätt. 2024 veröffentlichte er das Buch "Katholische Theologie in den USA". Dahlke ist katholischer Priester.

Das Interview führte Christoph Strack.

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