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Trump spart an der Kultur

Rick Fulker
16. März 2017

Jetzt ist es offiziell: Der Etatentwurf der US-Regierung sieht die Abschaffung der Kulturförderung auf nationaler Ebene vor. Auch das nicht-kommerzielle Fernsehen und Radio könnte unter den Etatstreichungen arg leiden.

Sesamstrasse
Bild: picture-alliance/United Archives

In einer Mitteilung der National Endowment for the Arts (NEA) am Donnerstag (16.03.2017) schreibt die Vorsitzende der Behörde Jane Chu: "Wir sind enttäuscht, weil wir sehen, dass unsere Aktivitäten bei Personen in jeder Altersklasse und in tausenden Gemeinden der Nation etwas bewirken können. Wir gehen davon aus, dass diese Nachricht eine rege Diskussion unter Personen und Organisationen, die sich für die Kultur einsetzen, auslösen wird."

Auf dem Spiel steht einiges: reisende Jazzmusiker und Shakespeare-Schauspieler, ein nationaler Poesie-Wettbewerb für Jugendliche oder Kunsttherapie für traumatisierte Kriegsveteranen. Auch Projekte wie die preisgekrönte TV-Doku-Serie "The Civil War" ("Der Amerikanische Bürgerkrieg") von Ken Burns oder das Sundance Film Festival erhielten staatliche Förderung. 

Zu den 63.000 Empfängern von Finanzmitteln, die vom NEA ausgeschüttet wurden, gehören auch kontroverse Projekte wie Ausstellungen in den 1980er Jahren von Fotoarbeiten des Künstlers Robert Mapplethorpe, der formvollendet Sado-Maso-Posen, aber auch Orchideen in Szene setzte. Eine Theateraktion zu gleichgeschlechtlichen Hochzeiten im vergangenen Jahr erregte in konservativen Kreisen Anstoß, und "Doggie Hamlet", ein Tanz- und Theaterspiel mit Hunden und Schafen auf einem Feld im Bundesstadt Vermont, erntete Spottkritik.

Das NEA ist eine 1965 gegründete staatliche Stiftung in den USA, die Kunst und Kultur fördert. Oder muss man bald sagen: war?

Wertkonservative nennen diese Investitionen Verschwendung von Steuergeldern, um liberale Ästhetik zu fördern. Im Kultursektor gelten NEA-Gelder dagegen als "goldener Pfennig" und als Förder-Startkapital.

Die PBS Serie "The Civil War" war öffentlich gefördert - und setzte MaßstäbeBild: PBS

Das Aus für NEA? 

Dem National Endowment for the Arts und der Parallelbehörde, National Endowment for the Humanities (NEH), sollen nach dem aktuellen Etatentwurf der Trump-Regierung Gelder gestrichen werden. In den kommenden Wochen wird im US-Kongress darüber debattiert und entschieden.

Ebenfalls vorgesehen ist die Privatisierung der Corporation for Public Broadcasting (CPB). Von dessen Mitteln wird das nichtkommerzielle Public Broadcasting System (PBS) mitfinanziert, das weltbekannte Programme wie etwa die "Sesamstraße" entwickelt hat.

Dass dieses Szenario Wirklichkeit werden könnte, zeichnete sich bereits ab, als Paul Winfree zum etatpolitischen Direktor der Regierung berufen wurde. Winfree ist als Ökonom der konservativen Heritage Foundation bekannt, die im vergangenen Jahr einen detaillierten Etatentwurf vorlegte. Dieser sieht die Abschaffung des NEA und sechs weiterer nationaler Behörden vor.

Einsparungen sind sehr gering

Die Gesamtersparnisse von 741 Millionen Dollar (ca. 702 Millionen Euro) - 148 Millionen Dollar jeweils für das NEA und das NEH, 445 Millionen Dollar für die CPB - sind nur ein winziger Bruchteil des Jahresetats der USA, der knapp vier Billionen Dollar beträgt. 

"Die Schlagzeilen sind beunruhigend", sagte Kelly Barsdate, Programmchefin der National Assembly of State Arts Agencies (Nationaler Verein der bundesstaatlichen Kulturbehörden), in einem Interview mit der DW.

Öffentliche Kulturförderung hinkt anderen Ländern hinterher

Die öffentliche Kulturförderung in den USA bleibe zwar weit hinter dem Niveau europäischer Länder zurück, dennoch hätte die Abschaffung des NEA erschütternde Auswirkungen, so Barsdate, denn "von jedem Dollar, den das NEA stiftet, kommen neun Dollar aus anderen Quellen hinzu: von lokalen und regionalen Regierungen, Firmen und Privatpersonen. Das NEA hat eine führende Funktion, seine Entscheidungen haben Signalwirkung."

Die NPR-Zentrale in WashingtonBild: picture alliance/AP Photo/C. Dharapak

Mit 46 Cent jährlich pro US-Amerikaner - weniger als der Preis einer Briefmarke - schlagen die Ausgaben des NEA kaum zu Buche. Die Stiftung leitet Mittel an lokale Kultureinrichtungen weiter. Diese finanzieren dann Projekte wie etwa "Project Step", bei dem Kinder aus ärmeren Familien Unterricht auf Streichinstrumenten erhalten. Das NEA fördert ebenfalls die "Military Healing Arts Partnership", in der ehemalige Soldaten Kriegstraumata durch Kunsttherapie aufarbeiten und sich so wieder im Alltagsleben einfinden können.

Lange ein Streitthema

"Kunst- und Kulturförderung gehören auf nationaler Ebene überhaupt abgeschafft - und nicht nur wegen möglicher Etatersparnisse", schreibt Romina Boccia, Ökonomin der Heritage Foundation. "Wir sollten Regierung und Kultur streng auseinanderhalten - genauso wie in den USA Staat und Kirche streng getrennt sind."

Mit der Grundüberzeugung, dass Kunst, die sich auf dem Markt nicht behaupten kann, nicht gut sein kann, bezeichnet die Heritage Foundation die Kulturförderung durch das NEA als "Wohlfahrt für die Kulturelite". Auf seiner Internetseite weist die Foundation auf die insgesamt fünf Milliarden Dollar (4,75 Milliarden Euro) hin, die die Behörde in den 52 Jahren seit ihrer Gründung ausgeschüttet hat. Allein im Jahr 2014 betrug das Kultursponsoring von Privatpersonen und Firmen dagegen 18 Milliarden Dollar (17 Milliarden Euro): Geld, das für eine vielfältige Kulturlandschaft ausreichen würde.

Die National Assembly of State Arts Agencies sieht das anders. "Ländliche Gebiete und ärmere Gemeinden wären besonders von einer Kürzung betroffen," sagte Kelly Barsdate.

Robert L. Lynch, Präsident von "Americans for the Arts", weist auf den rein wirtschaftlichen Ertrag von Kunst und Kultur hin. Sein Verein "weist mindestens 22,3 Milliarden Dollar (21,1 Milliarden Euro) an Steueraufkommen auf lokaler, bundesstaatlicher und nationaler Ebene nach", sagte Barsdate.

Robert Lynch mit Matt Sorum, Schlagzeuger von Guns N' RosesBild: Getty Images/P. Morigi

"Es wird immer eine Diskussion geben, aber in der Vergangenheit waren sich Republikaner und Demokraten darüber einig, dass Kunstförderung eine gute Sache ist", sagte Lynch. In der aktuellen Krise hat er prophylaktisch 5000 Lokalbehörden und Kunstförderer sowie Hunderttausende Bürger für den Erhalt der Förderung mobilisiert. 

Proteste gegen Sparkurs

Die angedachte Privatisierung der Corporation for Public Broadcasting hätte möglicherweise sogar eine noch größere Auswirkung auf das Kulturleben in den USA. Vor allem für die kleinen nicht-kommerziellen Fernseh- und Radiosender sind CPB-Gelder lebensnotwendig. Auch hier gibt es eine neue Bürgerbewegung: "Protect My Public Media" wurde im vergangenen Monat ins Leben gerufen. "Die Leute verfallen zwar nicht in Panik, aber sie bereiten sich vor", sagte Deanna Mackey, Direktorin der "Major Market Group", die PBS-Sender in den größten Städten des Landes vertritt.

Befürworter der öffentlichen Förderung für Kultur und Medien erinnern sich noch an den "Vertrag mit Amerika" von Newt Gingrich, der 1994 zum Sprecher des Repräsentantenhauses gewählt wurde. Ein Gesetz wurde vorgelegt, um genau die Einrichtungen, die auch diesmal abgeschafft werden sollen, zu eliminieren. Damals protestierten CPB-Unterstützer vor dem US-Parlament - und brachten gleich Big Bird und Kermit den Frosch aus der Sesamstraße mit. Die Einrichtungen wurden erhalten. Diesmal braucht man allerdings eine andere öffentlichkeitswirksame Maßnahme: Die Sesamstraße ist inzwischen vom nicht-kommerziellen in den kommerziellen Bereich des amerikanischen Fernsehens umgezogen.

Die Kulturbehörden mussten dem neuen Besitzer weichenBild: picture-alliance/NurPhoto/C. May

Wie auch immer der Kongress darüber entscheiden wird, eine Veränderung ist schon in Kraft getreten: Der ehemalige Sitz des NEA und des NEH, das alte Postgebäude an der Pennsylvania Avenue in Washington, wurde zum Hotel umgebaut. Die Renovierungskosten betrugen 200 Millionen Dollar (190 Millionen Euro), eine größere Summe als die Jahresetats der beiden Behörden. Der neue Besitzer heißt Donald Trump.

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