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Politik

Trump trifft in Polen das "neue Europa"

Gerhard Gnauck
4. Juli 2017

Vor dem G20-Gipfel besucht der US-Präsident Warschau. Er trifft zwölf Staats- und Regierungschefs der Region zwischen Ostsee, Adria und Schwarzem Meer. Polen will die Führungsrolle der neuen Staatengruppe übernehmen.

Donald Trump
Bild: Getty Images/Chip Somodevilla

Die Spannung steigt in Warschau: Trump kommt. Es ist nicht das erste Mal, dass ein amerikanischer Präsident Polen besucht: Seit Richard Nixon (1972) gab es bisher zehn Visiten dieser Art. Auch Regionalgipfel mit Polen als Gastgeber hat es öfter gegeben. An diesem Mittwoch und Donnerstag aber kommt alles zusammen: Donald Trump, der irgendwie ganz andere US-Präsident, trifft in Warschau zwölf Staats- und Regierungschefs der östlichen EU-Länder, von Estland bis Bulgarien, sowie Österreichs.

Die Trump-Regierung will, wie das Weiße Haus mitteilt, "Amerikas unerschütterliche Verpflichtung gegenüber einem unserer engsten europäischen Verbündeten neu bekräftigen und betonen, dass die Stärkung der kollektiven Verteidigung der NATO für die US-Administration Priorität genießt". Auch von "gemeinsamen Werten und Interessen" und einer engen Verbindung mit Mitteleuropa ist die Rede. Trump will während dieses ersten Auftritts in Europa vor einer Menschenmenge am Denkmal für den Warschauer Aufstand auch eine wichtige Rede halten.

Präsident Duda: Drei-Meere-Initiative ist meine Priorität

Ein Besuch in Warschau ist für amerikanische Staatsoberhäupter fast immer ein Heimspiel: Hier gibt es kaum Gegendemonstranten, aber dafür viel historisch verständliche polnisch-amerikanische Verbundenheit. Bei dem Besuch will sich Polen nicht nur als guter Gastgeber und "Land der Freiheit" präsentieren, als das es US-Präsidenten gerne rühmten. Diesmal kommt hinzu, dass Warschau sich als Initiator und Gipfelgastgeber einer "Drei-Meere-Initiative" ("Three Seas Initiative") vorstellt. Präsident Andrzej Duda hatte dieses Konzept im Mai in einer programmatischen Rede auf der GlobSec-Konferenz in Bratislava präsentiert.

Duda will die "Drei-Meere-Initiative" vorantreibenBild: Reuters/J. Dudek

Dort sagte Duda, diese Initiative solle "eine der Prioritäten" seiner Präsidentschaft sein. "Polen will über eine regionale Gemeinschaft an der euroatlantischen Gemeinschaft mitbauen", sagte er und erklärte, dass Mitteleuropa "ganz natürlich Polens politische Umgebung" sei. "Daher streben wir danach, dass Mitteleuropa sicher und kohärent ist, und sich wirtschaftlich dynamisch entwickelt."

Initiative nicht gegen die EU gerichtet

Wie die Zusammenarbeit der östlichen NATO-Mitglieder (Duda nannte sie die "Bukarester Neun"), so solle auch die Arbeit dieser Gruppe innerhalb der bestehenden Strukturen stattfinden, also innerhalb der EU. Die Intermare-Gruppe strebe keine Blockbildung oder eigene Außenpolitik an, versichern Fachleute in den beteiligten Ländern.

Auch wolle sie nicht die Visegrád-Gruppe ersetzen, die bisher konkreteste Form von Zusammenarbeit in der Region, an der Polen, Ungarn, Tschechien und die Slowakei mitwirken. Stattdessen setzt man auf gemeinsame Infrastrukturprojekte, vor allem eine Nord-Süd-Autobahn (Via Carpatia) in den strukturschwachen Regionen entlang der EU-Ostgrenze. Auch der freie Fluss von Erdgas und anderen Energieträgern soll - im Interesse der Energiesicherheit und des Wettbewerbs - verbessert werden. All das sei die "logische Folge" der Mitgliedschaft in EU und NATO, sagte Präsident Duda.

Das Intermare-Konzept und das "neue Europa"

Dennoch klingen bei dieser Initiative Vorläufer an. Zum einen die ältere "Zwischenmeer"-Konzeption der polnischen Vorkriegszeit, als das Land versuchte, in der prekären Lage zwischen einem revisionistischen Deutschland und einer aggressiven Sowjetunion ein Bündnis mit den kleineren Nachbarn zu schmieden. Zwischen den Meeren meinte damals: zwischen Ostsee und Schwarzem Meer, in einem alten Einflussgebiet Polens. Neuerdings hat sich der in Frage stehende Raum ein wenig Richtung Adria erweitert, so sind daraus drei Meere geworden. Der erste Regionalgipfel dieser Art fand 2016 in Kroatien statt.

Polen möchte mehr amerikanische Flüssiggas-Exporte nach EuropaBild: picture-alliance/AP Photo/T. Muranski

Eine andere Erinnerung wird gerade durch Donald Trumps Besuch aktuell: Als die USA 2003 den Irakkrieg zum Sturz Saddam Husseins begannen, suchten sie Partner für eine "Koalition der Willigen" und fanden sie auch: neben Großbritannien, Spanien, Italien auch Polen, Ungarn und Tschechien. Die neuen NATO-Mitglieder wurden damals "das neue Europa" getauft.

Gemischte Gefühle gegenüber Trump

Heute, unter veränderten Vorzeichen, trifft Trump wieder das "neue Europa". Zumindest in Ungarn und Polen findet er Regierungen vor, die der liberalen Demokratie und dem "Establishment" sehr skeptisch gegenüberstehen. Zwar sind viele der Länder wegen Trumps bisher unklarer Haltung gegenüber Russland und der NATO besorgt. Dennoch macht die polnische Regierung gute Miene zu Trumps merkwürdigem Spiel.

Beruhigung der Ängste: Mehr als 4.000 US-Soldaten wurden in Polen und in den Baltischen Staaten stationiertBild: picture-alliance/dpa/M. Bielecki/PAP

So könnte sich in den nächsten Tagen ein neuer Schulterschluss abzeichnen zwischen den USA einerseits und dem "neuen Europa" andererseits. Diesmal beflügelt von zwei neuen Faktoren: zum einen von den ersten Flüssiggaslieferungen aus Amerika nach Polen, die es erleichtern, sich vom politisch riskanten russischen Erdgas zu lösen. Zum zweiten von der erstmals sichtbaren Präsenz von Bündnistruppen in Polen und im Baltikum.

Hoffen auf Applaus

Im Frühjahr wurde das Hauptquartier der NATO-Einheiten für Osteuropa im nordpolnischen Elblag (Elbing) feierlich eröffnet. Dort werden 280 Offiziere aus 13 Ländern eingesetzt sein. Ihnen zugeordnet ist eine Kampfgruppe (battle group) mit 1.270 überwiegend amerikanischen Soldaten. Allerdings hat die Entsendung der NATO-Truppen mit Trump wenig zu tun: Beschlossen wurde sie vom Bündnis in der Amtszeit Präsident Obamas - als Reaktion auf die russische Aggression gegen die Ukraine und Moskauer Drohgebärden gegen das Bündnis insgesamt.

Trumps Reise nach Warschau, am Vortag von G20, wird in Warschau als klare Anerkennung der USA-Treue Polens und als politisches Zeichen gewertet. Das Risiko, dass Europa danach noch gespaltener ist als jetzt, sieht man nicht. Für Trump dagegen ist der Besuch auch die Chance, einen möglicherweise jubelnden Empfang in Europa zu genießen - genau das, was er in Hamburg und Westeuropa nicht bekommen kann.

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