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Politik

"Ein Schlag für die internationale Gemeinschaft"

Uta Steinwehr
22. März 2019

Dass Trump die Golanhöhen als Teil Israels anerkennt, verschlechtert die Aussichten für einen Friedensprozess zwischen Israelis und Palästinensern - und kann die Weltpolitik beeinflussen, sagt Israel-Experte Peter Lintl.

Israel - Palästina UN im Golan
Blauhelme der Vereinten Nationen kontrollieren in den Golanhöhen eine Pufferzone zwischen Israel und SyrienBild: imago/Xinhua/A. Margolin

Deutsche Welle: Es hat sich über Monate hinweg angedeutet, nun hat US-Präsident Donald Trump angekündigt, dass die USA die Golanhöhen als israelisches Staatsgebiet betrachtet. Was bedeutet das für Israel?

Peter Lintl: Zunächst ist es ein Wahlkampfgeschenk an Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu. [Am 7. April wird in Israel ein neues Parlament gewählt, Anm. d. Red.] Zwischen 80 und 90 Prozent der Israelis können sich nicht mehr vorstellen können, den Golan zurückzugeben. Vor diesem Hintergrund wird es politisch als Erfolg Netanjahus gewertet werden, dass er die USA dazu gebracht hat, die Golanhöhen als israelisches Staatsgebiet anzuerkennen. Das ist Wahlkampfhilfe.

Abwarten muss man, was das für den angekündigten Friedensplan von Trump bedeutet. Hier gibt es zwei mögliche Deutungen: Ist diese Anerkennung der Golanhöhen ein Auftakt, um künftig von den Israelis Zugeständnisse im Zuge eines Friedensplans zu verlangen? Oder es geht es weiter in die Stoßrichtung, dass die USA auch das Westjordanland nicht als besetzt ansehen und es zu einer schleichenden Akzeptanz der israelischen Siedlungen dort kommt.

Peter Lintl, Israel-Experte bei der "Stiftung Wissenschaft und Politik"Bild: SWP

Trumps Entscheidung hat also auch Symbolkraft für das Westjordanland oder den Gazastreifen, die auch von Israel besetzte Gebiete sind?

Sicherlich hat es für Israel Symbolkraft. Innerhalb der israelischen Regierung gibt es vielleicht sogar eine Mehrheit, die fordert, dass Teile des Westjordanlands oder das ganze Westjordanland annektiert werden. Diese Kräfte können natürlich Aufwind erhalten.

Das hat Auswirkungen auf die Situation mit den Palästinensern. Vom Friedensprozess mag man ja überhaupt nicht mehr sprechen. Das ist die gegenteilige Politik, die die EU verfolgt. Denn die spricht immer von einer Zwei-Staaten-Lösung, davon, dass Annexionen und Besatzungen völkerrechtswidrig sind. Trump geht hier ganz klar in die entgegengesetzte Richtung. Eine Lösung des Nahostkonflikts wird noch weiter in den Hintergrund geraten.

Wie wirkt sich Trumps Schritt auf die Region aus?

Hier muss man differenzieren. Für die engere Region glaube ich nicht, dass sich dieser Schritt so stark auswirken wird. Syrien selbst oder der Machthaber Baschar al-Assad sind nicht in der Lage darauf zu reagieren, weil sich Syrien immer noch mehr oder weniger in einer Bürgerkriegssituation befindet, auch wenn sich Assad ein Stück weit konsolidiert hat. Die Golfstaaten stehen den USA ja derzeit sehr nahe wegen der Rivalität zum Iran. Ich glaube nicht, dass sich hier viel ändern wird.

Für die internationale Gemeinschaft ist es aber ein weiterer Schlag gegen das Verständnis, das mindestens der Westen jahrzehntelang mit den USA als Vorreiter propagiert hat: Das Völkerrecht ist die zentrale Säule der internationalen Gemeinschaft. Die USA scheren hier aus. Das ist schon ein Signal, dass die USA an diese Werte des Multilateralismus und der Rechtsgemeinschaft nicht mehr glauben.

Denken Sie, dass sich andere Staaten den USA anschließen werden?

Ich weiß nicht, ob es kurzfristig passiert, aber mittelfristig durchaus. Brasilien kann ich mir vorstellen, die Philippinen unter Rodrigo Duterte vielleicht auch. Bei europäischen Staaten wie Ungarn oder Polen glaube ich es eher nicht, weil die zu stark in der EU verwurzelt sind.

Die weitere Frage ist natürlich: Wie gehen wir jetzt mit der Kritik an Russland um, wenn der Multilateralismus und der Völkerrechtsansatz aufgegeben wird? Putin könnte argumentieren: Wenn die USA die völkerrechtswidrige Annexion des Golans unterstützen, wieso sollte Russland dann nicht die Krim annektieren?

Trumps Ankündigung könnte also einen weithin ausstrahlenden Effekt auf die Weltpolitik haben.

Zumindest als Symbol kann das durchaus so sein.

Welche Lösung sehen Sie für die Golanhöhen?

Im Moment ist es sehr schwer. In einem Friedensabkommen mit einem syrischen Staat könnte es eine Möglichkeit geben, die Golanhöhen ganz oder in Teilen zurückzugeben. Aber derzeit gibt es de facto keine Lösung. Mit wem sollte Israel vor dem Hintergrund des Bürgerkrieges in Syrien verhandeln? Solange die Region so unruhig ist, wird sich Israel militärisch sicherlich nicht aus den Golanhöhen zurückziehen. Sie sind strategisch sehr wichtig, da sie sowohl Syrien, aber auch das israelische Gebiet überblicken. Das heißt, für lange Zeit wird es keine Lösung im Sinne eines Friedensabkommens oder einer Rückgabe geben.

Der Politologe Peter Lintl leitet an der Berliner "Stiftung Wissenschaft und Politik" das Projekt "Israel in einem konfliktreichen regionalen und globalen Umfeld: Innere Entwicklungen, Sicherheitspolitik und Außenbeziehungen".

Das Gespräch führte Uta Steinwehr.

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