1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Trump und die "Lügenpresse"

22. November 2016

Videobotschaft statt Pressekonferenz, Alleingang statt Pressebegleitung, Tweet statt Talk. Trumps Beziehung zu den Medien ist, nun ja: ausbaufähig. Noch gibt es mehr Schimpftiraden als Interviews.

USA Donald Trump designierter Präsident
Bild: picture-alliance/abaca/S. Corum

Zwölf Tage nach der Wahl: Der designierte US-Präsident lädt zwei Dutzend Moderatoren und Manager der großen TV-Sender des Landes in seinen großen Turm in New York. Über den Inhalt des Treffens wird Stillschweigen vereinbart. Will Trump also in Ruhe darüber sprechen, welchen Zugang Journalisten zum Weißen Haus unter Trump haben werden?

"Ein verf***tes Erschießungskommando" sei das Ganze gewesen, zitiert das Klatschblatt "New York Post" einen Teilnehmer. Trump habe die Anwesenden als Lügner beschimpft. Speziell CNN habe dabei eine Breitseite abbekommen. "Ich hasse Euren Sender", habe Trump gesagt, der während des Wahlkampfs viel Negatives über sich sehen und lesen konnte, nicht nur vom Nachrichtensender aus Atlanta, der ihn oft genug der Lüge überführt hatte.

Lieblingsfeind New York Times

Ob diese Worte exakt so gefallen sind? Vorstellbar ist es zumindest. Denn auch im Licht der Öffentlichkeit macht der künftige US-Präsident keinen Hehl aus seiner Abneigung gegenüber einem großen Teil der Presse. Über "the crooked media", die korrupten Medien also, im Agitatoren-Deutsch, die "Lügenpresse", liest man in Trumps Twitter-Timeline. Mehr als 60 Mal hat er allein die "New York Times" direkt angegriffen, seit er im vergangenen Jahr seine Kandidatur verkündete.

Dreizehn Tage nach der Wahl: Donald Trump wendet sich mit einer Videobotschaft an seine Landsleute. Eine Pressekonferenz hat er seit seinem Wahlsieg noch nicht einberufen, Journalisten aus unterschiedlichen Medienhäusern konnten ihm also bislang nicht auf offener Bühne Fragen stellen. Sehr unüblich für designierte US-Präsidenten. Doch das ist das Angenehme an einer Videobotschaft: Man kann seine Pläne für die ersten 100 Tage Präsidentschaft darlegen, wird dabei nicht unterbrochen und mit kritischen Nachfragen konfrontiert.

"Er ist sein eigenes Medien-Unternehmen und braucht die Presse nicht," sagt Mary E. Stuckey, Professorin für Kommunikationswissenschaft an der Georgia State University in Atlanta im DW-Gespräch. "Er scheint die Regeln der Demokratie nicht besonders zu achten und deshalb respektiert er auch die Rolle der Journalisten nicht."

#nofilter

Schon unter Barack Obama hat sich die Pressearbeit des Weißen Hauses massiv verändert. Obama ist wohl der erste US-Präsident, dem die direkte Kommunikation mit dem Volk via Internet gelang, ganz ohne den Filter traditioneller Medienhäuser. 17 Videos stellte Obamas Medienteam allein in der vergangenen Woche auf dem Youtube-Kanal des Weißen Hauses ein, der regelmäßig Millionenabrufe verzeichnet. Mehr als zwölf Millionen Menschen folgen "POTUS" auf Twitter, fast 20 Millionen schauen sich das an, wenn Obama mal wieder in einem lustigen Video auf Youtube zu sehen ist. 

Eine Medienagentur in Regierungshand sei das, bemängelten Kritiker. "Obama hat Twitter, Facebook und Co. benutzt, um Botschaften weiter zu verbreiten, die er schon der Presse gegenüber platziert hat", sagt dagegen Kommunikationswissenschaftlerin Stuckey. "Trump dagegen ignoriert die traditionellen Kanäle einfach." Obama hat zumindest regelmäßig Pressekonferenzen abgehalten, stellte sich Fragen in Interviews und ließ sich permanent von Journalisten im "Press Pool" begleiten.

Mit Pommes, ohne Presse

Auch mit dieser Gepflogenheit scheint Trump zu brechen. Dienstag vergangener Woche etwa fuhr der designierte Präsident mit Autokolonne, Frau, Tochter und Schwiegersohn zum "21 Club" in New York, wo ihn Journalisten nur zufällig bei Fritten und Edel-Burger sahen. Sein Presseteam hatte den Journalisten zuvor gesagt, für heute sei Feierabend bei den Trumps, Donald bleibe jetzt im Tower. Irgendwie sympathisch, mag mancher finden. Nicht so die Vereinigung der Korrespondenten im Weißen Haus.

"Es ist nicht hinnehmbar, dass der nächste Präsident der USA ohne einen regulären Presse-Pool reist, der die Öffentlichkeit über seinen Aufenthaltsort informieren kann", lässt dazu Jeff Mason, Reuters-Korrespondent im Weißen Haus und Präsident der White House Correspondents' Association wissen. Man erwarte, dass das Team um Trump das Versprechen halte, einem Pool von Journalisten die Berichterstattung über den gewählten Präsidenten zu ermöglichen.

Anstand und Abstand

So richtig daran glauben möchte zumindest Kommunikationswissenschaftlerin Stuckey nicht: "Die Medienverteter halten sich bislang Trump gegenüber an die Regeln des Anstands, die nur funktionieren, wenn sich alle daran halten. Das ist wie mit dem Schüler, der alle anderen schikaniert: Im Klassenzimmer ist der schlimm genug. Aber im Weißen Haus ist er besorgniserregend."

Vierzehn Tage nach der Wahl: Am heutigen Dienstag trifft Trump Journalisten und Manager der New York Times, bevor er zum Thanksgiving-Urlaub in seinen Club Mar-a-Lago nach Palm Beach fliegt. Kolumnisten und Reporter des Traditionsblatts sollen, nach einem kurzen Gespräch "off-the-record", die Möglichkeit haben, Trump Fragen zu stellen, seine Antworten aufzuschreiben und zu publizieren. Journalismus eben, wie er in Demokratien bislang üblich ist. Doch wenige Stunden vor dem Treffen sagte Trump selbiges ab. Per Twitter. Die New York Times habe Änderungen im Ablauf verlangt. "Nicht nett", findet Trump.

Eileen Murphy, Vize-Kommunikationschefin der Zeitung, hielt dagegen: Nicht die Times, sondern Trumps Team habe Änderungen verlangt. Unter anderem, dass nichts aus dem Treffen an die Öffentlichkeit gelangen dürfe. Dann der Rückzieher vom Rückzieher: Das Treffen soll nun doch stattfinden, inklusive Interviews. Trump und die Medien; wenn es überhaupt einen Beziehungsstatus gibt, dann den: kompliziert.

Und Trump dürfte weiterhin die bislang geltenden Normen im Umgang mit der Presse missachten. "Er sieht keinen Grund, sein Verhalten zu ändern", sagt Stuckey. "Bislang hat das für ihn gut funktioniert. Erst wenn es das nicht mehr tut oder wenn die Gegenwehr zu groß wird, werden wir einen anderen Trump sehen."