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Politik

Trumps Kehrtwende: Zu wenig, zu spät

Clare Richardson San Diego / rk
21. Juni 2018

Den 2300 Kindern, die von ihren Eltern getrennt wurden, helfe Trumps Kurskorrektur nicht mehr, sagen Aktivisten. Die Chancen, dass sie schnell wiedervereint werden, stehen zudem schlecht. Clare Richardson, San Diego.

USA Protest gegen die Trennung von Flüchtlingsfamilien
Bild: DW/C. Richardson

Mit rotem Filzstift malt Hugo Castro die Buchstaben auf einem selbstgebastelten Schild aus. "Familien gehören zusammen" steht darauf. Auch nach der Bekanntgabe von US-Präsident Donald Trump, die Familientrennungen an der Grenze von Mexiko zu beenden, will er an einer Demonstration teilnehmen, zu der an diesem Wochenende Tausende Menschen in San Diego erwartet werden. "Es ist nicht genug", sagt der Tijuana-Koordinator der Hilfsorganisation "Border Angels", die Einwanderern eine kostenlose Rechtsberatung anbietet und Wasser in jene heißen Wüstenabschnitte liefert, in denen Menschen oft tödliche endender Reisen auf sich nehmen, um von Mexiko in die USA zu gelangen.

Aktivisten: Wahrnehmung muss sich ändern

Auch wenn Aktivisten und Einwanderungsrechtsgruppen Trumps Politik-Umkehr begrüßt haben, sagen sie, die Änderung helfe den Kindern, die bereits traumatisiert wurden, nicht. Außerdem sprächen sie die tiefere Wurzel des Problems nicht an. "Wir müssen die Wahrnehmung ändern, die Donald Trump den Amerikanern einflößt, nämlich dass Migranten weniger wert sind als Menschen", sagt Castro zur DW.

Hugo Castro will weiter gegen die Einwandeurngspolitik Trumps protestierenBild: DW/C. Richardson

Am Mittwoch hatte Trump eine Exekutivanordnung unterzeichnet, um die Familientrennungen zu beenden. Die Null-Toleranz-Politik seiner Regierung aber, die jeden illegalen Migranten festnehmen und strafrechtlich verfolgen lässt - selbst beim Versuch, Asyl zu beantragen - bleibt bestehen.

Breite Empörung angesichtes der Familientrennungen

Vor allem die Praxis, Kinder von illegal eingereisten Migranten von ihren Eltern zu trennen und in Heimen unterzubringen, hatte in der Öffentlichkeit breite Empörung ausgelöst. Die Maßnahmen wurden als unwirksame, grausame Politik angesehen, die dem Wohlergehen der Kinder nachhaltig schaden könnten.

Bilder von Kindern, die von Maschendrahtzäunen umgeben waren und unter Notfalldecken auf dem Boden schliefen, wurden im Internet verbreitet. "Pro Publica", eine Non-Profi-Organisation für investigativen Journalismus, veröffentlichte Audio-Aufnahmen, auf denen weinende Kinder zu hören waren, die nach ihren Eltern riefen. Die Berichte lösten eine Welle wütender Appelle an die Regierung aus und sorgten für internationale Verurteilung.

Laut einer von der Quinnipiac Universität veröffentlichten Umfrage waren zwei Drittel der Amerikaner zuletzt gegen die Familientrennungen, eine Mehrheit der republikanischen Wähler unterstützte die Idee aber.

Von ihren Eltern getrennte Kinder schlafen auf Matten auf dem Boden, zugedeckt mit RettungsdeckenBild: picture-alliance/AP Photo/U.S. Customs and Border Protection

Einen Tag vor Trumps Kehrtwende stand eine Gruppe von Demonstranten vor einem Heim für Migrantenkinder in El Cajon, einer Stadt im Bezirk San Diego. In dem Heim waren einige der von ihren Eltern getrennten Kinder kürzlich untergebracht worden. "Ich bin kein sehr politischer Mensch, aber man muss sich einfach dagegen wehren", sagt Anthony, ein Bewohner der Stadt, der mit zweien seiner Kinder am Straßenrand stand und Schilder hochhielt. "Diese Menschen sind hierher gekommen, um Hilfe zu suchen, und stattdessen wurden diese Kinder von ihren Familien weggerissen. Ich finde, das ist falsch - vor allem, weil ich selbst Vater bin."

Schwierige Familienzusammenführungen

Trumps Kehrtwende nach dem großen öffentlichen Druck hilft den Kindern, die bereits von ihren Familien getrennt wurden, allerdings nicht. Die Chancen, dass sie schnell - wenn überhaupt - wieder mit ihren Eltern vereint werden, stehen schlecht. US-Regierungsbeamte sagten am Mittwoch, sie hätten keinen Plan, wie man Eltern und Kinder wieder zusammenbringe.

Viele der Kinder befinden sich bereits in Unterkünften, die von staatlich beauftragten gemeinnützigen Gruppen verwaltet werden und sich um jene Kinder kümmern, die in den USA als unbegleitete ausländische Kinder bezeichnet werden - Migrantenkinder also, die ohne Vormund in die USA gekommen sind. Laut amerikanischem Gesundheitsministerium verbringen Kinder im Durchschnitt knapp zwei Monate in solchen Einrichtungen. Während einige schließlich mit ihren Familien wiedervereint werden - wenn die Eltern in der Lage sind, ihr Strafverfahren abzuwenden - kommen andere Kinder in das ohnehin überlastete Pflegefamilien-System.

Umfassende Strafanzeigen und Strafen gegen Immigranten sind in den Vereinigten Staaten nichts Neues, aber die Null-Toleranz-Politik bedeutet, dass die Behörden jeden festnehmen müssen, auch Personen, die geringfügige Verstöße begangen haben.

Am Straßenrand protestierten Einwohner gegen die FamilientrennungenBild: DW/C. Richardson

"Historisch gesehen haben wir Migranten, wenn sie Asylsuchende waren, nicht strafrechtlich verfolgt. Es gab keine Notwendigkeit dafür, wenn man wusste, dass die Menschen gerade nur versucht haben, aus Sicherheitsgründen ins Land zu gelangen", sagt Bardis Vakili, Anwalt bei der American Civil Liberties Union (ACLU), der DW. "Mit Diskretion hat man versucht, herauszufinden, wen man anklagen sollte." Seine Organisation hat eine Sammelklage eingereicht und vertritt dabei Familien, deren Kinder an den Grenzübergängen weggebracht wurden.

Migranten werden wie Kriminelle behandelt

Kinder nun gemeinsam mit ihren Eltern auf unbestimmte Zeit in Haft zu nehmen, möge vielleicht etwas besser sein, als sie von ihren Eltern zu trennen, aber viele Menschen in San Diego sagen, dass die Probleme viel tiefer lägen und Trumps gefährliche Rhetorik gegenüber Latinos widerspiegelten. "Die Menschen sind es Leid, dass Opfer von Zwangsmigration wie Kriminelle behandelt werden", sagt Castro und bezieht sich dabei auf die Menschen aus Mittelamerika, die vor Gewalt in die USA fliehen. "Dies ist ein Land, das von Einwanderern erbaut wurde. Die Wahrnehmungen müssen sich ändern."

Einen Lichtblick sieht Castro aber: Das Chaos hat das Leid der Einwanderer an der Südgrenze der USA ins Rampenlicht gerückt und die Aufmerksamkeit jener Amerikaner auf sich gezogen, die sich sonst nicht dafür interessiert hätten - deren Unterstützung aber für die Reform der Einwanderungspolitik entscheidend ist.

Für die mehr als 2300 Kinder, die seit Anfang Mai von ihren Eltern getrennt wurden, ist der Schaden aber bereits angerichtet.

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