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Trumps "Madman-Taktik" und die Psychologie des Bluffens

18. März 2025

Der ehemalige US-Präsident Nixon hat die "Madman-Theorie", das Vortäuschen von Wahnsinn, als Mittel der Einschüchterung ausländischer Gegner erfunden. Doch Trump wendet sie sogar bei Verbündeten an. So funktioniert sie.

USA Washington 2025 | US-Präsident Trump empfängt ukrainischen Präsidenten Selenskyj im Weißen Haus
US-Präsident Donald Trump und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj gestikulieren wütend im Oval Office des Weißen Hauses.Bild: Saul Loeb/AFP/Getty Images

Blufft US-Präsident Trump, wenn er sagt, er werde die Kontrolle über den Panamakanal oder Grönland "so oder so" übernehmen? Oder dass er die USA aus der NATO zurückziehen will? Das lässt sich schwer sagen. Trump ist dafür bekannt, dass er seine Drohungen mal umsetzt oder auch wieder zurücknimmt.

Unberechenbarkeit ist ein Markenzeichen von Trumps Verhandlungsstil. Er hat ein Jahrzehnt in der Politik damit verbracht, bei Verhandlungen mit anderen Staatsoberhäuptern Metaphern des Glücksspiels zu verwenden und zu bluffen. 

Ein Beispiel dafür ist sein berühmt-berüchtigter Streit bei einem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj Ende Februar 2025 im Oval Office:

Trump: "Sie sind nicht in einer guten Position. Sie haben im Moment keine Karten in der Hand. Mit uns werden Sie anfangen, Karten zu haben."

Selenskyj: "Ich spiele keine Karten." 

Trump: "Doch, Sie spielen Karten. Sie spielen mit dem Leben von Millionen von Menschen. Sie spielen mit dem Dritten Weltkrieg." 

Bluffen, also die vorsätzliche Täuschung, war schon immer ein mächtiges Instrument der Diplomatie. Es ist ein Trick, um einen anderen Spieler umzustimmen, oft unter Androhung militärischer oder wirtschaftlicher Gewalt. Zu wissen, wann ein Bluff eine echte Bedrohung darstellt, ist Teil des Spiels. 

Im Fall von Selenskyj drohte Trump mit der Zurückhaltung von Gewalt - der militärischen und finanziellen Hilfe, die die USA der Ukraine bei ihrer Verteidigung gegen Russland gewährt hatten.

Doch Trump hat nicht geblufft. Tage später zogen die USA ihre militärische Unterstützung für die Ukraine zurück. Ebenso wenig hat Trump mit der Einführung von Handelszöllen gegenüber China, der EU, Mexiko und Kanada geblufft. Oder mit dem Rückzug der USA aus der Weltgesundheitsorganisation WHO oder der Streichung von Mitteln für die amerikanische Wissenschaft.

Die Überprüfung, ob Trumps Drohungen leer sind oder er sie wahr macht, ist somit "extrem schwierig", so Seden Akcinaroglu, Politikwissenschaftler an der Universität Binghamton, New York. Aber es gibt Möglichkeiten, die Handbücher der Diplomatie zu studieren, um seine strategischen Absichten zu verstehen.

Die Wahnsinnstheorie in der Diplomatie

Damit Bluffs ihr Ziel erreichen, nämlich Zwang auszuüben, muss eine Führungsperson ein glaubwürdiges und konsistentes Bild der Unberechenbarkeit aufrechterhalten.

"Selbst scheinbar leere Drohungen können ihre strategischen Ziele wirksam erreichen, wenn sie die Gegner einschüchtern oder die Unterstützung der eigenen Wählerschaft stärken", so Akcinaroglu gegenüber der DW.

Die nukleare Abschreckung ist ein Schlüsselbeispiel: Die Androhung von Atomschlägen und die Bereitschaft zur gegenseitig gesicherten Zerstörung (ironischerweise kurz MAD genannt) haben bis jetzt ihren Zweck erfüllt, einen thermonuklearen Krieg zu verhindern. "Aber es ist schwierig, die Aufrichtigkeit oder Glaubwürdigkeit von Bluffs zu beurteilen, wenn US-Präsidenten sie einsetzen", so Akcinaroglu.

Das Schüren von Unsicherheit ist eine der wichtigsten Taktiken von MAD. Richard Nixon prägte den Begriff der "Madman-Theorie" (zu deutsch "Theorie vom Verrückten"): Die Welt sollte glauben, dass der Präsident unzurechnungsfähig und zu irrationalem Handeln imstande sei. Die Regierung unter Nixon hoffte, auf diese Weise die schwierige Lage der USA im Vietnamkrieg beenden zu können.

"Die Madman-Theorie besagt, dass es bei schwierigen Verhandlungen hilfreich ist, als verrückt angesehen zu werden. Das ist besonders nützlich, wenn die Umsetzung von Drohungen sehr kostspielig ist", so Roseanne McManus, Politikwissenschaftlerin an der Pennsylvania State University, USA.

"Aber es ist sehr schwierig, den Unterschied zwischen echtem Wahnsinn und glaubwürdigem Bluff zu erkennen", so McManus gegenüber der DW.

Agiert der US-Präsident nach dem konservativen Drehbuch?

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Trump gibt sich als "Verrückter" bei Gegnern und Verbündeten 

Seit dem Kalten Krieg hat jede US-Regierung geblufft und mit Krieg gedroht - ob nuklear oder konventionell -, um ihre strategischen Ziele zu erreichen, selbst wenn das Ziel der Frieden ist. 

Trumps Wahnsinnsstrategie unterscheidet sich jedoch von der früherer US-Präsidenten darin, dass er sie sowohl gegen Gegner als auch gegen Verbündete einsetzt, so McManus.

"Seit Beginn seiner zweiten Amtszeit scheint Trump Russland entgegenzukommen, anstatt eine Wahnsinnsstrategie gegenüber Russland zu verfolgen. Stattdessen scheint Trump eine Madman-Strategie gegenüber Europa zu verfolgen", so McManus.

Seine Drohungen, sich aus dem NATO-Bündnis zurückzuziehen, gehen mit der zusätzlichen, verschleierten Drohung einher, dass er Europa möglicherweise nicht gegen künftige russische Angriffe verteidigen wird. Es bleibt jedoch unklar, welche Absichten er letztlich verfolgt.

Die Ungewissheit, die in seiner sonst so vertrauten Rhetorik steckt, macht es für andere Länder schwer einzuschätzen, wie Trump zu ihnen steht. 

Trump könnte ein mehrdimensionales Gedankenspiel spielen. 

Was verrät uns die Madman-Theorie über Trump?

Die kurze Antwort ist, dass sie uns nichts sagt - aber genau das ist der Punkt.

"Trump ist sich seines Rufs als Verrückter eindeutig bewusst und betrachtet ihn als Vorteil. Dennoch ist mir oft unklar, ob Trump die Madman-Theorie absichtlich anwendet oder nur seinen echten Impulsen folgt", so McManus.

McManus' Forschungen legen nahe, dass Führungspersönlichkeiten, die ihre Drohungen nie wahr machen, ihren Ruf als Verrückte verlieren. 

"Wenn Trump seine extremen Drohungen auch nur zum Teil wahr macht, wie kürzlich bei den Handelszöllen, kann er seinen Ruf als Wahnsinniger wahrscheinlich aufrechterhalten", so McManus.

Und das ist vielleicht Trumps größtes Glücksspiel: Ob er in seiner Diplomatie gegenüber allen Seiten den Verrückten spielt, hängt davon ab, ob er das durchhalten kann. Solange aber lässt er alle im Ungewissen.

 

Redaktion: Zulfikar Abbany 

 

Der Artikel ist ursprünglich auf Englisch erschienen

Quelle: 

Revisiting the Madman Theory: Evaluating the Impact of Different Forms of Perceived Madness in Coercive Bargaining by Roseanne W. McManus in the journal Security Studies (September 2019).