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Trumps Schreckgespenst Globalisierung

Daniel Derya Bellut
13. November 2016

Mit markiger Rhetorik gegen Globalisierung und Freihandel ist Donald Trump auf Stimmenfang gegangen - mit Erfolg. Bedeutet der Wahlsieg des Populisten das Ende der Globalisierung?

Symbolbild Globalisierung
Bild: picture-alliance/dpa

Donald Trump konnte den Kampf ums Weiße Haus auch deshalb für sich entscheiden, weil er die frustrierte Mittelschicht für sich gewinnen konnte - den sogenannten "angry white man". Viele seiner Reden waren von einer scharfen Anti-Globalisierung-Rhetorik geprägt. Er stellt die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit anderen Ländern in Frage. Er möchte Freihandelsabkommen wie NAFTA neu verhandeln und TTIP gar nicht erst zustande kommen lassen. Damit nicht genug: Nach China verlagerte Jobs will er zurückholen.

Solche Parolen kommen vor allem bei der weißen Mittelschicht gut an. Während die Reichen, auch wegen der weltweiten Verflechtung, immer reicher wurden, brachte sie der Mittelschicht eher keine Verbesserung des Wohlstandes. Fabrikarbeiter aus dem sogenannten "Rust Belt"  - eine einst blühende Industrieregion im Nordosten der USA - können immer schlechter ihren Lebensunterhalt bestreiten, trotz manchmal mehrerer, aber eben schlecht bezahlter Jobs. Trump macht Globalisierung und Freihandel für diese Missstände verantwortlich.

Bild: picture-alliance/AP Photo/R. D. Franklin

Anti-Globalisierung: Ein Stützfeiler des heutigen Populismus

Feindbilder sind eines der wichtigsten Mittel im Repertoire eines Populisten. Sie stiften Identität, Zusammengehörigkeit und lenken vom eigenen Versagen ab. Juden, Muslime, Bolschewiken, Zionisten, Amerikaner, Sozialdemokraten: Es gab schon immer Feindbilder, derer sich ein Populist bedienen konnte. Nun ist ein neues Feindbild hoch im Kurs: Die Globalisierung. Immer häufiger wird ein facettenreiches Phänomen auf eine vage Bedrohung heruntergebrochen.

Trumps Neo-Protektionismus ist kein Präzedenzfall. Globalisierungsgegner, die protektionistische Maßnahmen erwägen, gibt es mittlerweile überall. Der Brexit war nicht nur anti-europäisch, sondern auch eine Abkehr von Globalisierung  samt Masseneinwanderung. Auch der zurzeit in Frankreich sehr populäre Front National wirbt mit einem strengen Wirtschaftsprotektionismus. Weniger populistisch, aber umso entschlossener, erlebt man auch in Deutschland einen starken Widerstand gegen Freihandelsabkommen wie TTIP oder CETA.

Rolf Langhammer - ehemaliger Direktor des Instituts für Weltwirtschaft - erklärt sich diesen Trend dadurch, dass die globalen Wachstumsraten in den letzten Jahren schwächer geworden sind. Das habe die Verteilungskonflikte verschärft. Diese Distributionsprobleme würden von Rechtspopulisten auf die Globalisierung geschoben. Dabei sei der technische Fortschritt eher Quell des Übels.

Verschärfte Verteilungskonflikte: Rolf Langhammer, ehemaliger Direktor des Instituts für WeltwirtschaftBild: picture-alliance/ dpa

Das Ende einer Ära?

Markiert also der Beginn der Präsidentschaft von Donald Trump den Anfang vom Ende der wirtschaftlichen Globalisierung? Den Beginn einer Abwärtsspirale, die die Weltwirtschaft nach und nach auf eine wirtschaftliche Kleinstaaterei zurückführt? Zumindest deuten Zahlen des Globalisierungsindex des Logistikkonzerns Deutsche Post DHL darauf hin. Der Index zeigt, dass Auslandsinvestitionen, aber auch Handels- und Geldströme seit dem Beginn der Finanzkrise 2007 stetig zurückgegangen sind.

Gustav Horn - Direktor des Instituts für Makroökonomie - ist der Meinung, dass vor allem China dafür verantwortlich ist. Der Motor des Welthandels läuft schon länger nicht mehr rund. Horns Einschätzung nach könnten protektionistische Maßnahmen à la Trump den Welthandel noch weiter lähmen. 

Die plötzliche "Globalisierungs-Flaute" wurde vor einigen Jahren noch für unmöglich gehalten. Seit Jahrzehnten war man sich einig, dass Globalisierung die Probleme der Welt löst, den Armen nützt, Wohlstand mehrt. Besonders seit der Öffnung Chinas und dem Fall des Eisernen Vorhangs hatten der internationalen Handel und die Kapitalflüsse stetig zugenommen. Die erfolgreiche Integration eines EU-Binnenmarktes und die Herausbildung einer finanzstarken Mittelklasse in Indien, Russland und China haben die Kredibilität einer "wohltätigen" Globalisierung nur bestätigt.

Globalisierung: Antriebsfeder des Wohlstands

Diese beinahe euphorische Haltung zur Globalisierung ist vorübergehend verebbt. Der globale Welthandel stockt. Ein Globalisierungsgegner als Präsident der größten Volkswirtschaft der Welt. Populisten auf der ganzen Welt, die gegen Globalisierung und Freihandel wettern. Wird der Globalisierung - eine Entwicklung, die seit der Industrialisierung gewachsen ist - nun der Todesstoß versetzt?

Es ist unbestreitbar, dass der Globalisierung auch positive Effekte zu verdanken sind. Rolf Langhammer verweist darauf, dass sowohl Industrie- als auch Schwellenländer gleichermaßen von der Globalisierung profitiert haben. Hunderte Millionen Menschen in Schwellen- und Entwicklungsländern wurde aus der Armut geholfen, dadurch, dass sich nationale Märkte öffneten. Auch Gustav Horn bestätigt, dass sowohl reiche wie arme Länder gleichermaßen von der Globalisierung profitiert haben. Besonders China, Mexiko, Brasilien und Südafrika haben eine rasante Entwicklung durch den Welthandel erlebt. Dennoch mahnt Horn, dass der Wohlstand, der durch die Globalisierung erreicht wurde, besser verteilt werden müsse.

Europäischer Binnenmarkt: Ein Stabilisator

Auch in Europa hatte der Freihandel einen positiven Effekt. Durch den europäischen Binnenmarkt haben Länder in Süd- und Osteuropa deutlich an Wohlstand dazugewonnen. Von Spanien bis Rumänen - nach dem Beitritt zur Europäischen Union und somit zum gemeinsamen Binnenmarkt - hat sich der Lebensstandard in kürzester Zeit verbessert. Nicht nur das. In Europa war der Freihandel über nationale Grenzen hinweg ein Katalysator des Friedens und der Völkerverständigung. Die wirtschaftliche Verflechtung macht Kriege fast unmöglich. Weltweit hat die Globalisierung Menschen aus unterschiedlichsten Kulturen zusammengeführt. Wenn man sich also gegen die wirtschaftliche Globalisierung positioniert, unterstützt man nationale Alleingänge.

Motor des Welthandels läuft nicht mehr rund: Gustav Horn, Direktor des Instituts für MakroökonomieBild: picture-alliance/dpa

Protektionismus löst Probleme nicht

Trump möchte die USA abschotten und den weltweiten Handel beschränken. Der Plan, Freihandelsabkommen auf den Prüfstand zu stellen, würde aber der frustrierten amerikanischen Mittelschicht nichts bringen. Gustav Horn sagt, Trumps Wirtschaftspolitik würde langfristig der Realwirtschaft und den Finanzmärkten in den USA schaden. Aber noch viel wichtiger: Es nutzt der Mittelschicht rein gar nichts. Die Senkung der Reichensteuer wird die Ungleichheit noch mehr verschärfen und die Umverteilung von unten nach oben vorantreiben.

Beide Wirtschaftsexperten sind sich darüber einig:  Eine Wirtschaftspolitik, die Freihandelsabkommen beschneidet, wird die Probleme der amerikanischen Mittelschicht nicht lösen. Langhammer sagt, dass nicht die Globalisierung, sondern der technische Fortschritt ausschlaggebend ist. In Amerika gäbe es zwar viele Topuniversitäten, aber grundsätzlich ein ungleiches Bildungssystem. In einem von Hochtechnologie und nicht von Industrie geprägten Land hätten es gut ausgebildete Arbeitskräfte einfacher. Außerdem habe man es in den Industriestandorten wie dem "Rust Belt" versäumt, einen Strukturwandel zu vollziehen.

Die Globalisierung verhalf zu Wirtschaftswachstum, Wohlstand und Völkerverständigung. Durch die Angstmacherei von Populisten und Weltverbesserern wird die Globalisierung eher mit Risiken als mit Chancen in Verbindung gebracht. Ein Mangel an Umverteilung sowohl in Schwellenländern als auch Industrieländern hat in vielen Fällen komplexere Ursachen: Strukturwandel, Korruption, eine lahmende Weltwirtschaft. Die Liste ließe sich endlos fortschreiben. Das Rad der Globalisierung wieder zurückzudrehen ist nicht nur wenig zielführend, sondern fördert letzten Endes wirtschaftliche und soziale Isolation. Für mehr Wohlstand steht eine solche Entwicklung nach Lage der Dinge nicht. 

 

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