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Trumps und Clintons Kampf um die Frustrierten

Michael Knigge4. September 2016

Viele Amerikaner sind enttäuscht von den Präsidentschaftskandidaten der großen Parteien. Clinton oder Trump - wem es besser gelingt, diese frustrierten Wähler zu binden, der hat einen klaren Vorteil.

Boldkombo Hillary Clinton Donald Trump Emotionen
Bild: picture-alliance/dpa/M.Altaffer/N.Shohov

Drei Zahlen veranschaulichen Donald Trumps und Hillary Clintons Dilemma bei der Präsidentschaftswahl. Clinton wird von 53 Prozent, Trump von 61 Prozent der wahrscheinlichen Wähler negativ bewertet. Gleichzeitig sagen 37 Prozent der Befragten, dass sie sich vorstellen können, jemand anderen außer den beiden Präsidentschaftskandidaten der großen Parteien zu wählen. Für Clinton und Trump ist das eine heikle Gemengelage.

Deshalb ist es für sie wichtig, möglichst viele dieser frustrierten Wähler davon abzuhalten ihr Gedankenspiel in die Tat umzusetzen und tatsächlich einen Drittkandidaten zu wählen. Dies gilt besonders, da die Präsidentschaftskandidaten der Libertarian Party, Gary Johnson, und der Green Party, Jill Stein, mit rund zehn und rund vier Prozent in den Umfragen derzeit ungewöhnlich gut abschneiden.

Um die Abkehr enttäuschter Wähler zu verhindern, haben Trump und Clinton zwei Alternativen. Sie können entweder versuchen, diese Wählergruppe zu überzeugen, dass sie doch die beste Option für sie sind. Aufgrund der tiefsitzenden Abneigung vieler Bürger gegenüber Clinton und Trump könnte dies schwierig werden. Oder aber sie gestehen offen, dass sie zwar möglicherweise nicht die erste Wahl sind, dass aber eine Entscheidung für einen anderen Kandidaten zu einem noch schlechteren Ergebnis führen würde.

Wer wird am meisten gehasst?

Diese Art von Wahl - die bewusste Nichtwahl des eigentlich bevorzugten Kandidaten zugunsten eines anderen - wird als strategisches Wahlverwalten bezeichnet. Experten glauben, dass strategisches Wählen bei der Präsidentschaftswahl eine Rolle spielen könnte, besonders in umkämpften Bundesstaaten, in denen wenige Prozente über Sieg oder Niederlage entscheiden können.

Robert Shapiro, ein Columbia University-Professor, der sich mit politischer Polarisierung befasst, glaubt, das der Wettkampf zwischen den zwei bislang unbeliebtesten Präsidentschaftskandidaten strategisches Wahlverhalten beflügeln könnte. "Es könnte am Ende darauf hinauslaufen, welchen Kandidaten die Menschen am meisten hassen."

Strategisches Wahlverhalten "wird ein Faktor in dieser Wahl werden", betont auch Barry Burden, Direktor des Wahlforschungszentrums an der University of Wisconsin-Madison. Erstens, erläutert er, weil viele Wähler schlicht nach einer Alternative zu Trump und Clinton suchten. Und zweitens, so Burden, weil die Drittpartei-Kandidaten Johnson und Stein von vielen Wählern als ernsthafte Option angesehen würden.

Die bloße Stimmabgabe für Johnson oder Stein, weil sie attraktiver erscheinen als Trump oder Clinton, ist jedoch noch kein strategisches Wahlverhalten. Eine strategische Wahl wird es erst, wenn Wähler ganz bewusst nicht ihrem eigentlichen Favoriten die Stimme geben, sondern der zweit- oder drittbesten Alternative. "Sie tun dies, weil sie besorgt sind, dass die Stimmabgabe für ihren Favoriten nicht dazu führen wird, die Person, die ihrer Ansicht nach gewählt werden soll dann auch gewählt wird", sagt Burden.

Starke Libertarians

Zwar sind sowohl Clinton und Trump bei vielen Amerikanern äußerst unbeliebt, der republikanische Präsidentschaftskandidat kommt jedoch generell noch etwas schlechter weg als seine demokratische Kontrahentin. Zudem steht Trump mit den früheren republikanischen Gouverneuren Gary Johnson und William Weld ein starkes und erfahrenes libertäres Duo gegenüber, das nicht nur für die libertäre Basis, sondern auch für gemäßigte Republikaner attraktiv sein könnte. Ein Zeichen für die Stärke der Libertären ist die Tatsache, dass Johnson, im Gegensatz zu anderen Drittpartei-Kandidaten, nicht an Zuspruch verloren hat, obwohl die Wahl näher rückt.

Clintons Drittpartei-Gegnerin auf der linken Seite des politischen Spektrum, Jill Stein von den Grünen, bereitet den Demokraten dagegen weniger Sorgen als Johnson für Trump auf der rechten Seite. Natürlich ist Stein für das linke Spektrum der Demokratischen Partei ebenso attraktiv wie für noch immer enttäuschte Bernie Sanders-Wähler.

Dennoch werden sich linke Demokraten sehr genau überlegen, ob sie wirklich für Stein stimmen, sagt Burden. Vielen ältere Demokraten, so Burden, sitzt noch immer das Wahljahr 2000 in den Knochen. Im Rennen zwischen dem Republikaner George W. Bush und dem Demokraten Al Gore, erhielt der Kandidat der Grünen, Ralph Nader, 2,7 Prozent der Stimmen. Dadurch verhinderte Nader nach Meinung vieler Demokraten einen Wahlsieg von Gore. Diese Interpretation des Wahlausgangs wurde zwar von Nader und anderen zurückgewiesen, sie bleibt aber wirkmächtig.

Historische Lehre

Aus der Wahl im Jahr 2000 zogen viele Demokraten eine Lehre, so Burden: "Die Demokraten waren nach der Wahl sehr sauer auf Nader und machten ihn für die Niederlage verantwortlich. Viele schwörten sich, niemals wieder für einen Drittpartei-Kandidaten zu stimmen." Das hat für die diesjährige Wahl zur Folge, erklärt Burden, dass "die Progressiven, die Stein gut finden, sich sorgen, dass eine Stimme für Stein zu einer noch schlimmeren Option führen könnte, nämlich Trump im Weißen Haus. Und deswegen werden sie besonders in engen und umkämpften Staaten zu Clinton zurückkommen je näher der Wahltag rückt."

Jill Stein wirbt um die Stimmen linker DemokratenBild: picture-alliance/Geisler-Fotopress/D. Van Tine

Zwist bei den Republikanern

Während viele Demokraten sich der Bedeutung des strategischen Wahlverhaltens sehr bewusst seien, befassten sich republikanische Wähler eher weniger damit, sagt Burden. Der Grund: Es sei einfach schon lange her, dass die Partei davon betroffen war. "Es gibt viele Republikaner, die sagen, dass sie Clinton wählen, weil sie auf jeden Fall die Wahl von Trump verhindern wollen", sagt Shapiro. "Dagegen gibt es keine frustrierten Demokraten, die Trump wählen werden".

Was Trump mit zur Kandidatur verhalf - die Tatsache, dass die Enttäuschung und Spaltung auf der rechten Seite des politischen Spektrums sogar noch größer ist als links - könnte jetzt seine Aussichten schmälern enttäuschte Wähler für sich zu gewinnen. Zum Vergleich: Bernie Sanders, Clintons schärfster innerparteilicher Rivale, hat ihr letztendlich doch seine Unterstützung zugesagt - zumindest nominell. Ted Cruz dagegen, Trumps schärfster interner Kontrahent, hat dem republikanischen Kandidaten dagegen ausdrücklich die Gefolgschaft verweigert.

Angesichts des Zwists im rechten Lager ist es für Trump, der in den Umfragen hinter Clinton liegt, deshalb wichtig, den libertären Kandidaten Gary Johnson auf Distanz zu halten, will er noch eine halbwegs realistische Chance auf den Wahlsieg aufrecht erhalten. Trumps Rezept müsse daher wie folgt lauten, so Burden: "Die Libertären wenn möglich von den TV-Debatten fernhalten und versuchen, sie an Bord zu holen. Bislang ist das jedoch nicht passiert."

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