Trumps Zölle gegen Brasilien könnten nach hinten losgehen
31. Juli 2025
Die Verhängung von hohen Strafzöllen gegen Brasiliens Wirtschaft und von Sanktionen gegen den Bundesrichter Alexandre de Moraes haben in Brasilien heftige Reaktionen ausgelöst. Präsident Luiz Inácio Lula da Silva verurteilte die Einmischung der USA in die brasilianische Justiz als "inakzeptabel". Die politische Motivation hinter den Maßnahmen würden die nationale Souveränität Brasiliens und die historischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern untergraben, erklärte Lula.
Die Regierung von Donald Trump hat brasilianische Importe in die USA ab dem 6. August mit Zöllen von 50 Prozent belegt. Allerdings wurden überraschenderweise rund 700 Produkte von den Zöllen ausgenommen. Damit liegt der durchschnittliche Zoll für brasilianische Güter laut Experten aber immer noch bei rund 30 Prozent, während die EU und Japan mit 15 Prozent belegt wurden. Neben angeblichen Ungleichgewichten im bilateralen Handel begründen die USA die Zölle auch mit dem Prozess gegen den ehemaligen Präsidenten Jair Messias Bolsonaro (2019-2022), dem der Richter Moraes vorsitzt.
Die zusätzlich erlassenen persönlichen Sanktionen gegen Moraes erfolgen im Rahmen des Magnitsky Act, der bisher nur gegen Kriminelle und Diktatoren angewendet wurde. Moraes droht unter anderem das Einfrieren von Vermögenswerten in den USA. Zuvor hatte Washington bereits die Einreisevisa für Moraes und weitere Richter des Obersten Gerichts aufgehoben.
Missbrauch des Magnitsky Acts
"Der Magnitsky Act war bereits früher gegen Feinde der Vereinigten Staaten angewendet worden, hatte aber immer noch eine menschenrechtliche Grundlage. Aber wenn Trump ihn nun zum ersten Mal gegen einen Richter in einer Demokratie anwendet, zerreißt er die menschenrechtlichen Grundlagen dieses Gesetzes", sagt der Soziologe Demétrio Magnoli gegenüber der DW.
Laut Magnoli setzt Trump Zölle typischerweise als Waffe im Handelskrieg ein. "Aber im Fall Brasiliens nutzt er sowohl die Zölle als auch den Magnitsky Act aus politischen und ideologischen Gründen. Ein weltweit einmaliger Fall und ein direkter Angriff auf ein demokratisches Land und einen Verbündeten der USA."
Richter Moraes ist dem rechten Lager in den USA um Donald Trump ein Dorn im Auge, seit er in 2024 für mehrere Wochen die Plattform X sanktionierte. So forderte er die Schließung diverser Nutzerkonten, die gegen brasilianisches Recht verstoßen hatten. X-Eigentümer Elon Musk forderte deshalb die Amtsenthebung von Moraes.
Trump sieht eine "Hexenjagd" gegen Bolsonaro
In Trumps Fadenkreuz geriet Moraes durch den Prozess gegen dessen Verbündeten Bolsonaro. Dem Ex-Präsidenten wird vorgeworfen, Ende 2022 einen Putsch gegen seinen Nachfolger Lula geplant zu haben. Bolsonaro und seine Mitangeklagten verneinen dies, Trump spricht von einer Hexenjagd. Bolsonaro drohen bis zu 40 Jahre Haft.
In den vergangenen Jahren hatte Moraes bereits gegen Bolsonaro unter anderem wegen der Verbreitung von Falschnachrichten ermittelt und zahlreiche seiner Anhänger wegen des Sturms des Regierungsviertels in Brasília im Januar 2023 verurteilt. Vom linken Lager um Lula deshalb als Verteidiger der Demokratie gefeiert, ist er für Brasiliens und nun auch für Amerikas Rechte ein rotes Tuch.
Ausnahmen von den Strafzöllen
Dass Trump entgegen seiner Ankündigung von vor zwei Wochen nun zahlreiche Zoll-Ausnahmen zulässt, zeige, dass Brasilien in der Zwischenzeit gut mit den Amerikanern verhandelt habe, sagt Guilherme Casarões, Politikwissenschaftler des Think Tanks "Fundação Getúlio Vargas", gegenüber der DW. "Das zeigt aber auch deutlich, dass Trumps Motivation weniger kommerzieller als vielmehr politischer Natur ist. Zumal Brasilien schließlich ein Handelsdefizit gegenüber den USA hat."
Laut Casarões stehen drei wesentliche politische Faktoren hinter Trumps Attacke auf Brasilien: Erstens die engen Beziehungen Brasiliens zu China, was Brasilien zum Schlachtfeld im geopolitischen Konflikt zwischen China und den USA macht. Der zweite Grund sei ideologischer Natur: Trump müsse seine Verbündeten weltweit unterstützen. Und drittens die wirtschaftlichen Interessen der US-amerikanischen Tech-Konzerne. "Sie wollen keine Regulierung der sozialen Medien."
In Brasilien haben Trumps Angriffe vor allem in Sozialen Netzwerken eine nationalistische Welle ausgelöst. Nicht zu Unrecht, sagt der Soziologe Celso Rocha de Barros gegenüber der DW. Er stuft die "amerikanische Intervention gegen den brasilianischen Obersten Gerichtshof" als "inakzeptable imperialistische Aggression" ein. Die Regel für Verhandlungen mit den USA müsse künftig lauten: "Wirtschaftsabkommen aushandeln, ohne in demokratischen und politischen Fragen auch nur einen Zentimeter nachzugeben."
Moraes wird gestärkt
Für Rocha de Barros geht Moraes gestärkt aus dieser Episode hervor. Selbst Richter des Obersten Gerichtshofs, die Bolsonaro gegenüber positiver eingestellt sind als Moraes, würden nun nicht den Eindruck erwecken wollen, sie würden eine von Trump angeführte ausländische Intervention gegen ihr eigenes Gericht unterstützen.
Für Demétrio Magnoli finden die Angriffe auf Moraes bei vielen Brasilianern durchaus Anklang. Er weist darauf hin, dass ein großer Teil der Bevölkerung unzufrieden mit dem Obersten Gericht sei. Grund seien die überhöhten Gehälter der Justiz, aber auch die nach Magnolis Meinung zu hohen Strafen gegen die an den Unruhen von Januar 2023 beteiligten "nützlichen Idioten des Bolsonaro-Lagers". Auch habe Moraes in den Prozessen gegen Bolsonaro zu viel Macht auf sich vereint.
Derweil biete Trumps Attacke auf Brasilien für den in Umfragen angeschlagenen Präsident Lula aber eine Chance, analysiert Magnoli. Sollte es Lula gelingen, den Kongress für Hilfsmaßnahmen für die von Trumps Sanktionen getroffene Wirtschaft zu gewinnen, könnte dies seiner angeschlagenen Popularität helfen. Es wäre das Gegenteil von dem, was sich Trump mit dem Angriff versprochen hatte.