Trumps Zollchaos - China positioniert sich in Lateinamerika
13. Mai 2025
Brasilien plant eine Eisenbahnverbindung zum neuen peruanischen Großhafen Chancay, den China finanziert hat. Damit will das Land seine Exporte und Importe langfristig neu ordnen und die Warenströme absichern. Das brasilianische Wirtschaftsmagazin Valor prognostiziert, dass das chinesische Interesse an Investitionen in Brasilien wieder wachse. Kolumbien denkt nach Medienberichten zumindest darüber nach, dem sogenannten chinesischen Seidenstraßenprojekt beizutreten und Venezuela strebt eine engere Kooperation mit chinesischen Ölkonzernen an.
Solche Meldungen aus den letzten Tagen deuten darauf hin, dass die von US Präsident Donald Trump verhängten Strafzölle gegen lateinamerikanische Länder dafür sorgen, dass sich die Region eher weiter an China annähert, als sich von Peking zu lösen.
China verfolgt langfristigere Ziele
Derzeit sorgt der Handelskonflikt vor allem für Ungewissheiten: "Das Wichtigste vor allem für Lateinamerika ist zu lernen, wie die neuen Spielregeln jetzt funktionieren. Was wir derzeit beobachten, ist eine Menge Unsicherheit, ständige Veränderungen und das Fehlen von klar definierten Spielregeln", sagt Vladimir Rouwinski von Research Center der Universität Icesi in Cali (Kolumbien) im Gespräch mit der Deutschen Welle. Praktisch jede Woche gibt es aus Washington neue Meldungen, Ankündigungen und Forderungen, die es für die andere Seite schwer macht, sich auf die ständig verändernde Lage einzustellen.
China dagegen scheint an seiner langfristigen Strategie festzuhalten. "China wird nicht darauf erpicht sein, seine Strategien einfach von einer Woche auf die andere zu ändern", meint Rouwinski. Peking sei eher dafür bekannt seine Pläne und Ziele langfristig zu verfolgen und umzusetzen. "Es besteht allerdings die Möglichkeit, dass China seine Präsenz ausbaut und Lateinamerika kurzfristig als Stützpfeiler nutzt", so Rouwinski.
China erscheint vertrauenswürdiger
Ähnlich sieht es Enrique Dussel-Peters, Koordinator des Zentrums Mexiko-China-Studien der Universität UNAM in Mexiko-Stadt: "China ist seit mehreren Jahrzehnten besonders aktiv in seiner Süd-Süd-Kooperationsstrategie. Der chinesische Außenminister Wang Yi betonte Anfang März die Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen China und Lateinamerika: eine Beziehung, die auf gegenseitigem Respekt, Gleichheit und gegenseitigem Nutzen basiert. Der Kontrast zu den Exekutivverordnungen des US-Präsidenten seit seinem Amtsantritt im Januar könnte nicht größer sein."
Handel, Investitionen und Infrastrukturprojekte mit China hätten heute einen erheblichen Einfluss auf die Region Lateinamerika und die Karibik, so der Experte. "In der aktuellen Konfrontation zwischen den USA und China hat sich Peking als vertrauenswürdiger und langfristiger Partner erwiesen."
Lateinamerika - Problem oder Chance?
Es gebe zwischen der Betrachtungsweise der Region unterschiedliche Ansätze, sagt der brasilianische Politikwissenschaftler und China-Experte Mauricio Santoro gegenüber der DW: "Die US-Regierung betrachtet Lateinamerika als Problem. Die chinesische Regierung sieht dagegen eine Region mit wirtschaftlichen Chancen."
Dieses Muster habe nicht erst mit Trump begonnen, sondern tauche mindestens seit Beginn dieses Jahrhunderts immer wieder auf. "Die politische Agenda des derzeitigen US-Präsidenten hat jedoch verschiedene Spannungen mit Lateinamerika in Bereichen wie Handel, Migration und organisierte Kriminalität verschärft. Die Agenda Washingtons für die Region ist stark negativ geprägt, konzentriert sich auf Schwierigkeiten und hat wenig zu bieten in Bezug auf vorteilhafte Abkommen und Perspektiven für gegenseitigen Nutzen", sagt Santoro.
USA und China bleiben beides wichtige Handelspartner
Im Gegensatz dazu habe das rasante Wirtschaftswachstum Chinas in den letzten Jahrzehnten zu einem exponentiellen Anstieg seines Handels mit Lateinamerika geführt. Oft sind die Chinesen der größte oder zweitgrößte Handelspartner der Länder der Region. Mit Brasilien beispielsweise sei der Umfang des bilateralen Handels von 1 Milliarde US-Dollar im Jahr 2000 auf derzeit über 130 Milliarden US-Dollar gestiegen.
"Die lateinamerikanischen Länder wollen und können sich nicht zwischen den USA und China entscheiden", sagt Santoro, denn beide Länder seien für jeweiligen Wirtschaftsräume sehr wichtig. Derzeit sei jedoch ein Rückgang des amerikanischen Einflusses und ein Anstieg der chinesischen Präsenz in der Region zu beobachten. "Der Umgang mit dieser neuen Situation stellt für Washington eine größere Herausforderung dar, da die in der Vergangenheit eingesetzten Zwangsmittel zumindest für die größten und vielfältigsten Nationen der Region wie Brasilien, Mexiko und Argentinien nicht mehr funktionieren."
Lateinamerika: künftig wichtiger Absatzmarkt für China
Ähnlich sieht es der brasilianische Autor und Wirtschaftsjournalist Gilvan Bueno: "Chinas Exporte sind seit Beginn des Handelskrieges um mehr als 60 Prozent zurückgegangen", sagt Bueno im Gespräch mit der DW. "Lateinamerika wird ein Ziel der Chinesen sein, da sie neue Strategien und eine geopolitische Diversifizierung entwickeln müssen, um nicht so abhängig von der amerikanischen Wirtschaft zu sein."
Auf dieser Grundlage sei davon auszugehen, dass Afrika und Lateinamerika jene neuen Akteure sein könnten, um die eigene Produktion abzusetzen und den Rückgang der chinesischen Exporte um mehr als 60 Prozent aufzufangen.