Tschechien: Abschied vom Kohlebergbau mit Zukunftssorgen
9. Dezember 2025
Vor Kurzem explodierte in der tschechischen Energiewirtschaft eine Zeitbombe. Einer der größten Kohleförderer und Eigentümer von Kohlekraftwerken in der Tschechischen Republik, der Milliardär Pavel Tykac, gab bekannt, dass er drei große Kohlekraftwerke schließen werde - die Kraftwerke in Pocerady, Chvaletice und Kladno. Die Kraftwerke mit einer Gesamtleistung von 2400 Megawatt produzieren ein Zehntel des Stroms in Tschechien.
"Es handelt sich um eine kommerzielle Entscheidung, und aus kommerzieller Sicht ist die Sache erledigt", sagte Tykac Ende November im Podcast "Stepeni". Der Grund dafür ist die Belastung der Stromerzeugung aus Kohle durch EU-Emissionszertifikate. "Als Kohlekraftwerke wären wir eine der günstigsten steuerbaren Energiequellen auf dem Markt. Wir haben geringere variable Kosten als Kernkraftwerke, die aufgrund der nuklearen Sicherheit recht hohe laufende Kosten haben", sagte Tykac. "Was uns zum Verlust führt, ist die Zertifizierung. Und genau dafür war die Zertifizierung gedacht - damit Kohle ausläuft", fügte er hinzu.
"Die wirtschaftliche Lage in der traditionellen Energiewirtschaft ist für alle Energieerzeuger, die heimische Braunkohle nutzen, sehr ungünstig", erklärte Eva Marikova, Sprecherin von Tykacs Holding Seven Ceska energie, gegenüber der DW. "Die Aussichten für die Marktpreise für Strom und Emissionszertifikate für das kommende Jahr und sicherlich auch für die folgenden Jahre deuten auf einen deutlichen Rückgang der Wirtschaft und die Gefahr dauerhafter Verluste hin", so Marikova.
Der tschechische Staat hat jedoch eine Notbremse: Er kann die Weiterführung des Kraftwerksbetriebs anordnen, wenn er feststellt, dass Tschechien ohne diese Kraftwerke nicht auskommt. In diesem Fall muss er jedoch den Kraftwerksbesitzern die durch den Weiterbetrieb entstandenen Verluste ersetzen. Nach Schätzungen von Analysten würde dies den tschechischen Staat jährlich Hunderte Millionen Euro kosten.
Die Tykac-Gruppe Seven Ceska energie, zu der die genannten Kohlekraftwerke und der Kohlebergbau gehören, hat laut der tschechischen Zeitung Hospodarske noviny im vergangenen Jahr einen Nettoverlust von 2,1 Milliarden Kronen (rund 87 Millionen Euro) verzeichnet. Die Kosten für die Erzeugung einer Megawattstunde werden derzeit zum größten Teil durch Emissionszertifikate verursacht. Ausgehend vom aktuellen Erzeugerpreis von 85 bis 90 Euro beläuft sich der Preis für ein Emissionszertifikat auf 82 Euro. Ohne dieses Zertifikat würde Strom nur einen Bruchteil dieses Preises kosten. "Die Kosten für Kohle, Mitarbeiter und andere Dinge machen nur sechs Euro pro Megawattstunde aus", erklärte Tykac.
Aufschwung und Zerstörung
Insgesamt werden die Braunkohletagebaue auf der anderen Seite des Erzgebirges an der Grenze zu Deutschland in Nordböhmen in den Regionen Sokolov und Chomutov im Jahr 2030 stillgelegt. Als letztes wird wahrscheinlich das Bergwerk Bilina in Betrieb bleiben, wo das Bergbauunternehmen Severoceske doly aus der halbstaatlichen Gruppe CEZ mit dem Ende des Abbaus im Jahr 2033 rechnet.
Der Abbau des "schwarzen Goldes", wie Kohle in Tschechien genannt wird, trug zwei Jahrhunderte lang zum enormen industriellen Aufschwung Nordwestböhmens bei. Aber er zerstörte auch die einst schöne und romantische Landschaft mit ihren weltberühmten Kurorten wie Teplice oder Karlsbad.
Den riesigen Braunkohletagebauen, die sich über mehrere hundert Quadratkilometer erstrecken, fielen Hunderte von Orten zum Opfer, darunter auch die historische Königsstadt Most mit Hunderten von gotischen Häusern und anderen Sehenswürdigkeiten.
Seenlandschaft wird entstehen
Die Emissionen von Kohlekraftwerken, Chemiefabriken und anderen Betrieben zerstörten in den 1970er und 1980er Jahren auch einen Großteil der Wälder im Erzgebirge. "Die Einwohner von Usti nad Labem, wo damals die Luftverschmutzung in ganz Tschechien am höchsten war, erhielten einen Sonderzuschlag, der als "Sterbegeld” verspottet wurde. Er sollte die Tatsache ausgleichen, dass die Menschen hier nachweislich einige Jahre weniger alt wurden als der Durchschnitt in Tschechien", sagt der Historiker Jan Grisa, der an der Philosophischen Fakultät der Jan-Evangelista-Purkyne-Universität in Usti nad Labem, der Metropole Nordwestböhmens, tätig ist, der DW.
Laut Grisa verbesserte sich die Umweltsituation erst mehr als zehn Jahre nach dem Fall des Kommunismus Ende der 1990er Jahre deutlich, als moderne Technologien die Schadstoffemissionen von Chemiefabriken und Kohlekraftwerken erheblich reduzierten und auch der Kohleabbau in Tagebauen umweltfreundlicher wurde. Mit dem Ende des Bergbaus wird unterhalb des Erzgebirges auf dem Gebiet der ehemaligen Bergwerke, ähnlich wie in der deutschen Lausitz, eine Seenlandschaft entstehen.
Auch keine Steinkohle mehr
In einem anderen Teil Tschechiens, im Norden Mährens und Schlesiens rund um die Metropole Ostrava, wird in diesen Monaten der Untertagebau von Steinkohle eingestellt. Und das nach 250 Jahren. Die Steinkohle machte die Region Ostrava, ähnlich wie das nahe gelegene polnische Katowice, zu einem der Zentren der Schwer- und Metallindustrie in ganz Europa. Bis heute leben in diesem Ballungsraum deshalb fünf Millionen Menschen, was ihn zu einem der größten zusammenhängenden Wohngebiete Mitteleuropas macht.
Die letzte Mine bei Karvina wird Ende Januar 2026 die letzten Tonnen hochwertiger Steinkohle fördern, aber bereits Ende November 2025 wurde mit der Verschüttung der Stollen begonnen.
Seit 1770 wurden im Ostrava-Gebiet nach Schätzungen von Experten 1,7 Milliarden Tonnen Steinkohle gefördert. Geologen gehen jedoch davon aus, dass sowohl hier als auch in anderen Teilen Tschechiens noch rund zwei Milliarden Tonnen Steinkohle unter der Erde lagern.
Das Ende der "Kohleära" trifft Tschechien aus energetischer Sicht unvorbereitet. Tschechien, einer der größten Stromexporteure in der EU, exportierte im vergangenen Jahr 6,4 Terawattstunden Strom. Aufgrund der Einstellung des Kohleabbaus und des langsamen Baus neuer Kernkraftwerksblöcke wird Tschechien nach 2030 zum Stromimporteur werden.
Die neuen Blöcke des Kernkraftwerks Dukovany mit einer Leistung von über 2200 Megawatt, die den Verlust von bis zu 40 Prozent der Stromerzeugung ausgleichen sollen, die Tschechien bisher aus Kohle erzeugt, sollen erst nach 2036 in Betrieb genommen werden.
Laut Eurostat sind die tschechischen Strompreise, umgerechnet auf die Kaufkraft der Bevölkerung, bereits jetzt die höchsten in der Europäischen Union. Das Ende des "Kohlezeitalters" in Tschechien ist daher kein Grund zum Feiern, sondern eher Anlass zur Sorge.