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Tschechien bietet Elch Emil ein neues Zuhause

Lubos Palata (aus Prag)
1. Oktober 2025

Wochenlang ist der Elch Emil durch Tschechien und Österreich gezogen. Nun soll er im Böhmerwald angesiedelt werden. Doch Emil hat andere Pläne: Inzwischen ist er nach Bayern weitergewandert.

Ein Elch liegt umgeben von Bäumen und grünem Laub auf dem Waldboden und blickt direkt in die Kamera
Elch Emil in einem Waldstück bei Hargelsberg in Oberösterreich im September 2025Bild: Bernadette Kerschbaummayr/Team Fotokerschi/APA/dpa/picture alliance

Für Hunderttausende Tschechen wird der Sommer 2025 mit dem Namen Emil verbunden bleiben. Das war der Name, den Internetnutzer einem jungen Elchbullen gegeben hatten, der wochenlang durch Tschechien und Österreich gezogen war. Der Name soll sich auf Emil Zatopek beziehen, einen tschechischen Langstreckenläufer und vierfachen Olympiasieger.

Ein Langstreckenläufer ist auch Elch Emil. Er kam im Juni 2025 aus Polen, wo es eine relativ große Elchpopulation von etwa 40.000 Tieren gibt, nach Tschechien. Von dort aus machte er sich auf den Weg nach Süden über Mähren nach Österreich. Mehr als 500 Kilometer legte er zurück. Dabei wanderte er auf Pfaden, die vor Tausenden Jahren schon von Mammut-Herden auf ihrem Weg nach Süden genutzt worden waren.

Ein Elch auf Wanderung

Elche waren in Tschechien fast 500 Jahre lang ausgestorben. Erst seit einigen Jahrzehnten gibt es im Böhmerwald wieder eine kleinen Gruppe von zehn bis zwanzig Tieren. Emil löste daher Begeisterung aus, als er in Tschechien auftauchte. Und da er nur eine geringe Scheu gegenüber Menschen hatte, spazierte er einfach durch die Straßen von Dörfern und Städten, übernachtete in Gärten und fand dort manchmal sogar etwas zu fressen. Durch viele Fotos und Videos wurde der menschenfreundliche Elch zum Star der Medien und sozialen Netzwerke - erst in Tschechien und dann in Österreich, wo er im August ankam. Emil hat eine eigene Facebookseite und eine Fanpage

Auf seiner Wanderung musste der Elch viele Hindernisse überwinden. In Österreich schwamm er zweimal durch die Donau und brachte mehrmals den Verkehr auf Autobahnen und Eisenbahnstrecken zum Erliegen. Um den Verkehr nicht zu gefährden und das Tier zu schützen, beschloss die Regierung des Bundeslandes Oberösterreich gegen den Widerstand von Naturschützern, den Elch zu betäuben und ihn nach Norden an die Grenze zum tschechischen Nationalpark Sumava im Böhmerwald zu bringen und dort auszusetzen.

Ein fast menschenleerer Naturraum

Dieser Nationalpark bildet zusammen mit dem Naturschutzgebiet Sumava und dem angrenzenden deutschen Nationalpark Bayerischer Wald ein 1300 Quadratkilometer großes Gebiet mit hohem Naturschutzstatus. Der fast menschenleere Naturraum entstand durch die Vertreibung der Sudetendeutschen nach 1945. Drei Jahre später wurde hier, an dieser südlichen Grenze zwischen West und Ost vom damals herrschenden totalitären Regime der Tschechoslowakei der Eiserne Vorhang errichtet.

Elch Emil steht im September 2025 zwischen Autos auf einer Straße bei St. Pölten, ÖsterreichBild: Helmut Fohringer/APA/dpa/picture alliance

Nach dem Fall des kommunistischen Regimes 1991 wurde das Gebiet zum Nationalpark erklärt. An Orte, die jahrzehntelang bis auf wenige Ausnahmen für Menschen unzugänglich waren, kehrten wilde Natur und seltene Tiere zurück, allen voran der Luchs - und auch Elche. "Sumava ist aufgrund seiner Größe, seines Charakters und seiner Unberührtheit für viele Arten eine Arche Noah. Viele Tiere finden hier einen einzigartigen Lebensraum", sagt Jan Dvorak, Sprecher des Nationalparks, der DW.

Eine neue Heimat für Emil?

In diese Arche Noah wurde Emil schließlich gebracht. Trotz der Proteste von Tierschützern in Tschechien, Österreich und Deutschland, die vor Gesundheitsschäden durch die Betäubung des Tieres warnten und sogar eine Online-Petition mit dem Titel "Hände weg von Emil" starteten. "Die mit der Betäubung verbundenen Risiken sind bei großen Tieren und insbesondere bei Elchen sehr hoch", erklärt Dvorak.

Elch Emil wird im September 2025 bei St. Pölten in Österreich von Schaulustigen fotografiertBild: Helmut Fohringer/APA/dpa/picture alliance

Doch Emil überstand die Betäubung und den Transport ohne Schäden. "Es hat geklappt, der Elch lebt. Gott sei Dank", sagte der Sprecher des Sumava-Nationalparks erleichtert, fügte jedoch hinzu: "Der Elch Emil kann auch wieder aus dem Böhmerwald verschwinden. Er ist ein Tier und folgt seinen Instinkten, nicht den Wünschen von uns Menschen." Um seine Wanderungen zu überwachen, wurde Emil gechipt und mit einem GPS-Sender versehen, der etwa einen Monat lang seinen Standort an die Naturschutzbehörden sendet. Und in der Tat blieb Emil nicht lange im Böhmerwald. Schon bald überschritt er die Grenze und zog weiter in den Bayerischen Wald.

Schwierige Migration von Wildtieren 

Die Wanderung des Elchs Emil hat auf das Problem aufmerksam gemacht, dass Wildtiere in der überbevölkerten Landschaft Mitteleuropas nur begrenzt wandern können. Allein im Böhmerwald wird seit Jahren darüber diskutiert, wie man die dortige Population des Eurasischen Luchses, die größte in Mitteleuropa, mit der Population dieses Raubtiers in den Beskiden an der hunderte Kilometer entfernten Grenze zwischen Tschechien und der Slowakei verbinden kann.

"An Elch Emil sieht man, dass die Migration von Wildtieren in einer so dicht besiedelten Landschaft heute ein Problem ist. Und Hut ab vor Emil, dass er es noch geschafft hat, so viele Kilometer zurückzulegen", sagt Dvorak. In einer der Fangruppen in den sozialen Netzwerken tauchte auch ein treffender Rat an den Elch auf: "Halte durch, Emil! Und wenn möglich, meide diese seltsame Spezies Mensch."

Lubos Palata Korrespondent für Tschechien und die Slowakei, wohnhaft in Prag