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Gesellschaft

Tschechien: Mann stirbt nach Polizeieinsatz

Gilda-Nancy Horvath
21. Juni 2021

In der tschechischen Stadt Teplice ist ein Mann nach der Intervention von drei Polizisten gestorben. Mehrere NGO sehen Parallelen zum Fall George Floyd in den USA. Die Polizei bestreitet jegliches Fehlverhalten.

Roma Lives Matter - Kampagne gegen Antiziganismus
Bild: ERIAC

Tschechien. Teplice. Ein Zeugenvideo dokumentiert den Vorgang, bei dem ein Mann während der Intervention von drei Polizisten auf offener Straße stirbt. Zeitweise sitzen die Polizisten zu dritt auf dem Mann. Einer der Polizisten kniet insgesamt sechs Minuten lang auf dem Genick und Hals des kurz darauf verstorbenen Mannes. Auch als der Mann nach 4 Minuten keinen Ton mehr von sich gibt, fährt jener Polizist mit seiner "Intervention" auf dem mittlerweile regungslosen Mann fort.

Die Szenen des Vorgangs erinnern schmerzlich an jene aus dem amerikanischen Video, in dem George Floyd von einem Polizisten getötet wurde, der acht Minuten lang auf dem Hals des Mannes kniete. Auch die erste Reaktion der Polizei ist ähnlich: Der Tod des Mannes sei wegen einer Drogenüberdosis und eines Herzfehlers erfolgt, heißt es. Eine weitere Parallele ist, dass der Verstorbene einer diskriminierten Minderheit im Land angehört: der Community der Roma.

Redakteur Zdeněk Ryšavý vom Medium Romea.cz hat die Polizei dazu befragt, was im Vorfeld geschehen sei:

"Laut Aussagen der Polizei handelte es sich um einen Konflikt zwischen zwei Männern, die sich geprügelt hatten. Als die Polizei eintraf, flüchtete einer der Männer - der zweite Mann lag verletzt auf dem Boden, als die Polizei ihn ansprach. Der verletzte Mann habe darauf aggressiv reagiert, woraufhin die drei anwesenden Polizisten jene 'Intervention' anwandten, die im Video zu sehen ist. Hier stellt sich die Frage, warum die Polizisten so brutal mit einem Menschen umgehen, der offensichtlich bereits bei deren Ankunft verletzt war."

Da der Mann nach dem Polizei-Einsatz kein Lebenszeichen mehr von sich gab, wurde die Rettung alarmiert. Er verstarb laut Angaben der Polizei noch während des Rettungseinsatzes. Auf Anfrage der DW verwies eine Sprecherin der Polizei auf die Pressemitteilung der örtlichen Behörden. Darin heißt es, eine gerichtsmedizinische Obduktion des Verstorbenen schließe einen Zusammenhang mit der "Operation vor der Festnahme des Tatverdächtigen" aus.

Roma-Community ist geschockt

Der Fall wäre vielleicht gar nicht publik geworden, obwohl es mehrere Augenzeugen gab, erklärt Romea.cz-Redakteur Zdeněk Ryšavý :

"Die Augenzeugen wurden von der Polizei gebeten, nicht mit Medien über den Fall zu sprechen, solange dieser Vorfall untersucht wird. Die Untersuchung soll einerseits die Todesursache klären und darüber hinaus die Frage, ob diese Intervention gegenüber einer offensichtlich verletzten Person angemessen war."

Gedenken an George Floyd in Minneapolis, USA (28.03.2021)Bild: Brandon Bell/Getty Images

Das Video, dass den Fall trotzdem publik machte, wurde von einer Zeugin mit dem Mobiltelefon gefilmt - aus einer Wohnung, die direkt über dem Ort des Vorfalls liegt. Sie teilte das Video in den sozialen Medien. Daraufhin wurden das Online-Portal Romea.cz und auch einige Mainstream-Medien darauf aufmerksam.

Hintergrundinformationen zum Opfer selbst wurden von der Polizei unter Verschluss gehalten. Es stand lediglich fest, dass der Mann zur Roma-Community gehörte und relativ jung gewesen sein dürfte. Inzwischen wurde die Identität des Mannes von dessen Familie publik gemacht.

Der Fall hat nicht nur Ähnlichkeiten mit jenem von George Floyd, sondern auch mit einem Fall von Polizeigewalt in Tschechien im Jahr 2016, bei dem alle Ermittlungen eingestellt wurden und es keinerlei Konsequenzen für die Polizisten gab. Die Community sowie mehrere NGO in Tschechien befürchten, dass dies sich jetzt wiederholen könnte, wie die Journalistin und Aktivistin Jarmila Balazova erklärt:

"Die Roma-Community, aber auch viele engagierte NGO beraten derzeit darüber, wie man mit dem Fall umgehen soll. Viele denken, dass eine Demonstration gegen Polizeigewalt wieder in Gewalt münden könnte und eine solche zudem medial missbraucht werden könnte, um den Hass gegen Roma weiter zu schüren. Gleichzeitig werden Strategien entwickelt, um Medien darauf aufmerksam zu machen, möglichst seriös mit dem Fall umzugehen - was bedeutet, den Fall einerseits nicht zu ignorieren und andererseits nicht zu verzerren oder ins Sensationelle zu erhöhen."

Petr Torák, selbst tschechischer Rom, der in Großbritannien lebt und dort eine herausragende Polizeikarriere hinter sich hat, sagte dem Portal Idnes.cz: "Aus dem Video geht klar hervor, dass eine Person durch einen Polizeieinsatz gestorben ist." Auch Torák fragt sich, ob das die tschechische Version von Floyds Fall sei? Er werde die Ermittlungen aufmerksam verfolgen und hoffe, dass das tschechische Rechtssystem und die Gesellschaft als Ganzes - sollte die Schuld der Polizisten nachgewiesen werden - solche Polizeibrutalität verurteilen und die entsprechenden Konsequenzen ziehen würden.

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