Tschechien: Oligarch Andrej Babis muss erneut vor Gericht
26. Juni 2025
Seit Monaten sind die Umfragen in der Tschechischen Republik eindeutig: Bei der Parlamentswahl im Oktober 2025 dürfte es zu einem Regierungswechsel kommen. Die Parteien der bisherigen pro-europäischen Koalition von Premierminister Petr Fiala haben kaum eine Chance, die Mehrheit der Sitze im neuen Parlament zu gewinnen. Weit vorn liegt die ANO-Partei des Ex-Premiers und Milliardärs Andrej Babis. Mit der Unterstützung der pro-russischen extremistischen Parteien - der gegen Einwanderung gerichteten Svoboda a prima demokracie (Freiheit und direkte Demokratie, SPD) und der extrem linken Gruppierung Stacilo! (Genug!) - will er nach vier Jahren in der Opposition an die Macht zurückkehren.
Doch nun hat das Oberste Gericht Tschechiens Babis' Erwartungen einen Dämpfer verpasst: Der Freispruch des Prager Stadtgerichts gegen ihn und seine Mitangeklagte Jana Nagyova in der sogenannten Storchennest-Affäre wurde aufgehoben. Dem Multimilliardär Babis wird im Zusammenhang mit einer Luxusfarm in seinem Besitz Subventionsbetrug in Höhe von zwei Millionen Euro vorgeworfen. Eine Verurteilung und Haftstrafe könnte für den 70-jährigen Oligarchen das Ende seiner Pläne für ein politisches Comeback bedeuten.
Damit hat das Oberste Gericht bereits zum zweiten Mal in seinem Fall den Freispruch einer unteren Instanz aufgehoben. Das Prager Stadtgericht müsse die Beweislage gemäß den Anweisungen des Obersten Gerichts erneut prüfen, sagte Gerichtssprecher Vit Vatra. Dazu gehört, dass Babis und Nagyova nicht noch einmal freigesprochen werden dürfen.
"Beide Angeklagten haben durch ihr Handeln unrechtmäßig eine Subvention für kleine und mittlere Unternehmen bezogen. Damit haben sie den Tatbestand des Subventionsbetrugs und der Schädigung der finanziellen Interessen der EU erfüllt", stellte das Oberste Gericht in seinem Beschluss Anfang dieser Woche fest. Das Stadtgericht könne nun nur noch über die Höhe der Strafe entscheiden.
Wegen Subventionsbetrug vor Gericht
Als Reaktion auf das Urteil des Obersten Gerichts forderten Regierungsvertreter Babis auf, von allen gewählten Ämtern zurückzutreten und sich aus der Politik zurückzuziehen. "Denn nach dem heutigen Tag ist laut Gericht klar, dass er den Staat vorsätzlich und gezielt betrogen hat, um eine Subvention für sein Privatunternehmen zu erhalten, auf die er keinen Anspruch hatte", erklärte Premierminister Petr Fiala im Netzwerk X.
Babis selbst dagegen wies alle Vorwürfe zurück und erklärte den gesamten Prozess für politisch motiviert. "Ich werde wegen meines Eintritts in die Politik strafrechtlich verfolgt und fühle mich unschuldig", sagte er am Montag. "Es gibt keine Beweise dafür, dass ich eine Straftat begangen habe."
Babis wird beschuldigt, sein Luxusressort Storchennest aus seinem Agrofert-Konzern ausgegliedert zu haben, um so EU-Subventionen für kleine und mittlere Unternehmen zu erhalten, die einem Unternehmen dieser Größe eigentlich nicht zustanden. Später wurde das Storchennest dann wieder in den Konzern integriert.
Die polizeilichen Ermittlungen und Gerichtsverfahren ziehen sich seit 2017 hin.
Ungeachtet der neuen Wende bereitet sich Babis weiterhin darauf vor, nach den Wahlen die Regierung zu übernehmen. Denn das tschechische Rechtssystem verbietet es nicht, dass eine wegen einer Straftat verurteilte Person Regierungschef wird. Allerdings könnte Präsident Petr Pavel auch nach einer gewonnen Wahl die Ernennung Babis' verweigern, heißt es aus gut informierten Kreisen im Umfeld der Prager Burg.
Die Stunde des Präsidenten?
Der ehemalige NATO-General und überzeugte Europäer Pavel hat bereits deutlich gemacht, dass er sich konsequent für eine pro-westliche Ausrichtung der Regierung einsetzen werde. Gegner einer Mitgliedschaft der Tschechischen Republik in der NATO und der EU, die in den Reihen der SPD und Stačilo! zu finden sind, werde er nicht für Ministerposten nominieren.
Der Politologe Lubomir Kopecek, Professor an der Masaryk-Universität in Brünn, bezweifelt jedoch, dass es soweit kommen wird. Denn angesichts der Langsamkeit, mit der die tschechischen Gerichte arbeiten, sei weder vor den Wahlen im Oktober noch in den ersten Wochen danach mit einem rechtskräftigen Urteil im Fall Babis zu rechnen.
"Ich kann zwar nicht in den Kopf von Präsident Petr Pavel schauen, aber wenn Babis mit der Unterstützung der Parteien SPD und Stacilo! nach den Wahlen im Oktober die Mehrheit der Stimmen im Abgeordnetenhaus des Parlaments hat, wird es für ihn schwierig sein, den nicht rechtskräftig verurteilten Babis nicht zu ernennen", sagte Kopecek der DW.
Straftat und Interessenkonflikt
Andrej Babis hat laut Kopecek jedoch neben dem Urteil des Obersten Gerichts noch ein weiteres Problem. Dabei handelt es sich um einen Interessenkonflikt, da Babis' Agrofert-Konzern aus zahlreichen Unternehmen nicht nur in Tschechien, sondern auch in Deutschland und anderen EU-Staaten besteht. Bereits während seiner ersten Amtszeit als Ministerpräsident geriet Babis deswegen in einen Konflikt mit der Europäischen Union. Und das, obwohl er Agrofert damals in Treuhandfonds untergebracht hatte, was heute nicht mehr der Fall ist.
Sollte Babis rechtskräftig verurteilt werden, könne er sich angesichts dieser Interessenkonflikte nicht im Amt des Premierministers halten, so Kopecek gegenüber der DW. Andererseits gehen weder Kopecek noch andere Experten davon aus, dass das Urteil des Obersten Gerichts Einfluss auf das Ergebnis der Wahlen im Oktober haben wird. "Ich glaube, dass dies keinen Einfluss auf die Wähler der ANO haben wird. Diese glauben schon seit langem an die Interpretation von Andrej Babis", erklärte Josef Mlejnek von der Karls-Universität in Prag im tschechischen Fernsehen.
Sein Kollege Miroslav Mares hält es für möglich, dass der Richterspruch aber die Wähler der derzeitigen Regierungsparteien mobilisieren könnte. Das könnte den Regierungsparteien helfen, zumindest den Vorsprung der ANO von etwa zehn Prozentpunkten vor der Regierungskoalition zu verringern.