Samtener Protest in Tschechien und der Slowakei
18. November 2025
In Tschechien und der Slowakei haben Zehntausende Menschen gegen den politischen Kurs ihrer Länder protestiert. Anlass war die "Samtene Revolution", die vor 36 Jahren die kommunistische Führung der damaligen Tschechoslowakei zu Fall gebracht hatte; aus der friedlichen Teilung des Landes waren 1993 beide Nachfolgestaaten hervorgegangen, die seit 2004 EU-Mitglieder sind.
In Prag versammelten sich Tausende Demonstranten in der Altstadt und skandierten Slogans wie "Tschechien ist nicht zu verkaufen" und "Werft Babis weg", wie ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichtete. Der Milliardär Andrej Babis hatte die Parlamentswahl vor einem Monat gewonnen und dürfte abermals Ministerpräsident werden.
Schwenk nach rechts
Der Rechtspopulist und Anhänger von US-Präsident Donald Trump war bereits von 2017 bis 2021 tschechischer Regierungschef. Nach der Wahl schmiedete er eine EU-kritische Regierungskoalition mit der rechtsextremen Partei SPD - die nicht mit der sozialdemokratischen Partei gleichen Namens in Deutschland verbunden ist - und der rechtsgerichteten Autofahrerpartei. Kritiker fürchten nun eine Abkehr von Tschechiens prowestlicher Politik.
In Bratislava hielten Kundgebungsteilnehmer Transparente in die Höhe, auf denen ein Ende der vom slowakischen Regierungschef Robert Fico geführten Drei-Parteien-Koalition gefordert wurde. Die Menge rief: "Wir werden die Slowakei nicht aufgeben!" und: "Wir haben genug von Fico!"
Der Vorsitzende der Partei Smer-SD, der bereits zum vierten Mal das Amt des Ministerpräsidenten bekleidet, pflegt enge Beziehungen zu Kreml-Chef Wladimir Putin und geht hart gegen unliebsame gemeinnützige Organisationen, Medien und Kultureinrichtungen vor.
"Mut und die Sehnsucht nach Freiheit"
Auf dem Freiheitsplatz gegenüber dem Amtssitz der slowakischen Regierung kamen nach Angaben der Organisatoren mehrere Zehntausend Menschen zusammen. Der liberale Oppositionsführer Michal Simecka, dessen Partei in jüngsten Umfragen vor Ficos Smer-SD liegt, zog in seiner Rede eine Parallele zwischen den Vorgängen von 1989 und heute: Mut und die Sehnsucht nach Freiheit hätten die Demonstranten damals zu ihren schlussendlich erfolgreichen Protesten motiviert.
"Das sind genau die beiden Werte, die die Kommunisten nicht verstanden haben und die auch Robert Fico heute nicht versteht. Deshalb wird er ebenso verlieren, wie die Kommunisten verloren haben", rief Simecka.
An den Tagen zuvor hatte ein lokaler Schülerprotest mediale Aufmerksamkeit auch im Ausland geweckt. Vor einem geplanten Besuch Ficos in einem Gymnasium der nordslowakischen Stadt Poprad hatte ein Schüler mit Kreide eine derbe Kritik auf den Boden vor dem Eingang geschrieben. Ein Video zeigt, wie er dabei von einer vermutlich zur Schule gehörenden Person kritisiert, aber von einer ebenfalls anwesenden Oppositionspolitikerin in Schutz genommen wird.
Dass Regierungspolitiker sich daraufhin empörten, die Opposition schrecke nicht vor der Aufhetzung Jugendlicher zurück, löste eine Welle von Unmut aus und mündete in den Internetaufruf zu einer "Kreiderevolution". Seither finden sich in sozialen Medien zahlreiche Bilder von Kreideparolen, die sich gegen die Regierung Fico richten.
jj/AR (dpa, afp, kna)
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