Tschechien: Populist Babis vor der Rückkehr an die Macht
30. September 2025
Er kommt mal im schlabberigen Strickpullover, mal im schwarzen Hoodie mit seinen Initialen AB darauf, mal im T-Shirt, auf dem steht: "Tschechien, alles für dich". Oder: "Tschechien - gegen den grünen Wahnsinn". Keine Markenklamotten, sondern Jeans und Sneakers. Oder Kunstlederschuhe. Geklebt, nicht genäht.
Selten steht er im Wahlkampf auf einer großen Bühne. Oft spricht er direkt vor einer Gruppe von Menschen oder von der Fläche seines Wahlkampfmobils aus, einen halben Meter über dem Boden. Er gibt Autogramme, schüttelt Hände, lässt lachend Selfies mit sich machen und wirkt dabei desto munterer, je länger es dauert: Andrej Babis, 71 Jahre, Milliardär, Populist, umstrittener ehemaliger Regierungschef der Tschechischen Republik.
Ein Mann, der wahlweise mit US-Präsident Donald Trump, dem früheren italienischen Regierungschef Silvio Berlusconi oder Ungarns Premier Viktor Orban verglichen wird. Der aber in Wirklichkeit eine eigene, tschechische Version des Populismus darstellt. Wahrscheinlich wird er nach der Wahl zum Abgeordnetenhaus am 3. und 4. Oktober 2025 wieder Regierungschef. Denn seine Partei ANO wird die Wahl wohl mit großem Vorsprung gewinnen.
Babis: Ein Milliardär als rebellierender Underdog
Wenn Andrej Babis auftritt, dann geht es in seinen Reden meistens gegen "das System" und gegen "die korrupten Politiker". Das politische Establishment sei unfähig, bürokratisch und ineffizient, sagt er. Es missachte die Menschen und teile die Posten im Staat unter sich auf, es lüge, betrüge und verschwende Geld. Er, Babis, würde den Staat hingegen wie eine Firma führen, sein Erfolg als Unternehmer gäbe ihm Recht. Und er, Babis, würde auf die Bürger hören, in ihrem Auftrag das Land aufräumen und ihnen helfen, gut und in Würde zu leben.
Obwohl sich der Milliardär im Kapuzenpullover als rebellierender Underdog und in seinen Reden als Sprecher der Armen und Erniedrigten inszeniert, gehörte er selbst sein Leben lang zum Establishment. Der gebürtige Slowake wuchs unter der kommunistischen Diktatur in einer Familie auf, die zur Nomenklatur gehörte. Sein Vater war Außenhandelsfunktionär, Babis lebte zeitweise in der Schweiz und in Frankreich. Nach dem Abitur in Genf studierte er Volkswirtschaft in Bratislava und arbeitete danach selbst im Außenhandel, unter anderem in Marokko.
Rätselhafter Aufstieg in den "wilden Neunzigern"
Sein bis heute rätselhafter Aufstieg zu einem der reichsten Bürger Tschechiens begann in den "wilden Neunzigern": 1995 wurde er Eigentümer der Agrar- und Chemie-Holding Agrofert, die er bis dahin als Direktor geleitet hatte. Babis verbreitet mehrere Versionen davon, wie es zur Übernahme kam - gemeinsam ist ihnen, dass sie vage und unplausibel sind.
Inzwischen gehören zu Agrofert weltweit rund 250 Firmen, darunter in Deutschland die SKW Stickstoffwerke Piesteritz und die Industriebäckereien Lieken und WIBAGE. Babis' Vermögen wird derzeit auf etwa dreieinhalb Milliarden Dollar geschätzt.
Es waren nach eigener Aussage die angeblich unhaltbaren Zustände im Staate Tschechien, die den Milliardär in die Politik trieben - Korruption, Bürokratie, Reformstillstand. 2011 gründete er die Bewegung ANO, das Akronym für "Bewegung unzufriedener Bürger" und zugleich das tschechische Wort für Ja. Die wichtigste ANO-Losung lautet seit damals: "Ja, es wird besser!" Das Parteiversprechen besteht, ebenfalls seit damals, vor allem darin, dass der Führer Andrej Babis im Land alles in Ordnung bringen werde.
Der Fall Storchennest
Die Wähler gaben ihm die Chance. Der ANO-Chef war von 2014 bis 2017 Finanzminister und von 2017 bis 2021 Regierungschef der Tschechischen Republik. Statt aufzuräumen, bescherte Babis dem Land endlose Debatten um seine eigenen Schwindeleien und Korruptionsaffären. Symbolisch dafür steht der Fall Storchennest. Es geht um ein Wellness-Ressort bei Prag, für das Babis mit einem betrügerischen Trick EU-Subventionen kassierte - indem er eine Firma formal zeitweise aus seinem Agrofert-Imperium ausgliederte, um sie für die Subventionskriterien tauglich zu machen.
Seit bald einem Jahrzehnt wird wegen des Falls Storchennest ermittelt, ergehen immer wieder Urteile. Im Juni dieses Jahres ordnete ein Prager Gericht an, dass der gesamte Fall neu aufgerollt werden muss. Zwischenzeitlich weitete sich die Causa zur Familientragödie aus - Babis hatte offenbar den Namen seines Sohnes ohne dessen Wissen für juristische Tricks benutzt. Als Andrej Babis jr. seinen Vater beschuldigte, der habe ihn entführen lassen, damit er vor Ermittlern nicht aussage, konterte der Vater öffentlich, sein Sohn sei psychisch krank.
Babis Affären beschäftigen Tschechien
Der Fall Storchennest war nur die Spitze des Eisberges. Babis macht seit Jahren Schlagzeilen wegen Interessenkonflikten, mutmaßlicher Steuerhinterziehung und Korruptionsaffären, Beeinflussung von Medien und seiner Vergangenheit im kommunistischen tschechoslowakischen Staatssicherheitsdienst.
Seine Agrofert-Holding hatte er 2017 einer Treuhand-Gesellschaft übergeben. Ein Gericht stellte später fest, dass er die Ausübung seiner Eigentümerfunktion damit verschleiert habe. Seine Medienunternehmen, darunter MAFRA, einen der wichtigsten tschechischen Medienkonzerne, musste Babis 2023 wegen eines Gesetzes über Interessenkonflikte verkaufen.
Er hetzt, wie alle Populisten, seit langem gegen Migranten und in jüngerer Zeit auch gegen ukrainische Kriegsflüchtlinge - beschäftigt aber in seinem Firmenimperium selbst zahlreiche Arbeitskräfte aus Nicht-EU-Ländern wie Vietnam oder der Ukraine, noch dazu häufig unter menschenunwürdigen Bedingungen.
Agent "Bures" im Dienst des kommunistischen Systems
Es ist in der Slowakei juristisch, gerichtsfest und unanfechtbar erwiesen, dass er einst als Agent "Bures" für den tschechoslowakischen Staatssicherheitsdienst StB arbeitete. Doch Babis bestreitet das bis heute und klagt bitterlich über die Verleumdungen gegen seine Person.
Wann immer Kontroversen um ihn hochkochen, redet Babis sich damit heraus, "nichts Illegales getan" zu haben. Oder, dass "das System" sich an ihm rächen und ihn zerstören wolle. Zeitweise gab es in der Tschechischen Republik wegen Babis' Affären Massenproteste gegen ihn und Demonstrationen für ein "sauberes Land" - laut Babis Propagandaaktionen seiner Feinde.
Die opportunistische Version eines Populisten
Anders als sein Freund Viktor Orban ist Babis kein Todfeind der Europäischen Union - er braucht die EU für sein Firmenimperium. Er ist auch kein Sprachrohr Wladimir Putins, aber wenn es um die militärische Unterstützung der Ukraine geht, winkt er ab: "Ich bin Diplomat, kein Soldat." Tschechien umzubauen, hatte er bisher nicht die politischen Möglichkeiten, aber es ist unklar, ob er das überhaupt will. Möglicherweise strebt er nur die Immunität an, die er als Regierungschef genießen würde, damit er nicht mehr zu Verhören und vor Gericht erscheinen muss. Er ist die geschmeidige, manche Beobachter sagen opportunistische Version eines Populisten.
Ein rastloser Mann mit einem riesigen Ego. Dem Autor dieser Zeilen sagte Babis einmal, er schlafe kaum und müsse "immer etwas machen". Und dass er es eigentlich bereue, in die Politik gegangen zu sein. Aber die Leute in Tschechien bräuchten ihn nun einmal, so Babis - und er könne sie doch nicht im Stich lassen.