Tsipras bittet Deutschland um Solidarität
22. Mai 2012 Das Linksbündnis "Syriza" ist für den Verbleib Griechenlands in der Euro-Zone, allerdings zu anderen Bedingungen, als es sich Bundeskanzlerin Angela Merkel vorstellt. Diese Botschaft bekräftigte der Chef des griechischen Linksbündnisses "Syriza", Alexis Tsipras, auf einer internationalen Pressekonferenz am Dienstag in Berlin. Bereits am Montag hatte der 37-Jährige in Paris die deutsche Regierungschefin heftig kritisiert. Merkel müsse begreifen, dass sie innerhalb der Euro-Zone nur gleichberechtigter Partner sei, in der es weder Mieter noch Eigentümer gebe.
In der französischen Hauptstadt war Tsirpas gemeinsam mit dem Vorsitzenden der französischen Linksfront, Jean-Luc Mélenchon, aufgetreten. In Berlin wurde er vom Vorsitzenden der Linkspartei, Klaus Ernst, und dem Chef der Bundestagsfraktion der Linken, Gregor Gysi flankiert. Eindringlich appellierte Tsipras, dessen Linksbündnis "Syriza" seit der Parlamentswahl Anfang Mai mit gut 16 Prozent zweitstärkste Partei in Athen ist, an die Solidarität der deutschen und französischen Bevölkerung. Die Staatsschuldenkrise sei ein gemeinsames Problem, das nur gemeinsam gelöst werden könne, nämlich europäisch, betonte Tsipras.
Eine "tief europafreundliche Kraft"
Seine Partei sei eine "tief europafreundliche Kraft", sagte der "Syriza"-Chef im überfüllten Saal der Bundespressekonferenz. In Anwesenheit zahlreicher Journalisten aus anderen europäischen Ländern bezeichnete Tsipras die seinem Land von den Euro-Partnern und vom Internationalen Währungsfonds (IWF) auferlegten Sparprogramme als "ineffizient". Griechenland befinde sich im fünften Jahr in Folge in der Rezession. So etwas habe es in Friedenszeiten noch nie gegeben. Wie lange sollen die deutschen Steuerzahler noch in ein "Fass ohne Boden" einzahlen?, fragte Tsipras. In Wirklichkeit würden damit die Banken finanziert.
Hoffnungen auf einen Kurswechsel hegt Tsipras aufgrund der personell veränderten deutsch-französischen Achse. Nach dem Wahlsieg des Sozialisten Francois Hollande, der im Unterschied zu Kanzlerin Merkel Eurobonds zur Bekämpfung der Staatsverschuldung für sinnvoll hält, könne es mit der "neoliberalen" nicht einfach so weitergehen, sagte Tsipras. Darauf setzt auch die deutsche Linke, die als einzige politische Kraft im Bundestag die Griechenland-Politik der Euro-Länder grundsätzlich ablehnt. Mit Blick auf den bevorstehenden EU-Sondergipfel sagte Fraktionschef Gysi, es müsse ein "Signal der Hoffung" für Griechenland geben und keine Drohung.
"Syriza" könnte stärkste Partei werden
Tsipras ließ keinen Zweifel daran, im Falle eines Wahlsieges seines Linksbündnisses die zwischen Griechenland und seinen Euro-Partnern sowie dem IWF getroffenen Vereinbarungen aufzukündigen. Laut Umfragen könnte "Syriza" bei den vorgezogenen Wahlen am 17. Juni stärkste Kraft werden. Die Griechen haben erst am 6. Mai ein neues Parlament ohne klare Mehrheitsverhältnisse gewählt. Mehrere Versuche, eine Regierung zu bilden, blieben erfolglos.