Tsipras macht Tempo
22. September 2015Nur einen Tag nach seinem unerwartet klaren Wahlsieg ist Syriza-Chef Alexis Tsipras erneut als Ministerpräsident Griechenlands vereidigt worden. Unmittelbar danach warf er der EU vor, sein Land bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise nicht ausreichend unterstützt zu haben. Der wachsende Zustrom von Migranten dürfte neben der Schuldenkrise das wichtigste Thema auf der Agenda der Regierungskoalition in Athen sein, die die linke Syriza erneut mit den rechtspopulistischen Unabhängigen Griechen bildet.
Auch bei der Ernennung der Minister wurde aufs Tempo gedrückt: Das neue Kabinett werde am Mittwoch vorgestellt, kündigte der Vorsitzende der Unabhängigen Griechen, Panos Kammenos, an. Er war bislang Verteidigungsminister. Nach Angaben aus der Syriza-Partei behält Finanzminister Euklid Tsakalotos das für die Verhandlungen mit den internationalen Gläubigern zentrale Ressort.
"EU hat uns nicht geschützt"
Die EU habe unglücklicherweise keine Schritte unternommen, Griechenland vor einer "Flüchtlingswelle zu schützen, die unkontrollierte Dimensionen angenommen hat", sagte Tsipras. Griechenland sieht sich in diesem Jahr mit zehntausenden Migranten konfrontiert, die aber größtenteils nicht dort bleiben wollen. Zur Flüchtlingskrise tagt am Mittwoch ein EU-Sondergipfel, an dem auch Tsipras teilnehmen dürfte.
Vor Syriza-Funktionären erklärte Tsipras, die Schuldengespräche mit den Geldgebern seien "die erste entscheidende Schlacht". Tsipras war im Januar erstmals mit dem Versprechen ins Amt gekommen, den Reformkurs der Euro-Zone zu verlassen. Unter dem Druck der nahenden Staatspleite hatte er dann aber im Sommer das dritte Reformprogramm unterschrieben und war zurückgetreten.
Das Hilfs- und Reformpaket sichert dem bereits seit 2010 vom Kapitalmarkt abgeschnittenen Land weitere 86 Milliarden Euro zu - wenn die Reformen umgesetzt werden. Die erste Überprüfung findet im Oktober statt. Dann steht auch eine erneute Bestandsaufnahme des griechischen Schuldenbergs an, der 2016 auf über 200 Prozent des BIP wachsen dürfte. Einen Schuldenerlass lehnen die anderen Euro-Länder ab; ein solcher "Haircut" würde tiefe Löcher in ihre Etats reißen.
Berlin: Wer unterschrieben hat, muss liefern
Der Präsident der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, ermahnte die Griechen, auf dem vereinbarten Reformkurs zu bleiben. Er schrieb Tsipras: "Griechenland benötigt jetzt die breite Unterstützung aller Parteien, Stabilität und die zügige Umsetzung der Reformen, damit Vertrauen wiederkehren kann." Die Bundesregierung erklärte, sie gehe davon aus, dass ein Ministerpräsident, der die Reformvereinbarung ausgehandelt und unterschrieben habe, auch für deren Umsetzung sorgen werde.
jj/pab (rtr, afp)