Tsipras steht vor neuer Kraftprobe
21. Juli 2015Die griechische Regierung hat mit der Umsetzung von Reformen und Sparmaßnahmen begonnen - und damit die Voraussetzungen für neue internationale Finanzhilfen bisher fristgemäß erfüllt. Nun steht die zweite Runde im Reformprozess an. Bis Mittwochnacht muss das Parlament in Athen nach der Vereinbarung mit den internationalen Geldgebern noch die Modernisierung des Justizsystems und des Bankenwesens billigen. Die entsprechenden Gesetzentwürfe wurden jetzt ins Parlament eingebracht.
Dabei geht es zum einen um die Umsetzung einer EU-Richtlinie zur Abwicklung von angeschlagenen Kreditinstituten in das griechische Recht. Die Europäische Union hatte diese Richtlinie im Zuge der globalen Finanzkrise erlassen. Die Neuregelung soll Steuerzahler davor schützen, bei der Rettung von Banken einspringen zu müssen. Sie legt fest, dass zuerst Aktionäre und Gläubiger herangezogen werden, bevor öffentliche Mittel zum Einsatz kommen. Die EU-Kommission verlangt die Annahme dieser Reform. Ende Mai hatten neben Griechenland auch Italien, Frankreich und weitere Länder zwei Monate Zeit erhalten, die Vorgaben einzuführen.
Zum anderen befinden die Abgeordneten über die Einführung schnellerer Justizverfahren. Die wichtigste Konsequenz ist, dass säumige Zahler ihre Wohnungen und Häuser verlieren können, wenn sie ihre Zins- und Tilgungsraten an die Banken nicht rechtzeitig zahlen. Die Gewerkschaft der Staatsbediensteten, Adedy, kündigte eine Protestkundgebung während der Parlamentsdebatte an.
Tsipras macht Druck
Enge Mitarbeiter des Ministerpräsidenten Alexis Tsipras erhöhen bereits vorab den Druck auf potenzielle Abweichler, um ein nochmaliges Bröckeln des Koalitionslagers zu verhindern. Der Sprecher der Syriza-Fraktion, Nikos Filis, drohte im Rundfunk: "Wenn wir am Mittwoch nicht mindestens 120 Stimmen bekommen, werden wir so nicht weiter regieren können." Am vorigen Donnerstag hatte Tsipras bei einer Abstimmung über die Rentenreform und Mehrwertsteuererhöhungen mit Schrecken zusehen müssen, wie ihm 39 Abweichler die Gefolgschaft verweigerten.
Die bisherige Mehrheit der Regierung schrumpfte von 162 auf 123 Abgeordnete im Parlament mit 300 Sitzen - die Reformen kamen nur mit Stimmen aus dem Oppositionslager durch. Tsipras agiert nun praktisch nur noch mit einer Minderheitsregierung, die von der Opposition geduldet wird. Als Konsequenz aus dem Votum hatte Tsipras seine Regierung am Wochenende auf zehn Posten umgebildet und sich dabei der Kritiker an seinem Kurs entledigt.
Vorsichtshalber ließ das Regierungslager am Dienstag strittige Punkte wie die geplante Streichung von Steuervorteilen für Bauern kurzfristig von der Tagesordnung streichen. Abgeordnete aller Parteien aus ländlichen Regionen hatten angekündigt, sie würden auf keinen Fall zustimmen. Diese Reform sei allerdings keine Bedingung für weitere Finanzhilfen, betonte Regierungssprecherin Olga Gerovasili. Nach Berichten von Insidern wollte die Regierung ihren Willen zeigen, auch im Alleingang harte Sparmaßnahmen in die Tat umzusetzen. Auch weitere Details der Rentenreform sollen entgegen früheren Planungen nicht bei der Sitzung am Mittwoch, sondern erst Anfang August behandelt werden, wie es in Regierungskreisen hieß.
Zieldatum 20. August
Unmittelbar nach der Parlamentsabstimmung sollen die Detailgespräche mit den Geldgebern über das dritte Hilfspaket aufgenommen werden. Die Regierung will hier rasch Nägel mit Köpfen machen. "Das Abschlussdatum ist der 20. August", sagte eine Regierungssprecherin. Griechenland ist mit 313 Milliarden Euro verschuldet und steht kurz vor der Pleite. Das neue Hilfspaket soll nach bisherigen Planungen bis zu 86 Milliarden Euro für drei Jahre umfassen.
Erst am Montag waren in Griechenland nach dreiwöchiger Schließung die Banken wieder geöffnet worden (Artikelbild). Zugleich zahlte die Regierung Schulden in Milliardenhöhe bei der Europäischen Zentralbank und dem Internationalen Währungsfonds zurück, nachdem sie selbst Mittel aus einer Brückenfinanzierung erhalten hatte.
kle/rb (afp, rtr, dpa)