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Angespannter Blick nach Ägypten

Sarah Mersch6. Juli 2013

Bewunderung und Angst mischen sich in Tunesien, wenn es um Ägypten geht: Die Regierung fürchtet, dass auch sie unter Druck geraten könnte, die Opposition schöpft Hoffnung, die Straße ist gespalten.

Demonstranten fordern in Tunesien die Rückkehr des abgesetzten Präsidenten Mursi (Foto: DW/Sarah Mersch) 5.Juli 2013, Tunis, Tunesien Copyright: Sarah Mersch
Bild: DW/S. Mersch

Einige Dutzend Demonstranten versammeln sich Freitagnachmittag vor der streng bewachten ägyptischen Botschaft in Tunis. Sie sind gekommen, um ihre Unterstützung für den gestürzten Präsidenten Mohamed Mursi zu verkünden. Die meisten sind Ägypter. Doch auch einige Tunesier fordern den Sturz des Militärs. Mehdi ist einer von ihnen. Er spricht von einem Staatsstreich. Doch dass so etwas auch in seinem Heimatland passieren kann, glaubt er nicht. "Diese Leute von Tamarrod haben hier nichts verloren. So Gott will geht alles gut." Denn im Gegensatz zu Ägypten würde in Tunesien die Legitimität der Wahlen respektiert.

Etwas abseits der Menge beobachtet Grundschullehrer Mohammed die Veranstaltung. Er schüttelt den Kopf über Leute, die Mursi noch verteidigen und hofft, dass die Welle des Aufstands bald nach Tunesien überschwappt. "Ägypten hat jetzt seine Revolution gemacht, denn die erste war ja keine richtige."

Unter Polizeischutz: die ägyptische Botschaft in TunisBild: DW/S. Mersch

Bald würde es auch in Tunesien soweit sein, ist er überzeugt. "Der politische Islam ist gescheitert. Die Islamisten haben keine politischen Reformen umgesetzt, sind die Probleme nicht angegangen." Jetzt würde die Bevölkerung aufwachen und merken, dass sich dahinter nur leere Worte verstecken und sich "Religion nicht essen" lasse. Mohammed spricht sich für die klare Trennung von Religion und Staat aus - wobei die freie Religionsausübung natürlich garantiert werden müsse.

Marzouki setzt auf Konsens

Staatspräsident Moncef Marzouki (r.), hier mit Francois HollandeBild: Reuters

Unterdessen herrscht bei Ennahdha, der größten Partei der Regierungskoalition, angespanntes Schweigen. Legitimität der Urnen ist das Zauberwort - auch wenn die in Ägypten wenig geholfen hat. Gebetsmühlenartig verurteilen die Mitglieder der Regierung die Vorkommnisse und versichern, dass dies im Mutterland des sogenannten Arabischen Frühlings nie so weit kommen wird, allen voran Staatspräsident Moncef Marzouki beim Besuch seines französischen Amtskollegen Francois Hollande. "Ich hatte mir gewünscht, dass die Ägypter zu einem politischen Konsens kommen", sagt er. Das Einschreiten der Armee verurteilt er.

"In Tunesien dürfen wir uns nicht durch die Ideologie spalten lassen. Die sogenannten Islamisten und Laizisten müssen zu einem politischen Konsens finden", versucht der Präsident zu beschwichtigen. "Wir sind jederzeit offen für einen Dialog", betont er, und kündigt für das nächste halbe Jahr die Verabschiedung der Verfassung und Wahlen an.

Einheitsregierung als Lösung für Tunesien?

Unterdessen bekommen die tunesischen Oppositionsparteien durch die Vorkommnisse in Ägypten Oberwasser. Sie fordern deutlicher als zuvor einen politischen Kurswechsel. Nida' Tounes, die Sammlungsbewegung um den 86-jährigen ehemaligen Übergangs-Premierminister Beji Caid Essebsi, verteidigt die Absetzung Mursis und fordert die Auflösung der Verfassungsgebenden Versammlung. Die ist seit den Wahlen im Oktober 2011 im Amt und sollte eigentlich innerhalb eines Jahres eine neue Verfassung für den Zehn-Millionen-Einwohnerstaat schreiben.

Übergangs-Premierminister Beji Caid EssebsiBild: DW/S.Mersch

Auch die Volksfront, ein Zusammenschluss linker und kommunistischer Parteien, fordert die Absetzung der Abgeordneten an der Regierung. Die nach Umfrageergebnissen derzeit drittstärkste politische Kraft Tunesiens hält die Machtübernahme durch das ägyptische Militär für gerechtfertigt und betont, dass auch die tunesische Regierungskoalition Ennahdha die Ziele der Revolution verraten habe. Um jetzt möglichst schnell zu handfesten Ergebnissen zu kommen, solle eine Expertenkommission die Verfassung zu Ende schreiben und eine nationale Einheitsregierung das Land möglichst schnell aus der Krise führen.

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