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PolitikTunesien

Tunesien geht verschärft gegen Kritiker vor

30. November 2025

Die prominente tunesische Aktivistin und Schriftstellerin Chaima Issa ist in Tunesien festgenommen worden - ausgerechnet während einer Demonstration für Freiheitsrechte.

Chaima Issa ballt die Faust inmitten von Demonstrierenden (29.11.2025)
Kämpferisch: Die Aktivistin Chaima Issa kurz vor ihrer Festnahme (am Samstag)Bild: Jihed Abidellaoui/REUTERS

Naima Issa wird in Tunesien Verschwörung gegen den Staat vorgeworfen. Dafür wurde sie am Freitag zu 20 Jahren Haft verurteilt. Die Vollstreckung erfolgte dann einen Tag später während der Demonstration gegen Freiheitbeschränkungen in Tunis. "Wie liefen gerade im Protestmarsch, als eine Gruppe von Polizisten in Zivil sie packte und in ein Fahrzeug schob", sagte Issas Anwalt Samir Dilou der Nachrichtenagentur AFP.

Hunderte Menschen hatten in der tunesischen Hauptstadt gegen die Regierung demonstriert. Der Protest war von der Frauenrechtsgruppe Tunesischer Verband Demokratischer Frauen (ATFD) organisiert worden.

Protest für Meinungsfreiheit und Frauenrechte in Tunis (am Samstag)Bild: Chedly Ben Ibrahim/NurPhoto/picture alliance

"Dieser Protest geschieht inmitten der systematischen Unterdrückung der Redefreiheit und der freien Stimmen von Aktivisten, Journalisten und anderer durch die Behörden", sagte Nadia Benhamed, ein hochrangiges ATFD-Mitglied. "Wir lehnen die Unterdrückung von Freiheiten ab", fügte sie hinzu. Die Tunesier hätten ein Recht auf Meinungs- und Denkfreiheit.

Haftstrafen bis zu 45 Jahren

Die Regierung von Präsident Kais Saied geht immer schärfer gegen Kritiker vor. Zusammen mit Issa wurden am Freitag weitere Oppositionsführer, Wirtschaftsvertreter und Anwälte verurteilt. Die verhängten Haftstrafen reichten von fünf bis 45 Jahren. Der Vorwurf lautet auf Verschwörung zum Sturz des Präsidenten.

Demokratisch gewählt, aber immer stärker in der Kritik: Präsident Kais Saied (Archivbild)Bild: FETHI BELAID/AFP/Getty Images

Es wird erwartet, dass die Polizei auch den Chef der oppositionellen Nationalen Heilsfront, Najib Chebbi, festnimmt. Er wurde zu zwölf Jahren Haft verurteilt, der bekannte Oppositionelle Ayachi Hammami erhielt eine fünfjährige Haftstrafe.

In einem der größten politischen Prozesse in der jüngeren Geschichte Tunesiens waren 40 Personen angeklagt. 20 der Angeklagten sind ins Ausland geflohen und wurden in Abwesenheit verurteilt.

Mehr Macht für Präsident Saied

Tunesien war 2011 der Ausgangspunkt des sogenannten Arabischen Frühlings und ging als einziges Land als Demokratie aus den Aufständen hervor. Präsident Saied, der 2019 demokratisch gewählt wurde, trieb jedoch Verfassungsänderungen voran, die ihm deutlich mehr Macht verliehen.

Seit geraumer Zeit geht er autoritär gegen Kritiker vor. Im 180 Länder umfassenden Ranking der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen fiel Tunesien in diesem Jahr um elf Plätze von Platz 118 auf Platz 129.

Am Donnerstag hatte das Europa-Parlament die Menschenrechtssituation in Tunesien in einer Resolution kritisiert. Die EU-Parlamentarier zeigten sich darin "zutiefst besorgt" über den "Rückgang der Rechtsstaatlichkeit" und bei den Grundrechten in dem nordafrikanischen Land und forderten die tunesischen Behörden auf, die Meinungs- und Versammlungsfreiheit ebenso zu wahren und zu schützen wie die Unabhängigkeit der Justiz. Saied wies die Resolution als "eine unverhohlene Einmischung in unsere Angelegenheiten" zurück.

Human Rights Watch und Amnesty International forderten die sofortige Aufhebung der jüngsten Urteile. Chaima Issa will sich nicht geschlagen geben. Sie sagte vor ihrer Verhaftung der Nachrichtenagentur Reuters: "Ich sage den Tunesiern: Protestiert weiter und lehnt die Tyrannei ab. Wir opfern unsere Freiheit für euch."

fab/AR (rtr, afp)

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