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Politik

Tunesiens Angst vor den Rückkehrern

Sarah Mersch
16. Januar 2017

Der Druck auf Tunesien wächst, eine Lösung zur Rücknahme von Gefährdern und mutmaßlichen Terroristen zu finden. Doch die Bevölkerung hat Angst, dass diese ihr Land destabilisieren.

Tunesien Demonstration in Tunis
Demonstration in Tunis gegen die Rücknahme von Extremisten aus Deutschland.Bild: Reuters/Z. Souissi

Nicht erst seit dem Anschlag in Berlin wurden Forderungen in der Bevölkerung laut, mutmaßliche Terroristen am besten gar nicht erst zurück ins Land zu lassen. Denn viele derjenigen, die seit 2011 Tunesien verlassen haben, um an der Seite von Al-Kaida, dem IS oder anderen extremistischen Gruppen zu kämpfen, kehren jetzt in ihre Heimat zurück. Die tunesische Regierung spricht von knapp 3000 Personen, meist junge Männer, die ihnen namentlich bekannt seien. Rund 800 seien bis heute nach Tunesien zurückgekehrt. Einige von ihnen säßen im Gefängnis, andere stünden unter Hausarrest. Die Vereinten Nation gehen jedoch von deutlich mehr tunesischen Staatsbürgern aus, die vor allem in Syrien und im Irak kämpfen.

"Das sind keine Tunesier mehr, sie haben sich einem anderen Staat, dem IS oder Al-Kaida angeschlossen", schimpft eine Demonstrantin in Tunis. Deshalb sollte Tunesien diesen Kämpfern die Staatsbürgerschaft entziehen und sie auch nicht zurücknehmen, argumentiert sie. "Wo haben sie denn diese Verbrechen begangen? In Syrien." Deshalb sollten sie auch dort vor Gericht gestellt oder am besten gleich exekutiert werden, meint ein anderer Demonstrant.

Schlecht vorbereitet auf die Rückkehrer?

Mehrezia Laabidi von der Partei EnnahdaBild: DW/S. Mersch

Rechtlich gesehen ist die Situation eigentlich eindeutig, denn die 2014 verabschiedete neue Verfassung verbietet klar, dass Tunesiern die Staatsbürgerschaft entzogen wird. Trotzdem wird diese Forderung auch in Regierungskreisen immer wieder laut in diesen Tagen, vor allem bei der konservativen Volkspartei Nidaa Tounes. Doch Koalitionspartner Ennahda ist nicht einverstanden. Die moderaten Islamisten sprechen sich neben Strafverfolgung in Tunesien zusätzlich für Maßnahmen zur Deradikalisierung und sozialen Wiedereingliederung aus. Man dürfe jetzt keine Zeit verlieren, mahnt Mehrezia Laabidi von Ennahda. "Wir sollten eher darüber diskutieren, ob wir vorbereitet sind. Wie können wir sie identifizieren? Wie mit den Schuldigen umgehen? Welche rechtlichen Mittel haben wir, um sie zu bestrafen?"

Tunesien hat seit 2015 ein neues Antiterrorgesetz, das den Behörden weitreichende Maßnahmen in der Strafverfolgung einräumt. Vorbereitet darauf, was mit der Rückkehr möglicherweise tausender radikaler Islamisten auf sie zukommt, seien sie dennoch nicht, kritisiert die Opposition. Es ginge ja nicht nur um die Rückkehrer, so der linke Abgeordnete Zied Lakhdar, "das Phänomen ist viel größer. Es gibt hier noch Schläferzellen, Prediger die junge Leute rekrutieren, Finanzstrukturen und Organisationen dahinter. Das macht es so gefährlich." Eine klare Strategie, wie man den Extremisten mittelfristig das Wasser abgraben kann, hat die Regierung bis jetzt nicht.

Präsident sichert Deutschland Kooperation zu

Neben dem brodelnden Problem der Rückkehr von Extremisten steht Tunesien seit dem Anschlag in Berlin unter zunehmendem Druck aus Deutschland - auch wenn es dabei längst nicht nur um als Gefährder eingestufte Menschen wie den Attentäter Anis Amri geht, sondern generell um die Rücknahme abgelehnter Asylbewerber. Nach dem auf Tunesien gemünzten Vorschlag, nicht kooperierenden Ländern die Entwicklungshilfe zu kürzen, wenn sie die Rücknahmeverfahren nicht deutlich beschleunigen, sicherte Präsident Beji Caid Essebsi prompt zu, dass man Verantwortung übernehme. "Wir können kein Land zwingen, Tunesier zu behalten, deren Aufenthalt nicht legal ist", sagte er gegenüber der AFP. "Wir müssen aber erst einmal sicherstellen, dass es sich überhaupt um Tunesier handelt."

Egal ob es um rückkehrende Terroristen oder abgelehnte Asylbewerber geht, nur eine zwischenstaatliche Lösung sei wirklich sinnvoll, ist sich die tunesische Politik einig. Denn ohne Unterstützung aus Deutschland und der EU könne der sich noch im Aufbau befindende demokratische Staat das Problem nicht in den Griff kriegen. Die unkontrollierte Rückkehr tausender potentiell gefährlicher Extremisten würde mittelfristig auch wieder zu mehr Problemen in Europa führen.

Der Tunesier Anis Amri raste am 19. Dezember 2016 mit diesem LKW in einen Weihnachtsmarkt in Berlin. Zwölf Menschen starben, mehr als 50 wurden verletzt. Bild: Reuters/H. Hanschke
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