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PolitikTunesien

Tunesiens Präsident Saied wechselt erneut Regierungschef aus

8. August 2024

Ohne Gründe zu nennen hat der tunesische Staatspräsident Kais Saied Ministerpräsident Ahmed Hachani überraschend seines Amtes enthoben. Zum Nachfolger machte er umgehend Sozialminister Kamel Maddouri.

Der tunesische Präsident Kais Saied an einem Rednerpult vor der Landesflagge
Eigenwillige Personalentscheidungen: der tunesische Präsident Kais SaiedBild: ZUMAPRESS.com/picture alliance

Ahmed Hachani hatte das Amt des Regierungschefs erst am 1. August 2023 übernommen. Er hatte damals Najla Bouden abgelöst, die ebenfalls ohne Angabe von Gründen von Präsident Saied entlassen worden war. Hachani hatte wenige Stunden vor seiner Entlassung in einer Videobotschaft erklärt, die Regierung habe trotz globaler Herausforderungen Fortschritte in verschiedenen Bereichen gemacht, darunter bei der Sicherung der Nahrungsmittel- und Energieversorgung des Landes.

Die jüngste Entlassung erfolgt vor dem Hintergrund wachsender Unzufriedenheit in der Bevölkerung mit den anhaltenden Wasser- und Stromausfällen, die weite Teile Tunesiens betreffen. Während die Regierung die Versorgungsengpässe auf eine anhaltende Dürre zurückführt, sieht Saied darin eine Verschwörung im Vorfeld der Präsidentschaftswahl. Die Reservoirs seien voll, so der Staatschef. Das Landwirtschaftsministerium warnt dagegen vor einem kritischen Wasserstand in den Stauseen des Landes, der nur noch bei 25 Prozent liege. Das nordafrikanische Land steckt zudem in einer Wirtschaftskrise und kämpft mit hohen Arbeitslosenzahlen.

Präsident Kais Saied ernannte Ahmed Hachani im August 2023 zum PremierministerBild: Presidency of Tunisia/Handout/AA/picture alliance

Saied bündelt immer mehr Macht

Präsident Saied sieht sich zunehmender Kritik seitens der Opposition und Menschenrechtsgruppen ausgesetzt. Er war 2019 durch freie Wahlen an die Macht gekommen, schaltete aber 2021 das gewählte Parlament aus, entließ die Regierung mit Hilfe eines Notstandsartikels und regiert per Dekret. In einem von der Opposition als Staatsstreich bezeichneten Akt übernahm er auch die Kontrolle über die Justiz. Außerdem änderte er die Verfassung, um die Macht im Staat weiter zu bündeln.

Tunesien galt einst als einziger Staat, dem nach den Aufständen in der arabischen Welt ab 2011 ein Übergang zur Demokratie gelang. Wegen Saieds Machtausbau sprechen Kritiker inzwischen von einem "demokratischen Kollaps" und einer autoritären Regierung in einem Polizeistaat, in dem Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte in hohem Tempo ausgehöhlt werden.

Saied bezeichnete seine Schritte als legal und notwendig, um Chaos und Korruption in Tunesien zu beenden. Saied will sich am 6. Oktober um eine zweite Amtszeit bewerben. Ihm wird vorgeworfen, den Wahlprozess zu seinen Gunsten beeinflusst und Konkurrenten eingeschüchtert zu haben.

Mehrere Präsidentschaftsanwärter verurteilt

Erst am Montag wurden in Tunesien fünf Anwärter auf eine Präsidentschaftskandidatur zu Haftstrafen verurteilt. Die vier Männer und eine Frau erhielten wegen angeblicher Bestechung von Wahlberechtigen eine Strafe von je acht Monaten Haft, wie lokale Medien berichten. Zudem wurde ihnen auf Lebenszeit untersagt, bei Wahlen anzutreten. Mit der Bestechung hätten sie sich Unterschriften für ihre Kandidatur erschlichen, hieß es zur Begründung. Mehrere von ihnen kündigten an, gegen die Entscheidung in Berufung zu gehen.

Zu den Verurteilten gehören der ehemalige Gesundheitsminister Abdellatif El Mekki, der früher Mitglied der konservativ-muslimischen Ennahdha-Partei war, sowie der Medienunternehmer Nizar Chaari. Bereits davor war Abir Moussi, die Vorsitzende einer Nachfolge-Partei des früheren Regimes von Ex-Machthaber Zine El Abidine Ben Ali, zu zwei Jahren Haft verurteilt worden. Sie hatte sich in den Medien kritisch über die Wahlbehörde geäußert. Moussi sitzt im Rahmen eines anderen Verfahrens bereits seit Oktober 2023 in Untersuchungshaft. Ihre Anwälte hatten zwischenzeitlich in ihrem Namen ihre Kandidatur eingereicht.

Per Gerichtsurteil ausgebootet: die Politikerin Abir Moussi (Archivbild)Bild: Chedly Ben Ibrahim/NurPhoto/picture alliance

Mehrere potenzielle Kandidaten und Kandidatinnen hatten sich zuletzt beklagt, dass ihnen "Steine in den Weg" gelegt würden und die Bedingungen für eine Kandidatur nicht erfüllbar seien. Insbesondere gebe es Probleme, das benötigte polizeiliche Führungszeugnis zu erhalten. Mehrere Personen hatten daraufhin angekündigt, sich doch nicht um das Präsidentenamt zu bewerben.

kle/se (rtr, afp, epd)

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