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Politik

Tunesiens Regierungschef will Präsident werden

9. August 2019

Im September soll ein Nachfolger für den verstorbenen Staatschef Beji Caid Essebsi bestimmt werden. Ministerpräsident Youssef Chahed reichte dafür seine Kandidatur ein. Die Bewerbungsfrist endete an diesem Freitag.

Tunesien Tunis | Tunesiens Premierminister kandidiert als Präsident - Youssef Chahed
Youssef Chahed hofft auf die Stimmen der politischen MitteBild: picture-alliance/dpa/K. Nasraoui

 "Ich habe mir das gut überlegt und entschieden, mich um den Posten des Präsidenten der Republik zu bewerben", sagte der 43-Jährige bei einer Versammlung seiner Partei Tahya Tounes. So wolle er "mit dem alten System brechen und allen Tunesiern Hoffnung zurückgeben, insbesondere den Jungen", erklärte er.

Chahed ist der prominenteste unter den Bewerbern für die Präsidentenwahl, die nach dem Tod Essebsis im Juli auf den 15. September vorgezogen wurde. Chahed steht seit 2016 an der Spitze der Regierung. Unter seiner Führung verabschiedete das nordafrikanische Land auf Druck internationaler Geldgeber Sparmaßnahmen, die zu Protesten führten und seine Popularität sinken ließen. Im Konflikt mit der Führungsspitze verließ er zudem die Regierungspartei Nidaa Tounes und gründete seine eigene Partei Tahya Tounes, mit der er auf die politische Mitte abzielt.

Vor Chahed hatten bereits andere prominente Politiker ihre Kandidatur verkündet, darunter Verteidigungsminister Abdelkarim Zibid. Er ist ein unabhängiger Politiker, der aber von der Nidaa Tounes unterstützt wird. Die stärkste Partei im Parlament von Tunis, die islamistische Ennahda, stellte den kommissarischen Parlamentspräsidenten Abdelfattah Morou auf.

Obwohl er für die Rechte von Homosexuellen kämpft, ist Mounir Baatour bei LGBT-Aktivisten offenbar nicht beliebtBild: picture-alliance/dpa/AP/H. Dridi

Auch ein homosexueller Kandidat tritt an

Mit dem Rechtsanwalt Mounir Baatour tritt erstmals auch ein offen homosexueller Politiker an. Dies sei eine Premiere, "die ohne Zweifel ein Meilenstein in der Geschichte sein wird", erklärte die von Baatour geführte Liberale Partei. Er selbst sagte: "Die Tatsache, dass ich schwul bin, ändert gar nichts. Es ist eine Kandidatur wie jede andere."

Der Jurist ist Mitbegründer der Organisation SHAMS, die seit Jahren gegen die Kriminalisierung von gleichgeschlechtlichem Sex in Tunesien kämpft, der dort mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft wird. 2013 war Baatour drei Monate lang wegen Geschlechtsverkehrs mit einem 17-Jährigen im Gefängnis. Der Jurist hat die Vorwürfe stets zurückgewiesen.

Von Aktivisten für die Rechte von Homo-, Bi- und Intersexuellen sowie Transgender (LGBT) schlug Baatour vor Kurzem heftige Ablehnung entgegen. Vertreter von 18 Organisationen unterzeichneten im Juli eine Petition, in der sie Baatour als "große Gefahr" für den Kampf für die LGBT-Rechte bezeichneten.

Welche Bewerber schließlich für die Abstimmung zugelassen werden, gibt die unabhängige Wahlbehörde am 31. August bekannt. Tunesien ist das einzige Land in Nordafrika, das nach den arabischen Aufständen im Jahr 2011 den Übergang in die Demokratie geschafft hat.

Allerdings steht die Regierung vor großen Problemen, nicht zuletzt wegen der schwierigen wirtschaftlichen Lage. Beobachter warnen zugleich vor autoritären Tendenzen innerhalb der Führungselite des Landes. Auch die Sicherheitslage in Tunesien ist fragil.

uh/jj (dpa, afp)

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