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Politik

Tunesier sollen schwaches Parlament wählen

17. Dezember 2022

Weil Staatschef Kais Saied schon fast alle Macht an sich gerissen hat, kommt der Wahlbeteiligung noch der höchste Informationswert zu. Tunesien kehrt endgültig in den Kreis der autokratisch regierten Staaten zurück.

Junger Tunesier geht in der Hauptstadt Tunis an Wahlplakaten vorbei
Kandidaten ohne großen Einfluss: Für viele Menschen in Tunesien hat die Parlamentswahl keine BedeutungBild: Fethi Belaid/AFP/Getty Images

In Tunesien wird an diesem Samstag ein neues Parlament gewählt. Zur Abstimmung aufgerufen sind rund neun Millionen Menschen, zur Vergabe der 161 Parlamentssitze treten meist unbekannte Kandidatinnen und Kandidaten an. Die Opposition rief zum Boykott der Abstimmung auf. Es wird daher mit einer niedrigen Wahlbeteiligung gerechnet. In den tunesischen Medien war der Wahlkampf ohnehin kaum präsent.

Der 64-jährige Staatschef Kais Saied kennt keine arabischen FrühlingsgefühleBild: Fethi Belaid/AFP/Getty Images

Die künftige Volksvertretung wird deutlich weniger Macht haben als frühere. Präsident Kais Saied (64) hatte im Juli in einem umstrittenen Referendum eine neue Verfassung durchgesetzt, die dem Parlament jeglichen Einfluss nahm und seinem eigenen Amt nahezu unbegrenzte Befugnisse verlieh. Seit der Einführung der neuen Verfassung kann der Ex-Juraprofessor bereits ohne Zustimmung des Parlaments die Regierung sowie Richter ernennen und entlassen. 

Immer wieder kommt es zu Protesten gegen Präsident Kais Saied - wie hier im Oktober in der Hauptstadt Tunis Bild: Hassene Dridi/AP/picture alliance

Die Parlamentswahl findet am zwölften Jahrestag der Selbstverbrennung des Gemüsehändlers Mohammed Bouazizi statt. Dessen Tod löste damals Massenproteste aus, den sogenannten Arabischen Frühling. Als Folge floh der autokratische Langzeitherrscher Zine El Abidine Ben Ali knapp einen Monat später ins Ausland. Die Proteste in Tunesien galten als Initialzündung für Aufstände in anderen arabischen Ländern.

Tunesien: Teure Lebensmittel verschärfen den Hunger

05:00

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Die in vielen Bereichen sehr chaotische junge Demokratie schaffte es bislang jedoch nicht, wichtige Reformen in Gang zu setzen. Viele Tunesier sind heute ärmer als zu Zeiten vor dem Übergang zur Demokratie. Ende September war es zu heftigen Protesten gegen starke Preissteigerungen und Lebensmittel-Knappheit gekommen. Kritiker befürchten, dass mit der Abstimmung nun der letzte, offiziell noch demokratische Staat in Nordafrika sich endgültig wieder in ein autokratisch regiertes Land verwandelt. 

sti/se (afp, dpa, rtr, epd)