Tunesien: 57 Richter und Staatsanwälte entlassen
2. Juni 2022In der Mitteilung im Amtsblatt bezichtigte der umstrittene tunesische Präsident Kais Saied die von ihm entlassenen Richter und Staatsanwälte der Korruption, der Beihilfe und des Schutzes von Angeklagten in Terrorismusfällen. Said hatte zuvor in einer Kabinettssitzung angekündigt, er werde eine politische Entscheidung zur Säuberung der Justiz treffen.
Regierungskritiker sprechen von politisch motivierter Aktion
Unter den Entlassenen befinden sich unter anderem der frühere tunesische Oberstaatsanwalt, der ehemalige Vorsitzende des Kassationsgerichts der Hauptstadt Tunis, sowie der frühere Sprecher der Sonderermittlungseinheit zu Finanz- und Terrorverbrechen. Sie alle waren bereits davor von diesen Aufgaben entbunden worden. Regierungskritiker, darunter eine frühere Richterin, nannten die Entlassungen teilweise politisch motiviert.
Der Verfassungsrechtsprofessor Saied wurde 2019 mit dem Versprechen, gegen Korruption vorzugehen, zum Präsidenten gewählt. Seit seiner Machtübernahme hat er schrittweise demokratische Institutionen und Teile der Verfassung des nordafrikanischen Landes sowie die Gewaltenteilung außer Kraft gesetzt. So rief er 2021 den Notstand aus, entließ Regierungschef Hichem Mechichi und stellte im März 2022 das Parlament kalt.
Verlust demokratischer Errungenschaften befürchtet
Am 25.Juli 2022, ein Jahr nach der Verkündung des Notstands, soll die tunesische Bevölkerung über eine Verfassungsreform abstimmen. Der neuen Verfassungsentwurf soll Ende Juni veröffentlicht werden. Der Text soll, so der Präsident, die Grundlage für einen politischen und wirtschaftlichen Neuanfang bilden, der die Belange der Regionen und der Bevölkerung stärker berücksichtigt als der bisherige Status quo. Der 64-jährige Saied spricht sich für ein dezentrales, basisdemokratisches Regierungsmodell mit einem starken Staatspräsidenten an der Spitze aus.
Sollte der Text angenommen werden soll im Dezember ein neues Parlament gewählt werden. Seine Gegner werfen Saied einen Putsch vor und fürchten um die demokratischen Errungenschaften, die sie mit der Revolution von 2011 erlangten.
bri/qu (rtr,epd)