Turner-Preis geht an "Array Collective"
1. Dezember 2021Wenn es um Kunst in Nordirland geht, mischt das "Array Collective" aus Belfast immer ganz vorn mit - am liebsten in opulenten Kostümen. Das elfköpfige Kollektiv gründete sich 2016 und reagiert mit Performances, Protesten, Ausstellungen und Veranstaltungen auf alle Themen, die ihre Landsleute so umtreiben - egal, ob es um die Entkriminalisierung der Abtreibung in ihrer Heimat geht, um Gentrifizierung, die Höhe der Sozialhilfe oder die gesetzlich beschränkten Rechte der queeren Community.
Für so viel Engagement hat das "Array Collective" jetzt den renommierten Turner-Preis bekommen. Die Künstlerinnen und Künstler würden "in einem schwierigen und gespalteten Umfeld agieren", lobte Alex Farquharson, Kopf der Jury und Direktor des Museums Tate Britain, das Engagement des Kollektivs. "Sie packen jedes heiße Eisen an, ob LGB, Feminismus oder religiösen Fanatismus in Nordirland, schaffen es aber trotzdem, diese ernsten Themen mit Humor, Freude, Hoffnung und einer offenen Grundhaltung zu vermitteln." Die bewundernswerte Leichtigkeit ihrer Auftritte und ihre einnehmende Art habe die Jury vollends überzeugt.
Friedlich im "Shebeen" vereint
Im Fokus ihrer für den Preis nominierten Arbeit stand die Installation "The Druithaib’s Ball". In einem imaginären "Shebeen" - einer Kneipe, wo illegal Alkohol ausgeschenkt wird - hängen Banner unter der Decke, die bei Demonstrationen zum Einsatz kamen. Um an diesen Ort zu gelangen, muss man an Fahnenmasten vorbei, die an alte irische Zeremonienstätten erinnern. Dort könne man "sich außerhalb sektiererischer Abgrenzungen zusammensetzen", erläuterte das Kollektiv.
Die Preisverleihung wurde am Mittwochabend in einer Fernsehübertragung aus Coventry im Herzen Englands übertragen. "Das Ganze ist so surreal", sagte Stephen Millar im Namen des Kollektivs. Wir sind so stolz darauf, aus Belfast zu sein." Genauso stolz sei man auf die lokalen Gemeinden, mit denen man zusammen arbeite. Das Preisgeld in Höhe von 25.000 britischen Pfund (rund 29.000 Euro) will das Array Collective in einen sicheren Proberaum investieren.
Kunst für den gesellschaftlichen Wandel
Zum ersten Mal hatten auf der Shortlist der Turner-Jury ausschließlich Künstlerkollektive gestanden. Alle Nominierten arbeiten mit Gemeinden in ganz Großbritannien zusammen, um durch Kunst den sozialen Wandel zu fördern. Ihre Arbeiten spiegelten nach Meinung der Jury Solidarität und Gemeinschaft in der Pandemie wider.
Schon in den vergangenen beiden Jahren sorgte die Preisvergabe wegen ungewöhnlicher Entscheidungen für Aufsehen: 2019 hatten die nominierten Künstler die Jury in einem Brief gebeten, den Preis zu teilen, als Statement der "Gemeinsamkeit, Vielfalt und Solidarität" in einer Zeit der politischen Krise. Sie wollten damit ein Zeichen setzen "in einer Ära, die vom Aufstieg der Rechten und von der Erneuerung des Faschismus geprägt" sei.
Und 2020 vergab die Jury kein Preisgeld, sondern als Corona-Unterstützung zehn Stipendien in Höhe von umgerechnet je 11.500 Euro.
Renommierte Trophäe
Der Turner-Preis ist einer der weltweit bekanntesten Preise für bildende Kunst und will die öffentliche Debatte über zeitgenössische britische Kunst fördern. Er wurde 1984 ins Leben gerufen und ist nach dem britischen Maler Joseph Mallord William Turner (1775-1851) benannt.
Nicht nur die Sieger bekommen ein Preisgeld, die anderen in die engere Wahl gezogenen Künstler erhalten jeweils 10.000 Pfund (rund 11.700 Euro). Die Jury und auch die Preisverleihung werden von der Londoner Tate Gallery organisiert, die die Werke aller Nominierten ausgestellt hat.
Noch bis zum 12. Januar 2022 sind die Werke des Array Collectives sowie der anderen Künstlerkollektive, die nominiert waren, in der Herbert Art Gallery and Museum in Coventry im Rahmen der Feierlichkeiten zur britischen Kulturhauptstadt 2021 zu sehen.