Turner-Preis an Außenseiter
8. Dezember 2003Der Transvestit Grayson Perry (43) - auch als sein Alter Ego Clair bekannt - hat den diesjährigen Turner-Preis gewonnen. Perry hatte mit sadomasochistischen Zeichnungen verzierte Vasen für den künstlerischen Wettbewerb präsentiert. Er bekam für sein Schaffen am Sonntagabend (7.12.2003) in der Tate Britain in London den namhaftesten britischen Kunstpreis verliehen, der mit umgerechnet rund 30.000 Euro dotiert ist.
"Wow!"
Ein schlichtes "Wow!" war die erste Reaktion des Künstlers, stilecht im lila Kleidchen, mit roten Schuhen und bunter Haarspange. Der Kunsttöpfer Perry hatte zu einem früheren Zeitpunkt seine künstlerischen Beweggründe mit den Worten beschrieben: "Eine meiner Ambitionen ist, den Penis zu einem ebenso populären dekorativen Motiv zu machen wie die Blume." Der 43-Jährige gestaltet Vasen, auf denen er sich mit den Themen Sexualität, Kindesmissbrauch und Tod beschäftigt.
Nichts für schwache Nerven
Von vielen Experten und und in den Wettbüros der Buchmachern waren die Brüder Jake und Dinos Chapman favorisiert worden. Auch ihre Kunst ist nichts für konservative Freunde des Wahren Und Schönen: Doch sie und ihre Kunstwerke, wie Sex-Gummipuppen aus Bronze oder von Würmern und Ratten angenagte verstümmelte menschliche Figuren, gingen bei der 20. Verleihung des Turner-Preises leer aus. Die nominierten Chapman-Brüder hatten sich zuletzt auch mit wertvollen Goya-Drucken hervorgetan, bei denen sie die Figuren teilweise mit Comic-Gesichtern übermalt hatten.
Zerwühlte Betten und Elefanten-Dung
Der Turner-Preis wurde früher bereits für Fotos masturbierender Männer, zerwühlte Betten und Bilder aus Elefanten-Dung verliehen. Ein zusammengeknülltes Blatt Papier wurde als "Denkanstoß" gewürdigt. Der britische Kulturstaatssekretär Kim Howells hatte die im vergangenen Jahr ausgewählten Werke als "konzeptionellen Scheiß" beurteilt.
Der Turner-Preis wird an Künstler vergeben, die jünger als 50 Jahre sind und in den vorausgegangenen zwölf Monaten ausgestellt haben. Vor Perry erhielten inzwischen anerkannte Künstler wie Damien Hirst, Anthony Gormley, Wolfgang Tillmanns und Chris Ofili den Turner-Preis. Kritiker werfen den Veranstaltern vor, sich auf Avantgarde zu Lasten konventioneller Formen zu konzentrieren. (sams)