U-Boote gegen China
7. Februar 2012 Tief unten im Südchinesischen Meer lauert etwas und hält ein wachsames Auge auf alles, was sich über und unter der Wasseroberfläche bewegt. Es ist keine Krake und auch nicht Nessie, das Ungeheuer, sondern eine geschmeidige, geräuschlose und tödliche Waffe – das Unterseeboot.
Die Länder, die Anspruch auf Inseln im Südchinesische Meer erheben, halten Unterseeboote für das besten Mittel, um einer wachsenden chinesischen Kriegsflotte etwas entgegenzusetzen. Darüber hinaus hoffen sie, sich ein Minimum an Einfluss darauf zu sichern, wer letztlich die gewaltigen, unschätzbaren Rohstoffvorkommen unter dem Südchinesischen Meer besitzen wird. Auf dem Spiel steht zudem die Kontrolle über die Seewege mit einem geschätzten Handelsvolumen von 1,2 Billionen Dollar (900 Milliarden Euro) pro Jahr.
China, Malaysia, die Philippinen, Taiwan, Vietnam und Brunei beanspruchen alle ganz oder teilweise das Südchinesische Meer. Ihr Augenmerk gilt vor allem den Spratly-Inseln, einer Gruppe von mehr als 750 Riffen, Atollen und Inseln im Süden der Region. Zurzeit kontrolliert Vietnam 21 Riffe, Malaysia acht, die Philippinen acht, China sieben und Taiwan eins.
U-Boote als Joker
In den vergangenen Jahrzehnten konnten die Seestreitkräfte der kleineren asiatischen Staaten durchaus mit denjenigen Chinas mithalten. Das lag hauptsächlich am schlechten Zustand der chinesischen Schiffe und an mangelhafter Ausbildung in der chinesischen Kriegsmarine. Inzwischen hat China jedoch damit begonnen, gewaltige Summen in die Erneuerung seiner Überwasserflotte zu stecken. China besitzt heute mehr als 60 Schiffe, von schweren Fregatten bis hin zu schnellen Angriffsbooten, die das südchinesische Meer patrouillieren.
Die asiatischen Konkurrenten haben es schwer, gegenüber China aufzuholen. Malaysia besitzt acht Fregatten, Indonesien elf, Singapur sechs, Thailand zehn, die Philippinen nur eine einzige. Angesichts der chinesischen Übermacht haben diese Länder begonnen, in Unterseeboot-Technologie zu investieren. Denn U-Boote sind in der Lage, jeder Überwasser-Flotte das Leben schwer zu machen.
Militarisierung der Region
Viele Experten sind sich einig, dass diese Entwicklung auch die Militarisierung der weiteren Region anheizt. Indien plant, sein erstes nuklearbetriebenes Angriffs-U-Boot in Dienst zu nehmen, das es von Russland leasen möchte. Australien will bis zu 63 Milliarden US-Dollar für eine eigene U-Boot-Flotte auslegen, obwohl es keine Rolle als regionaler Machtfaktor spielt. Japan will seine 16 Boote starke Flotte um weitere acht erweitern, Südkorea verkauft inzwischen U-Boote an Indonesien. Pakistan, Thailand und sogar Bangladesch besitzen bereits Unterseeboote oder planen deren Anschaffung.
Und auch Peking liegt in diesem Rüstungs-Rennen ganz vorne. Laut dem China-Spezialisten Lyle Goldstein vom Forschungsinstitut "US Naval War College" besitzt China derzeit 60 Unterseeboote, darunter neun Atom-U-Boote.
Nach einer Analyse des auf Rüstungsfragen spezialisierten Informationsdienstes IHS Jane's handelt es sich noch nicht um ein Wettrüsten in Asien, wohl aber um Anzeichen für geopolitische Veränderungen. "Ein (bewaffneter) Konflikt in der Region dürfte zurzeit eher unwahrscheinlich sein, da die Beziehungen nicht bis zu dem Punkt einer militärischen Konfrontation angespannt sind. Dennoch gibt es nur wenige Anzeichen dafür, dass die Staaten der Region bereit wären, politische Lösungen zu finden", heißt es in dem IHS Jane's-Bericht. "Daher ist eine fortschreitende und die Spannungen verschärfende Militarisierung der Region der wahrscheinlichste Ausgang."
Shada Islam von der europäischen Denkfabrik "Friends of Europe" meint, die ungeklärten Fragen im Südchinesischen Meer hätten in der Region Nationalgefühle aufgerührt und auch dadurch die Militarisierung angeheizt. "Die Menschen in all diesen Ländern denken, das Südchinesische Meer gehöre ihnen. Außerdem spielen wirtschaftliche Interessen eine große Rolle. Für China ist das Südchinesische Meer eine lebenswichtige Handelsroute. Das Thema ist also ein wunder Punkt innerhalb des südostasiatischen Staatenbundes ASEAN", erklärt Islam. "Die Mitgliedsstaaten sind dieser explosiven Frage bei ihren politischen und wirtschaftlichen Diskussionen bisher sehr erfolgreich ausgewichen. Aber das Thema flackert immer wieder auf."
USA als Verbündete
In den vergangenen Jahren gab es wiederholt maritime und diplomatische Spannungen und Beschwerden über ein immer aggressiver auftretendes China. China vertrete seine territorialen Ansprüche immer dann "extrem aggressiv und konfrontativ", wenn man versuche, die regionalen Spannungen auf einer internationalen Bühne zu diskutieren, so Islam. Deshalb lehnten die übrigen Länder mit Ansprüchen im Südchinesischen Meer sich stärker an die USA an und forderten größeren Einfluss Washingtons in der Region.
Auch Tim Huxley, Direktor des „International Institute for Strategic Studies" in Singapur, meint, die wachsende Angst vor China unterstütze Präsident Obamas Politik, die US-Streitkräfte in der Asien-Pazifik-Region zu verstärken. " Die USA werden ohne Zweifel auch weiterhin eine bedeutende diplomatische, politische und wirtschaftliche Rolle in dieser Region spielen", so Huxley. "Die USA sind bei weitem die wichtigste Militärmacht im asiatisch-pazifischen Raum und werden es auch in der näheren Zukunft bleiben."
Regionalforen überfordert
Wie wird es also weitergehen? Viele Experten sind sich einig, dass Regionalforen trotz guter Absichten nicht in der Lage sein werden, die Situation in den Griff zu bekommen - vor allem, solange China multilaterale Ansätze ablehne.
Das Beste, auf das man hoffen könne, sei eine mehr oder weniger bindende Vereinbarung über Gewaltverzicht, so Huxley, sowie die gemeinsame Nutzbarmachung der natürlichen Ressourcen der Region. "Falls jedoch die Staaten der Region Hardliner-Positionen einnehmen und hochentwickelte Waffensysteme im Südchinesischen Meer in Stellung bringen, könnten die militärischen Spannungen in der Region eskalieren."
Autor: Darren Mara, Übers.: Ana Lehmann
Redaktion: Hans Spross