Deutschlands dienstältester Rockmusiker hat Höhen und Tiefen durchlebt. Zum 75. Geburtstag zieht Udo Lindenberg mit dem Song "Wieder genauso" Bilanz.
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Udo Lindenberg wird 75
Jahrzehntelang hat Udo Lindenberg Erfolge gefeiert. Aber auch eine lange Talfahrt brachte er hinter sich. An seinem 75. ist er für viele eine lebende Ikone.
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Denkmal für eine Gronauer Legende
Wer kann schon von sich sagen, er habe eine eigene Statue? Die meisten, denen ein Denkmal gesetzt wird, sind in der Regel bereits von uns gegangen. Udo aber nicht. Hier steht er 2015 vor seiner Statue in seiner Heimatstadt Gronau. Er möchte noch lange nicht abtreten, sagt er - auch wenn die Coronapandemie ihn zurzeit ausbremst.
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Mit dem Schlagzeug in die Freiheit
Udo liebte das Schlagzeugspielen schon als Kind. Als er mit 15 sein Elternhaus verließ, verschlug es ihn nach Düsseldorf, wo er kellnerte und Schlagzeug spielend durch die Kneipen tingelte. Später ging er ins Ausland, schließlich landete er in Hamburg und trommelte bei den City Preachers. Er lernte den Bandleader Peter Herbolzheimer kennen und wurde ein immer öfter gefragter Studiomusiker.
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Jazzrock mit Doldinger
1970 lernte Udo den damals schon renommierten Jazzer Klaus Doldinger kennen. Doldinger hörte ihn in einer Bar Schlagzeug spielen und engagierte ihn für seine neue Band "Passport". Drei Jahre trommelte Udo für Doldinger. "Das war schon eine geile Musik", sagt Udo auch heute noch. Und die Freundschaft mit Doldinger hält immer noch.
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Keine Panik auf der Titanic
1973 gründete Udo seine erste eigene Rockband: das Panikorchester. Rockmusik mit deutschen Texten, das hatte vor ihm noch keiner gewagt. Kleine Geschichten aus dem Leben, Texte über Sehnsüchte, kleine und große Menschen, auch übers Saufen und Feiern. 1978 waren Udo und sein Panikorchester schon große Stars in Deutschland. Hier feiert Udo mit Regisseur Peter Zadek das fünfjährige Bandjubiläum.
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"All die ganzen Schlageraffen dürfen da singen"
Udo wollte unbedingt in der DDR auftreten. In dem Lied "Sonderzug nach Pankow" bat er den DDR-Staatsratsvorsitzenden Honecker auf seine üblich schnoddrige Art um Erlaubnis dazu. Die Anfrage wurde fast zu einem Politikum, bis Udo 1983 im Ostberliner Palast der Republik tatsächlich ein Konzert geben durfte. Natürlich unter den wachsamen Augen des Geheimdienstes. Udos Stasi-Akte hat 108 Seiten.
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Die Schalmei aus der DDR
Udo zeigt Nina Hagen eine Schalmei mit Geschichte. Anlässlich seines Konzerts in der DDR hatte Udo Erich Honecker eine Lederjacke geschenkt. Die Antwort aus dem Politbüro war fast witzig: Honecker schickte Udo eine Schalmei. Udo revanchierte sich mit dem nächsten Geschenk: Beim folgenden Treffen mit "Honni" gab's unter dem Motto "Gitarren statt Knarren" eine E-Gitarre.
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Immer nah an den Fans
Udo Lindenberg wirkt oft unnahbar, weil er meistens Sonnenbrille trägt. Dennoch ist er offen für seine Fans (oben ein Foto von 1989). Er quatscht mit ihnen, hat für jeden einen coolen Udo-Spruch auf den Lippen, gibt Autogramme und scheut auch nicht vor Selfies zurück. Ein besonderer Moment für jeden Fan ist es, wenn Udo seine Brille etwas runterzieht und seinem Gegenüber in die Augen guckt.
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Udo engagiert sich
Wenn sich Musiker und Künstler für Frieden, Flüchtlinge, gegen Krieg und Rassismus engagieren, ist Udo immer mit dabei. 1985 war er Teil der "Band für Afrika", der Erlös vom Song "Nackt im Wind" ging nach Äthiopien. Mit seinem Künstlerfreund Joseph Beuys (oben) sang er bei "Künstler für den Frieden" vor 250.000 Leuten. Heute sagt er Corona-Leugnern und Maskenmuffeln den Kampf an.
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Panische Malerei
Irgendwann fing Udo Lindenberg mit dem Zeichnen an. Kleine, comicartige "Udogramme", Zeichnungen von dicken Frauen, dünnen Männern, Selbstporträts. Das "Lindenwerk" umfasst ganze Zyklen wie "Panikmetropolen", "Nackte Akte" oder "Arschgesichter und andere Gezeichnete", oben in einer Ausstellung von 1996. Eine Spezialität sind Udos "Likörelle", Aquarelle aus bunten Likören.
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Udo und die Frauen
Natürlich gab und gibt es Frauen in Udos Leben. Auf dem Foto von 1994 sitzt er - ohne Sonnenbrille! - zwischen Nina Hagen (mit der er eine Affäre gehabt haben soll, ebenso wie mit Nena) und seiner damaligen Freundin Katja. Sie feiern Udos 25-jähriges Bühnenjubiläum. Seit mehr als 15 Jahren hat Udo eine enge Verbindung mit seiner Fotografin und Muse Tine Acke.
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Das lange Tief
Ende der 1980er Jahre wollte Udo nichts mehr wirklich gelingen. Er war mit Mitte 40 noch jung - aber vielen schon zu alt. Er entwickelte sich nicht weiter, trank viel Alkohol und drohte zu einer Karikatur seiner selbst zu werden. Viele Fans wandten sich von ihm ab. Ein prominenter Fan, der Schriftsteller Benjamin von Stuckrad-Barre, beschreibt diese Phase anschaulich in seinem Buch "Panikherz".
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"Stark wie zwei"
2008 brachte Udo eine Platte heraus, die nicht nur seine Fans aufhorchen ließ. Das Beste, was man seit Jahren von ihm gehört hat, fanden auch seine Kritiker. Platz eins in den deutschen Albumcharts - das hatte vorher keines seiner 33 Studioalben geschafft. Der Clou: Neben den starken Liedern gibt es auch starke Gäste, unter anderem Soulsänger Jan Delay (oben) und die Band Silbermond.
Bild: Tine Acke
Ritterschlag: MTV Unplugged
2011 legte Udo nach. Er traf sich mit weiteren aktuellen deutschen Popstars und 300 Fans in einer kleinen Hamburger Location, spielte ein langes Live-Konzert. Das Album dazu erreichte ebenfalls Platz eins der Charts, und spätestens jetzt erschloss sich Udo eine weitere große Fangemeinde: die Kinder seiner alten Fans. Mit Clueso (oben) sang er "Cello", auch das wurde ein Nummer-eins-Hit.
Bild: Tine Acke
Stärker als die Zeit
Udo Lindenberg ist sich treu geblieben, hielt auch in der schweren Zeit durch. Sein Glaube an sich selbst wurde mit einem erfolgreichen Comeback belohnt. Pünktlich zu seinem 70. Geburtstag am 17. Mai 2016 schnellte sein nachdenkliches und selbstironisches Werk "Stärker als die Zeit" an die Chartsspitze.
Bild: Tine Acke
Er bereut nichts
Auch wenn ihm die Coronapandemie einen Strich durch den Tourkalender gemacht hat, ist Udo Lindenberg umtriebig. 2020 erschien das Biopic "Lindenberg! Mach dein Ding", ein Film über seine Jugend und die Anfangsjahre als Musiker. Jetzt zum 75. Geburtstag erscheint das neue Best of-Album "Udopium - Das Beste" und seine Single "Wieder genauso" ist auch schon da.
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Udo Lindenberg kommt aus Gronau, einer kleinen Stadt im Münsterland, nahe der holländischen Grenze. Die Gronauer sind so stolz auf ihren berühmten Sohn, dass sie nicht nur einen ganzen Platz nach ihm benannt, sondern auch eine überlebensgroße Statue aufgestellt haben. Nicht vielen bekannten Persönlichkeiten wird solche Ehre schon zu Lebzeiten zuteil.
Der Stolz Gronaus
Überlebensgroß und gewaltig streckt Udo mit Ausfallschritt seine Hand mit dem Mikrofon in die Luft. Am 16. Mai 2015, einen Tag vor seinem 69. Geburtstag, hat Udo sein eigenes Denkmal enthüllt. "Das ist die Freiheitsstatue von Gronau", sagte er damals.
Auch dass die vermeintliche Bronze-Statue nur eine Zink-Kupferlegierung war und Materialermüdung den 400 Kilo schweren Udo vor drei Jahren zu Fall gebracht hatte, kann den Stolz der Gronauer auf ihren berühmten Sohn nicht trüben. Nach Reparaturarbeiten steht Udo wieder da - "Stärker als die Zeit", wie der Titel seines letzten Studioalbums lautet. 2016 hatte er das zu seinem 70. Geburtstag herausgebracht und ist damit auf Tour gegangen.
Udo live heißt: bis zu 65 Künstler gleichzeitig auf der Bühne. Eine spektakuläre, multimediale Bühnenshow, ein Ereignis, schweißtreibend, laut, schrill, bunt und musikalisch auf höchstem Niveau. Alter scheint keine Rolle zu spielen.
Bloß raus aus der Provinz
Udo Lindenberg wuchs mit seinen drei Geschwistern in einem unscheinbaren Einfamilienhaus in einer typisch deutschen Kleinstadt auf. Seine Eltern hatten einen Installationsbetrieb. Das Kleinstadtleben hat Udo schon als Kind nicht gefallen, im Elternhaus herrschte eine eher lieblose Atmosphäre, der Vater war dem Schnaps mehr zugetan als seinen Kindern. Udo begann zu trommeln. Auf Blechkisten, hinten im Hof. Später wurde mit Kumpels gesoffen, geraucht, Blödsinn gemacht - was man eben als Jugendlicher so macht, dem der Kleinstadthimmel auf den Kopf fällt.
Udo wollte raus. In seinem Song "Mit dem Sakko nach Monaco" gibt es die Zeile: "Die beste Straße unserer Stadt, die führt aus ihr hinaus." Und so wird er oft an der Stelle gestanden haben, wo nun seine Statue steht - am Ortsausgang von Gronau, mit dem Daumen im Wind.
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Mehr als 50 Jahre Musikkarriere
Als Jazztrommler verdiente er sich sein Geld, zusammen mit Peter Herbolzheimer hatte er eine Band - und Klaus Doldinger entdeckte ihn für sein Projekt "Passport". Doldinger schrieb auch die Musik zum Vorspann der deutschen Krimiserie "Tatort" - Udo Lindenberg ist am Schlagzeug zu hören - bis heute wurde die Aufnahme von 1970 nur geringfügig verändert.
Udos erste Soloplatte entstand 1971 - bis zum ersten Erfolg sollte es noch ein paar Jahre dauern. Der Rest ist Musikgeschichte. Er steht für Rock'n'Roll wie kaum ein anderer deutscher Musiker, schnoddert sich durch einen Hit nach dem anderen, repräsentiert die "Bunte Republik Deutschland", ist der Panikpräsident, Erfinder von Figuren wie Wotan Wahnwitz, Bodo Ballermann, Johnny Controletti. Er lud sich selbst dazu ein, mit dem "Sonderzug nach Pankow" in die DDR zu reisen. Er durfte tatsächlich ein Konzert im Palast der Republik in Ostberlin geben, wurde von der Stasi beobachtet. Er ging seinen Weg nach vorne, ließ sich nicht verbiegen und strauchelte auch. Der Rock'n'Roll hat seine Schattenseiten, und der Alkohol wurde ihm fast zum Verhängnis. Aber: Keine Panik auf der Titanic! Udo schaffte es wieder raus aus dem Sumpf, nahm zwei wunderbare Platten, darunter ein MTV-Unplugged Album, mit jungen Stars der deutschen Musikszene auf und war wieder da.
Udo Lindenberg im Palast der Republik
Es ist das erste Mal, dass Udo Lindenberg in der DDR auftreten darf. Acht Jahre hat er sich bemüht, die DDR-Führung zu überreden, doch die meisten Versuche gingen nach hinten los. Bis zum 25. Oktober 1983.
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Gefeiert und bespitzelt: Udos Einreise in die DDR am 25.10.1983
Schon am Grenzübergang Invalidenstraße heftet sich die Staatssicherheit an Udo Lindenbergs Fersen. Eifrige Mitarbeiter der Hauptabteilung für Passkontrolle, Tourismus und Interhotels fotografieren jeden Schritt des Rocksängers aus dem Westen. Im Stasi-Papier werden genaue Uhrzeiten dokumentiert: Einreise um 12:10 Uhr. Von 12:10 bis 12:23 ein Interview mit dem westdeutschen TV-Sender ZDF.
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Begeisterte Menge vor dem Palast der Republik
"Es ist damit zu rechnen, dass eine große Anzahl Jugendlicher aus der Hauptstadt und aus den Bezirken der Republik versuchen wird, an dieser Veranstaltung teilzunehmen, auch wenn sie nicht im Besitz einer gültigen Eintrittskarte sind", hat die Stasi im Vorfeld in ihrem Einsatzpapier vermerkt. So ist man entsprechend auf die begeisterte Menge vorbereitet und schickt 400 Einsatzkräfte.
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Endlich ist Udo da!
Die DDR-Führung verspricht sich viel von Udo Lindenbergs Auftritt beim "Festival für den Frieden der Welt". Denn Udo ist nicht nur ein bekannter West-Rockstar, sondern auch ein Friedensaktivist. So können sich Honecker und seine Mannen als große Friedensengel präsentieren. Für die Fans ist die politische Dimension zweitrangig. Endlich dürfen sie ihr Idol live sehen.
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"Linientreue Steiftiere"
Ein Irrtum. Denn die Eintrittskarten zu dem "Festival" sind vom kommunistischen Jugendverband "Freie Deutsche Jugend" (FDJ) vergeben worden. Und so sieht sich Udo Lindenberg beim Konzert 4200 braven DDR-Jugendlichen und einer Reihe Funktionäre gegenüber. "Drinnen saßen nur linientreue Steiftiere unter Valium, die echten Paniker forderten draußen ihren Udo", erinnert sich Lindenberg später.
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Ein vermeintlich harmloser Auftritt
Vier Lieder singt Udo Lindenberg bei diesem Konzert. Darunter seine Antikriegshymne "Wozu sind Kriege da?". Seinen im Vorfeld so ungeliebten Song "Sonderzug nach Pankow" trägt er nicht vor. Stattdessen sorgt er mit einem Ausspruch für Furore, der nicht im Plan der Veranstalter stand...
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"Weg mit allem Raketenschrott"
FDJ-Chef Egon Krenz und Lindenberg wettern gegen die NATO-Aufrüstung im Westen. So weit, so gut. Udo jedoch fügt hinzu: "Von deutschem Boden darf nie wieder ein Krieg ausgehen. Weg mit allem Raketenschrott in der Bundesrepublik und in der DDR. Keine Pershings und keine SS-20." Das kommt nicht gut an: Just an diesem Tag ist die Stationierung sowjetischer Raketen in der DDR beschlossen worden.
Bild: picture-alliance/Dieter Klar
Die echten Fans randalieren draußen
Währenddessen herrschen draußen tumultartige Zustände. Hunderte Lindenberg-Fans können das Konzert nicht sehen - das bleibt nicht ohne Folgen. Vor, während und nach dem Konzert randalieren Fans auf der Straße. Die Volkspolizisten haben viel zu tun. Für die Stasi ist die ganze Veranstaltung ein Großeinsatz - bis "L." die DDR um 24:00 Uhr am Grenzübergang Invalidenstraße wieder verlässt.
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Corona lässt auch den "kleinen Udo" nicht kalt
Auch ihn hat die Pandemie hart getroffen. Die Tour 2020 musste abgesagt werden, niemand weiß, wann die Konzerte nachgeholt werden können. Außerdem musste er - so wird vermutet - aus dem Hotel Atlantic in Hamburg ausziehen, wo er fast 25 Jahre gewohnt hatte. Er nimmt Corona ernst und appellierte schon letztes Jahr an alle Maskenmuffel: "Wir brauchen die kollektive Mega-Power, also: Maske auf und mit panischer Konsequenz da durch!"
Für Zahlenfreunde noch dies hier, gerade herausgegeben vom Marktforschungsunternehmen Gfk Entertainment: Mit bislang 52 Alben und 23 Singles kam Udo Lindenberg in seiner langen Karriere auf 1134 Platzierungen in den deutschen Charts, davon war er 153 Mal in den Top 10.
Nun könnte eine weitere Platzierung dazu kommen, denn pünktlich zum 75. Geburtstag erscheint die neue Scheibe "Udopium", auf der er 50 Jahre seiner Musikkarriere nochmal Revue passieren lässt. Hinzu kommt eine neue Single. In dem Song "Wieder genauso" unterhält er sich mit dem Tod, dem er sagt, egal was in meinem Leben passiert sei: Er würde alles wieder genauso machen. Darauf einen Eierlikör.